- Kletterseil
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Datei:Gewickeltes Bergseil.JPG
Kletterseile oder Bergseile sind Seile, die als Hilfsmittel beim Klettern, der Sicherung der Kletternden und im Alpinen Klettern auch der Fortbewegung dienen (beispielsweise beim Abseilen oder Jümarn).
Bis in die 1960er Jahre waren die Bergsteiger auf Seile aus Hanffasern angewiesen. Seilrisse waren nicht selten und führten zu zahlreichen tödlichen Unfällen. Seile aus Kunstseide, die annähernd die Seilnormen heutiger Bergseile erfüllten, fanden wenig Verbreitung und waren teuer zu erstehen.
Moderne Kletterseile bestehen aus dem Kunststoff Polyamid und weisen meist eine Kernmantelkonstruktion auf: Ein Kern aus verflochtenen Fasern wird von einem Mantel umgeben, der ihn vor Beschädigung schützt. Der Kern trägt die Hauptlast (Ausnahme: Baumkletterseile). Kletterseile werden nach ihrer Gebrauchsdehnung unterschieden in dynamische Seile (Dehnung um acht Prozent), und halbstatische Seile (Dehnung zwischen zwei und fünf Prozent). Die Mindestfestigkeitswerte der heute in Deutschland erhältlichen Kletterseile sind nach Festlegungen der UIAA genormt. Nach den Seilnormen werden Einfachseile, Halbseile und Zwillingsseile unterschieden.
Kletterseile werden sowohl im Klettersport, als auch von Bergwacht und Höhenrettung, sowie von der Feuerwehr im Bereich der Absturzsicherung eingesetzt.
Inhaltsverzeichnis
Seiltypen
Dynamische Seile
Aufgrund ihrer Dehnbarkeit können dynamische Seile Sturzenergie aufnehmen und dadurch den auf den Kletterer wirkenden Fangstoß auf ein für den menschlichen Körper erträgliches Maß reduzieren. Sie werden beim Sportklettern und beim alpinen Klettern verwendet. Es gibt drei Arten dynamischer Seile:
Einfachseil
In der Halle und im Klettergarten kommen Einfachseile zum Einsatz, deren Durchmesser zwischen 8,9 und 11 mm liegt. Solch ein Seil muss folgende Anforderungen erfüllen:
- Normstürze: mindestens fünf Stürze mit 80 kg bei Sturzfaktor 1,75.
- Fangstoß: maximal 12 kN
- Seildehnung: maximal 10 % bei statischer Belastung und maximal 40 % bei Sturz
- Knotenweite: maximal das 1,1-fache des Seildurchmessers
- Mantelverschiebung: maximal 2 %
Zwillingsseil
Zwillingsseile (7–8 mm), manchmal auch Doppelseil genannt, kommen nur im doppelten Strang zum Einsatz. Sie werden verwendet, wenn man lange Routen mit guten Zwischensicherungspunkten klettert und danach über diese auch wieder abseilt. Dazu benutzt man zwei dünne Zwillingsseile parallel so, wie man auch ein Einfachseil verwenden würde, d. h. man hakt immer beide Seile in die Zwischensicherungen ein. Ein einzelnes Zwillingsseil hält der Maximalbelastung, die ein Einfachseil aushalten könnte, nicht stand, daher darf es niemals alleine verwendet werden. Beim Alpinen Klettern wird in der Regel mit Halb- oder Zwillingsseilen geklettert. In der neueren alpinen Literatur wird zwischen den beiden letztgenannten Seilarten oft nicht deutlich unterschieden. Ihre Hauptvorteile liegen in der Möglichkeit des Abseilens über die volle Seillänge, und in der größeren Sicherheitsreserve durch Redundanz (in der Alpingeschichte gab es noch keinen Seilunfall mit Doppelseil, bei dem beide Stränge wegen zu großer Belastung gerissen wären, allerdings gab es bereits Unfälle, weil die Seile über scharfe Stein-Kanten liefen, und somit wie mit einem Messer durchtrennt wurden).
Bei Normsturz-Tests werden Zwillingsseile im Doppelstrang mit einem Gewicht von 80 kg getestet. Sie müssen zwölf solcher Normstürze aushalten.
Halbseil
Halbseile (8–9 mm) können, im Gegensatz zu Zwillingsseilen, zum gleichzeitigen Sichern von zwei Nachsteigern verwendet werden und bei der Vorstiegssicherung einzeln eingehängt werden (hierdurch verminderte Seilreibung, wenn ein Seil in Sicherungen links, das andere in Sicherungen rechts der Kletterlinie eingehängt wird). Sie sind aber geringfügig schwerer als Zwillingsseile. Der Normsturztest wird mit einem 55 kg schweren Gewicht am Einzelstrang durchgeführt.
Statikseile
Statikseile (9–13 mm) (auch: Speleoseile) haben im Vergleich zu dynamischen Seilen eine geringere Gebrauchsdehnung von maximal fünf Prozent. Daher werden diese Seile auch oft halbstatisch genannt, weil der Begriff Statikseil fälschlichereweise suggeriert, dass diese Seile keine Gebrauchsdehnung aufweisen.
Die gegenüber den dynamischen Seilen geringere Dehnung verbessert ihre Handhabung als Fixseil . Daher finden sie beim Canyoning oder in der Speläologie, der Bergrettung, der Höhenrettung, der Absturzsicherung und beim Bau mobiler Hochseilgärten Verwendung.
Sie dürfen jedoch nicht zur Sicherung beim Klettern im Vorstieg verwendet werden, da bei einem möglichen Sturz mit einem Sturzfaktor >1 ein so hoher Fangstoß auftreten könnte, dass schwere Verletzungen und Materialversagen die Folge sind. Beim Toprope-Klettern sind Statikseile jedoch den dynamischen Seilen vorzuziehen, da typische Fallhöhe im Verhältnis zur effektive Seillänge gering ist (Sturzfaktor deutlich kleiner als 1). Bei halbstatischen Seilen ist der Fangstoß daher unkritisch, bei dynamischen Seilen ergibt sich durch die Seildehnung von mehreren Metern die Gefahr eines Sturzes bis auf den Boden.
Aufbau und Aussehen ähneln dem eines dynamischen Kletterseils. Statikseile bestehen in der Regel aus Polyamidfasern und sind in einer Kernmantelkonstruktion aufgebaut.
Baumkletterseile
Eine Ausnahme hinsichtlich der Konstruktion bilden die Kletterseile zum Baumklettern, wie sie vor allem in der seilunterstützten Baumpflege benutzt werden. Diese Seile weisen einen höheren Mantelanteil auf, der die Hauptlast trägt. Sie werden deshalb auch als Mantelkernseile bezeichnet.
Technische Neuheiten
Kletterseile werden in regelmäßigen Abständen bestimmten Tests unterzogen, die in den Fachpublikationen veröffentlicht werden, was mit dazu beiträgt, dass die Hersteller sie stetig weiterentwickeln und verbessern.
Imprägnierung
Zu den wichtigsten Entwicklungen gehört die Imprägnierung. Sie schützt das Seil, indem sie das Eindringen von Wasser und Schmutz verhindert. Nasse Seile sind schwerer und anspruchsvoller in der Handhabung. Außerdem sinkt die dynamische Leistung des Seils drastisch. Das ist vor allem beim Eisklettern oder im Winter ein Problem. Schmutz, der unter den Mantel gerät, greift direkt den Kern an. Dadurch steigt die Belastung für das Seil und es muss früher ersetzt werden.
Mittelmarkierung
Mittelmarkierungen dienen der Übersicht. Sie ermöglichen es dem Vorsteiger Bescheid zu geben wann er die Hälfte der Seillänge erreicht hat. Vor allem bei Einfachseilen erleichtern sie das Abseilen.
Duodess
Bei einem Duodess-Seil werden jeweils die erste und zweite Hälfte durch ein unterschiedliches Mantelmuster markiert. Dadurch entsteht eine dauerhafte Markierung der Seilmitte. Diese Entwicklung war die Reaktion der Seilhersteller auf Unfälle die auf Seilmarkierungen, die den Mantel oder Kern chemisch angreifen, zurückzuführen waren.
Triodess
Bei Triodess-Seilen wird der kritische Bereich, die letzten 7-9 Meter vor dem Seilende, ähnlich dem Duodess-Seil durch ein anderes Mantelmuster vom restlichen Seil abgegrenzt. Diese Markierung ermöglicht es dem Sicherer Bescheid zu geben wenn es Zeit für einen Stand wird, oder zeigen an wann beim Abseilen in Mehrseillängenrouten wieder eine günstige Stelle für einen Stand gesucht werden muss.
Der richtige Umgang mit dem Seil
Lagerung
Um die Seilalterung möglichst gering zu halten, sollte das Seil an einem dunklen, kühlen und trockenen Platz liegen. Eine Bandschlinge oder Reepschnur (nicht an einer Seilschlaufe) kann auch zur hängenden Aufbewahrung verwendet werden, jedoch sollte kein Kontakt zu Chemikalien (beispielsweise Schmiermittel) oder Säuren (auch Autobatterien usw.) vorkommen.
Austausch des Seils
1. Nach Kontakt mit Chemikalien ist das Seil auszutauschen, da Beschädigungen des Kerns und damit einhergehender Tragfähigkeit des Seils von außen nicht erkannt werden können.
2. Hohe Sturzbelastung, das heißt Stürze mit einem Sturzfaktor von mehr als 1 welche hart gebremst wurden.
3. Bei Beschädigung:
- Mechanische Verletzungen (z.B. Kern sichtbar, Mantel stark verschiebbar, Mantel pelzig, ...)
- Abrieb
- Schmelzverbrennung
- Verschmutzung
- hohe Belastung bei Nässe
- Krangel (bei häufung der Bildung von Krangel)
- langer Einsatz bei hoher UV-Strahlung
Lebensdauer eines Seils
Sollte das Seil nicht wegen einem der in "Austausch des Seils" aufgeführten Gründe erneuert worden sein, hat es trotzdem eine maximale Haltbarkeit:
- (Verwendungshäufigkeit) : (ungefähre Lebensdauer)
- Nie benutzt: maximal 10 Jahre
- Selten benutzt, 1-2 mal pro Jahr: bis zu 7 Jahre
- Gelegentlich benutzt, ca. 1 mal pro Monat: bis zu 5 Jahre
- Regelmäßig benutzt, mehrmals pro Monat: bis zu 3 Jahre
- Häufig benutzt, jede Woche: bis zu 1 Jahr
- Ständig benutzt, fast täglich: weniger als 1 Jahr
Es gilt: Die Investition in ein neues Seil lieber frühzeitig tätigen, als das eigene Leben zu riskieren!
Seilrisse im Klettern
Seilrisse sind beim Klettern seit der Einführung des Kernmantelseils äußerst selten. Zwischen 1983 und 2008 wurden im gesamten deutschsprachigen Raum acht Seilrisse dokumentiert, fast alle im alpinen Gelände. Häufigster Auslöser waren dabei Scharfkantenstürze, also Stürze, bei denen das Seil über scharfe (Fels-)Kanten oder Grate läuft. [1]
Einzelnachweise
Literatur
- Pit Schubert, Die Anwendung des Seiles in Eis und Fels. Bergverlag Rudolf Rother, München. ISBN 3-7633-6082-4
- M. Larcher, H. Zak: Seiltechnik. Hg.: Österreichischer Alpenverein. ISBN 3-900122-00-8
Weblinks
Commons: Kletterseil – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Mammut Seilfibel (PDF-Datei; 678 kB)
- Schubert, Pit: Moderne Zeiten für Bergseile. Berg und Steigen 3 2000 „Unsere Seile halten viel mehr als wir glauben.“ (PDF-Datei; 582 kB)
- Verbraucherinformationssystem Bayern - worauf man beim Seilkauf achten sollte.
- Faktor Seil, Berg und Steigen 2 2002 „Einfach, doppelt oder Zwilling?“ (PDF-Datei; 845 kB)
- Aliens Bergsport: Tendon - nützliche Seilinfos und mehr (PDF-Datei; 7,8 MB)
- Viskoelastische Theorie von Kletterseilen
Kategorien:- Klettermaterial
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