Kleisthenische Reformen

Kleisthenische Reformen

Die in den Jahren zwischen 508 und 507 v. Chr. von Kleisthenes durchgeführten Reformen des politischen Systems der athenischen Polis sind als Kleisthenische Reformen (oder auch Reformen des Kleisthenes) in die Geschichte eingegangen.

Die Kleisthenischen Reformen schränkten die Macht des Adels ein und etablierten ausgeprägte demokratische Strukturen (Isonomie). Ob Kleisthenes damit als der Begründer der athenischen Demokratie gelten kann, ist in der Forschung allerdings umstritten.

Inhaltsverzeichnis

Maßnahmen

Die althergebrachte Phylenordnung (vier Phylen nach Geschlechtern) wurde durch eine neue ersetzt, die folgendermaßen strukturiert war:

Das Staatsgebiet der Polis, bestehend aus 139 Demen (Zahl ist aus dem 4. Jh. überliefert), wurde in drei gleichberechtigte Teile unterteilt (Stadt, Binnenland, Küste), die wiederum in zehn Trittyen gegliedert wurden. so dass es insgesamt 30 Trittyen gab. Bei einigen Trittyen waren gemäß der Population mehrere Demen (Städte und Dörfer) in einer Trittye, bei anderen nur ein Demos enthalten. Die Trittyen wurden derart auf zehn Phylen verteilt, dass immer eine Trittye aus der Stadt, eine aus dem Binnenland und eine von der Küste zusammen eine Phyle bildeten. Aristoteles schreibt zwar, dass die Trittyen durch Los den einzelnen Phylen zugeteilt worden seien, man vermutet aber, Kleisthenes habe die Verteilung so beeinflusst, dass Gebiete, in denen seine Familie der Alkmeoniden größere Besitztümer und somit politischen Einfluss besaß, gezielt zusammengestellt worden sind. In der Forschung gilt diese Annahme weitestgehend als widerlegt, da sie dem Gesamtkonzept der Kleisthenischen Phylenreform widerspricht.[1] Jede Phyle entsandte 50, für die Dauer eines Jahres gewählte Vertreter in den Rat der 500 (=50 Vertreter aus jeder der zehn Phylen).

Regiert wurde die Polis aber genau genommen nicht vom Rat der 500, sondern von der Prytanie, die, aus den 50 Gewählten einer Phyle bestehend, den Vorsitz über den Rat hatte. Dieser ging über den Zeitraum von 36 Tagen (= 1/10 des Jahres), in dem die Prytanen den Versammlungsort nicht verließen, um für den Demos präsent zu sein. Nach Ablauf der 36 Tage wechselten die Mitglieder der Prytanie und die Abgeordneten einer anderen Phyle hatten für 36 Tage die Prytanie inne. Die Prytanie wurde vom Epistates geleitet, der jeden Tag aufs Neue durch Losentscheid zwischen den Mitgliedern der Prytanie ermittelt wurde. Ab 403 v. Chr. kam es jedoch zu einer Abänderung des Vorsitzes. So wurde nun die Geschäftsführung des Rates gewählt wie zuvor beschrieben, zusätzlich jedoch wurde aus den übrigen 9 Phylen, welche die Prytanie nicht inne hatten, die 9 Prohedroi täglich gewählt, welche ihrerseits täglich einen neuen Epistates wählten. Dieses Gremium hatte den offiziellen Vorsitz über Rat und Volksversammlung. Damit war ein Gegengewicht zur 36 Tage geschäftsführenden Prytanie geschaffen worden, das jegliche Interessensbildung ausglich.[2]

Die kleinste Einheit unter den Phylen und den Trittyen waren die Demen, einzelne Gemeinden, in denen die Bürgerlisten geführt wurden. Die zehngliedrige Phylenordnung wurde auch auf das Heer übertragen. Das Heer wurde in zehn Phylenregimenter gegliedert, die seit 501/500 v. Chr. jeweils auch einem von 10 Phylenstrategen unterstanden, welche ihrerseits mit dem Archon Polemarchos (militärischer Befehlsinhaber) kooperieren mussten.

Auch die Einführung des Ostrakismos wird mit den Reformen des Kleisthenes in Verbindung gebracht.

Aufteilung der kleisthenischen Phylen

Tafel in der Ausgrabungsstätte der Athener Agora. Sie zeigt die Rekonstruktion des Monuments der Eponymen Heroen. Das Monument stellt die zehn namensgebenden Helden der Phylen dar.

Die exakte Anzahl an Demen ist nicht bekannt. Ebenso kennt man nicht alle Namen der Trittyen (vermutete Namen sind mit einem ? gekennzeichnet).

Phyle Name Trittye Demen Anzahl
Volksvertreter
1. Phyle Erechtheis Euonymon? (Stadt) Oberagryle 3
Unteragryle 2
Euonymon 10
Themakos 1
Kephisia? (Binnenland) Kephisia 6
Oberpergase 2
Unterpergase 2
Lamptrai? (Küste) Anagyrus 6
Unterlamptrai 9
Oberlamptrai 5
unbekannte Zuordnung Kedoi  ?
Pambotadai  ?
Phegous  ?
2. Phyle Aigeis Kollytos? (Stadt) Oberankyle 1
Unterankyle 1
Bate 1
Domeia 1
Erikeia 1
Hestieia 1
Kollytos 3
Kolonos 2
Epakria? (Binnenland) Gargettos 4
Erchia 7
Ikaria 5
Ionidai 2
Kydantidai 1
Myrrhinoutta 6
Penteli  ?
Plotheia 1
Teithras 4
Araphen? (Küste) Halai Araphenides 5
Araphen 2
Phegaia 3
Philaidai 3
unbekannte Zuordnung Otryne  ?
3. Phyle Pandionis Kydathenaion? (Stadt) Kydathenaion 12
Paiania (Binnenland) Konthyle 1
Oberpaiania 11
Unterpaiania 2
Oa 4
Nord-Myrrhinous (Küste) Probalinthos 5
Süd-Myrrhinous (Küste) Angele 2
Myrrhinous 6
Oropos  ?
Prasiai 3
Steiria 3
unbekannte Zuordnung Kytheros  ?
4. Phyle Leontis Skambonidai (Stadt) Alimus 3
Leukonion  ?
Skambonidai 3
Hekale (Binnenland) Hekale 1
Eupyridai 1
Kolonos  ?
Kropidai 1
Paionida 3
Pelekes 2
Cholleidai 2
Nord-Phrearrhoi (Küste) Deiradiotai 1
Potamioi-Deiradiotai 1
Oberpotamos 2
Unterpotamos 1
Phrearrhoi 9
Süd-Phrearrhoi (Küste) Sounion 4
unbekannte Zuordnung Aithalidai  ?
Kettos  ?
Oion Kerameikon  ?
Hybadai  ?
5. Phyle Akamantis Cholagos (Stadt) Eiresidai 1
Hermos 2
Iphistiadai 1
Kerameis?  ?
Cholargos 4
Sphettos (Binnenland) Hagnus 5
Kikynna 2
Prospalta 5
Sphettos 5
Thorikos (Küste) Thorikos 5
Kephale 9
unbekannte Zuordnung Eitea  ?
Kyrteidai  ?
Poros  ?
6. Phyle Oineis Lakiadai (Stadt) Boutadai 1
Epikephisia 1
Kerameis 6
Lakiadai 2
Lousia 1
Perithoidai 3
Ptelea 1
Pedieis (Binnenland) Acharnai 22
Thria (Küste) Thria 7
Kothokidai  ?
Phyle 2
unbekannte Zuordnung Hippotomadai  ?
Oe  ?
Tyrmeidai  ?
7. Phyle Kekropis Melite? (Stadt) Daidalidai 1
Melite 7
Xypete 7
Athmonon (Binnenland) Athmonon 6
Pithos 3
Sypalettos 2
Trinemeia 2
Phlyai 6
Aixone ? (Küste) Aixone 8
Halai 7
unbekannte Zuordnung Epieikidai  ?
8. Phyle Hippoth(e)ontis Peiraeus (Stadt) Thymaitadai 2
Kairiadai 2
Koile 3
Korydallos 1
Peiraeus  ?
Dekelaia? (Binnenland) Dekelaia 4
Oion Dekeleikon 3
Eleusis (Küste) Elaious 2
Eleusis 11
Oenoe im Westen 2
unbekannte Zuordnung Azenia  ?
Hamaxanteia  ?
Anakaia  ?
Auridai  ?
Acherdous  ?
Eroiadai  ?
Kopros  ?
9. Phyle Aiantis Phaleron? (Stadt) Phaleron 9
Aphidnai? (Binnenland) Aphidnai 16
Tetrapolis (Küste) Marathon 10
Oinoe im Osten 4
Trikorynthos 3
10. Phyle Antiochis Alopeke (Stadt) Alopeke 10
Pallene (Binnenland) Eitea 2
Kolonai 2
Pallene 6
Semachidai 1
Anaphlystos (Küste) Aigilia 6
Amphitrope 2
Anaphlystos 10
Atene 3
Besa 2
Thorai 4
unbekannte Zuordnung Eroidai  ?
Ergadeis  ?
Krioa  ?
Leukopyra  ?
Phyrrhinesioi  ?

Siehe auch

Literatur

  • Jürgen Schäfer: Die Reformpolitik des Kleisthenes. GRIN Verlag, 2001. ISBN 3-638147258

Weblinks

Fußnoten

  1. Vgl. Robin Osborne, Greece in the making 1200-479 BC, 2nd Edition, London/New York 2009, S. 284f.
  2. Aristoteles 44; vgl. auch Karl-Wilhelm Welwei: Die griechische Polis: Verfassung und Gesellschaft in archaischer und klassischer Zeit. 2. Auflage. F. Steiner, Stuttgart 1998, S. 247; Jochen Bleicken: Die athenische Demokratie. 4. Auflage. Schöningh, Paderborn u. a. 1995, S. 197.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Kleisthenés — Der Athener Staatsreformer Kleisthenes (griechisch: Κλεισθένης / Kleisthénês, * um 570 v. Chr., † um 507 v. Chr.) stammte aus der Familie der Alkmeoniden und wurde wahrscheinlich noch unter dem Tyrannen Hippias zum Archonten ernannt. Am Ende… …   Deutsch Wikipedia

  • Attische Demokratie — Die Pnyx mit Rednertribüne, in klassischer Zeit Ort der attischen Volksversammlung Die attische Demokratie ist in universalgeschichtlicher Sicht die frühe Vorläuferin einer auf das Prinzip der Volkssouveränität gegründeten politischen Ordnung.… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Philosophen — …   Deutsch Wikipedia

  • Alkmeoniden — Die Alkmaioniden (auch Alkmeoniden, ältere Schreibweise Alkmäoniden) waren ein Adelsgeschlecht im archaischen Athen, das seine Herkunft von der mythischen Gestalt Alkmaion (Alkmeon), einem Urenkel Nestors, herleitete. 632 v. Chr. gelingt es dem… …   Deutsch Wikipedia

  • Alkmäonide — Die Alkmaioniden (auch Alkmeoniden, ältere Schreibweise Alkmäoniden) waren ein Adelsgeschlecht im archaischen Athen, das seine Herkunft von der mythischen Gestalt Alkmaion (Alkmeon), einem Urenkel Nestors, herleitete. 632 v. Chr. gelingt es dem… …   Deutsch Wikipedia

  • Alkmäoniden — Die Alkmaioniden (auch Alkmeoniden, ältere Schreibweise Alkmäoniden) waren ein Adelsgeschlecht im archaischen Athen, das seine Herkunft von der mythischen Gestalt Alkmaion (Alkmeon), einem Urenkel Nestors, herleitete. 632 v. Chr. gelingt es dem… …   Deutsch Wikipedia

  • Athenerschatzhaus — Das Schatzhaus der Athener in Delphi Das Schatzhaus der Athener in Delphi diente zur Aufbewahrung von Weihgeschenken der Stadt Athen. Es lag an der Heiligen Straße, die zum Tempel des Apollon, mit dem Orakel von Delphi, führte. Für das aus… …   Deutsch Wikipedia

  • Isonomie — Isonomia (gr. ἰσονομία) bezeichnete im antiken Griechenland die politische Gleichheit aller Vollbürger einer Polis. Dementsprechend waren Sklaven, Frauen und Metöken (Ortsfremde) von der Isonomie ausgeschlossen. Die Isonomie bildete die Grundlage …   Deutsch Wikipedia

  • Naukrarien — Als Naukraria (altgr. ναυκραρία = Schiffshauptmannschaft von ναυκληρέω = ein Schiff besitzen) bezeichnete man in archaischer Zeit in Athen eine Untergliederung der athenischen Bürgerschaft, die jeweils ein Schiff und zwei Reiter bereitzustellen… …   Deutsch Wikipedia

  • Pnyka — Die Pnyx mit Rednertribüne Die Pnyx, im Hintergrund die Akropolis Die Pnyx (altgriech. πνύξ, neugriech. πνύκα) ist ein Hügel in Athen, direkt westlich der Akropolis gelegen und seit den …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”