- Kniegelenksarthrose
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Klassifikation nach ICD-10 M17 Gonarthrose (Arthrose des Kniegelenkes) ICD-10 online (WHO-Version 2011) Mit Kniegelenksarthrose oder Gonarthrose bezeichnet man einen vorzeitigen Verschleiß der knorpeligen Gelenkflächen des Kniegelenkes.
Das Kniegelenk besteht aus drei Gelenkabschnitten, die allesamt betroffen sein können (Pangonarthrose), oder einzeln. Bei Verschleiß im Kniescheibengelenk (Femororpatellargelenk) wird oft von einer Retropatellararthrose gesprochen. Ist das innere oder mediale Kompartment des Femorotibialgelenks betroffen, liegt eine mediale Gonarthrose, oder bei oft gleichzeitiger O-Bein-Fehlstellung eine Varus-Gonarthrose vor. Die Arthrose des äußeren oder lateralen femorotibialen Kompartments ist die laterale Gonarthrose, oder bei gleichzeitiger X-Bein-Fehlstellung die Valgus-Gonarthrose.
Inhaltsverzeichnis
Kniescheibengelenk (Femoropatellargelenk)
Bei dem Bild rechts handelt sich um ein horizontales Schnittbild durch das Kniescheibengleitlager und dem unteren Ende des Oberschenkels, den Femurkondylen. Das Bild wurde mit einem NMR-Gerät erstellt. Zu sehen sind die dünne Knorpelschicht (die Kniescheibe ist nach außen verschoben), die Kniescheibengleitrinne und die Rückfläche der Kniescheibe. Diese hat mit Knochenausziehungen, den Osteophyten, auf die geänderten Belastungsverhältnisse reagiert: Der an den Knorpel angrenzende Knochen ist verdichtet.
Am Gleitlager der Kniescheibe kommt es vielfach zu einer ungleichmäßigen Lastverteilung in diesem Gelenkabschnitt. Die Streckmuskulatur des Oberschenkels kann innerhalb kurzer Zeit (14 Tage) auf eine eingeschränkte Belastbarkeit des Knies reagieren, der körpermittig gelegene Bauch dieses Muskels (Quadriceps, der Vierköpfige) verliert schnell an Kraft mit der Folge, dass die Last auf die Kniescheibenrückfläche verlagert wird.
Der Knorpel der Kniescheibenrückfläche ist mit bis zu 7 mm die dickste Knorpelschicht im Körper. Dieser Knorpel wird nicht durchblutet, sondern nur über die Gelenkflüssigkeit ernährt. Bei dieser Dicke kann das nicht mehr durch Diffusion allein funktionieren. Hier kommt ein Walkvorgang zum Tragen: Unter Last wird Synovia (Gelenkflüssigkeit) in den Knorpel hinein- und wieder herausgedrückt. Damit ist ein genügender Austausch gegeben, solange die Auflagelast im physiologischen Bereich bleibt. Das System verträgt weder zu viel noch zu wenig Druck. Weicht dieser Druck weit genug vom Idealbereich ab, kommt es zu Knorpelernährungsstörungen. Der Knorpel degeneriert, fasert auf, wird rau: Das Gleitlager der Kniescheibe fängt an zu reiben. Man spricht nun von einer Demaskierung des Knorpels. Das erste Symptom hierbei ist der Schmerz auf der Treppe, beim Aufrichten aus der Hocke oder beim längeren Sitzen. Der Volksmund nennt diese Symptome „Theaterknie“, weil sie früher bei Menschen auftraten, die nach dem ersten Akt eines Stückes mit den Füßen scharrten.
Mediales Kompartment
In diesem Bild ist erkennbar, dass der Knorpel im medialen Bereich des Gelenkes aufgebraucht ist und im medialen Bereich des Schienbeinkopfes der unter dem Knorpel gelegene Knochen verdichtet ist. Dies wird „sklerosiert“ oder „eburnisiert“ genannt. Sowohl im lateralen als auch im medialen Gelenkanteil ist es zu osteophytären Reaktionen gekommen. Der Körper versucht, durch eine Verbreiterung der Auflagefläche den auf den Gelenkknorpel lastenden Druck zu mindern. In der höheren Auflösung sind auf diesem Bild die Muskelzüge um das Knie deutlich zu sehen, in der verkleinerten Abbildung kommt das nicht zur Darstellung. Durch die "Höhenminderung des medialen Gelenkspaltes" (klinischer Jargon, gemeint ist die Höhenminderung des Knorpels) kommt es zu einer Fehlstellung des Kniegelenkes, das Bein weicht in die Varus- oder O-Fehlstellung ab. Die Lotlinie vom Hüftkopf durch das Sprunggelenk wandert aus dem Zentrum des Knies in Richtung mediales Kompartement aus, der Auflagedruck in dem schon verschlissenen Teil des Gelenkes nimmt weiter zu, das Krankheitsbild verschlimmert sich selbst.
Die Darstellungstechnik ist etwas anders als auf den oberen Bildern, der Reizerguss - im Prinzip Wasser - kommt hier weiß zur Darstellung. Zu sehen ist die Verteilung der Gelenkflüssigkeit (Synovia), dazu zeigen sich, besonders am oberen Pol der Kniescheibe, Osteophyten.
Ein gesundes Knie braucht eine Valgus- oder X-Stellung von 8 Grad. Schäden am medialen Meniskus sind insbesondere bei Leistungssportlern (z. B. Fußballern) häufig. Wird der Meniskus verletzt, bietet sich die operative Entfernung des zerrissenen Anteils an. Das ist sinnvoll, weil das Meniskusgewebe die gleiche Oberflächenhärte hat wie der Knorpel des Gelenkes. Bleibt das Fragment im Knie, führt das in kurzer Zeit zu Knorpelschäden.
Wenn dieses Gewebe operativ entfernt wird, verkleinert sich aber die Auflagefläche der Oberschenkelrolle auf dem Schienbeinkopf. Im Zusammenspiel mit dem vorausgegangenen Meniskusschaden bewirkt das einen Knorpelschaden oder Defekt an der Oberschenkelrolle. Diese Abriebsprozesse führen dazu, dass der mediale Gelenkspalt zusammensackt, das Knie verformt sich im Sinne eines O-Beines oder Varus-Fehlstellung. Diese bewirkt, dass die Lotlinie, die vom Zentrum des Hüftkopfes durch das Knie ins Sprunggelenk fällt, weiter in den mittigen Bereich des Knies verlagert wird. Dieser Bereich wird mehr, der äußere Bereich weniger stark belastet. Der Verschleiß in diesem schon geschädigten medialen Anteil des Knies schreitet fort, die Fehlstellung wird stärker, die Lastverteilung verlagert sich weiter, der Kreis schließt sich. Das Endstadium ist die Varusgonarthrose, die oft nur noch operativ zu behandeln ist.
Laterales Kompartment
Ebenso wie der innere Bereich des Kniegelenkes kann sich auch der äußere degenerativ verändern. Die Abriebsprozesse führen auch hier zu einer sich selbst verstärkenden Verformung, die Traglinie des Beines wandert diesmal in den äußeren Bereich des Knies, eine X-Bein- oder Valgus-Fehlstellung ist die Folge. Meist ist der Bandapparat bei Valgus-Deformitäten lockerer als bei O-Beinen. Das macht die operative Behandlung schwieriger.
Im Röntgenbild zeigt sich die Verschmälerung des äußeren Kniegelenkspaltes und auch die X-Bein-Stellung. Am Schienbeinkopf ist eine Ausziehung zu sehen. Die Röntgenzeichen der Gonarthrose sind meistens eindeutig, so dass eine Kernspin-Untersuchung in der Regel nicht notwendig ist.
Therapie
Das Knie ist häufig von Verletzungen betroffen. Jeder, auch vorübergehende, Schmerzzustand führt zu einer Schwächung der Oberschenkelmuskulatur. Der erste, wesentliche Schritt besteht also darin, durch ein geeignetes Trainingsprogramm die Streckmuskulatur des Oberschenkels wieder aufzubauen. Reizstrom, elektrische Muskelstimulation sind hier brauchbar und schädigen weder das Knie noch den Patienten.
Injektionen
Es ist technisch relativ einfach, Medikamente in ein Knie zu spritzen. Hierbei ist peinlich genaue Hautdesinfektion und Hygiene wichtig. Ein in das Knie verschleppter Keim kann zu schwerwiegenden Infektionen – bis zur Sepsis – führen.
Häufig wird für diese intraartikulären Injektionen kristallines Cortison verwendet. Das bringt recht schnell eine Linderung des Reizzustandes, die Schmerzen und der Erguss werden deutlich weniger. An der prinzipiell schlechten Verfassung des Gelenkes ändert sich allerdings nichts, dazu kommt der Schmirgeleffekt, den die Kristalle auf den Knorpel ausüben.
Etwa seit 1998 gibt es ein Verfahren, körpereigenen Interleukin-1-Rezeptorantagonisten aus einer Blutprobe herzustellen und in ein krankes Gelenk zu spritzen. Die Wirksamkeit dieses Verfahrens ist jedoch noch nicht durch Studien nachgewiesen und zudem kostet es derzeit etwa zehnmal soviel wie die Cortisonbehandlung.
Eine weitere Therapie zur Stabilisierung des Knorpels stellt die Injektion von Hyaluronsäure dar.
Operationen
Wenn ein Kniegelenk zwar geschädigt ist, aber noch nicht restlos zerstört, wird man immer versuchen, gelenkerhaltend zu operieren. Dazu gibt es eine Reihe von Verfahren wie zum Beispiel
- Umlagerung der Kniescheibe,
- Korrektur der Beinachse,
- Glätten des Knorpels oder
- Rekonstruktion der Bänder.
Lässt der Zustand des Knies eine solche Operation nicht mehr sinnvoll erscheinen, wird man sich für einen Gelenkersatz, eine Knieprothese, entscheiden. Es gibt Teilprothesen, die nur einen Bereich des Gelenkes ersetzen sowie ungekoppelte oder gekoppelte Prothesen, die dann auch den Bandapparat ersetzen.
In Studien zeigte sich die arthroskopische Therapie der Gonarthrose (Debridement) einer arthroskopischen Placebotherapie (Gelenkspülung) [1] bzw. einer konservativen Therapie [2] nicht überlegen. Ein Vorteil der Arthroskopie konnte nicht festgestellt werden. Der Eingriff ist nur dann indiziert, wenn neben der Gonarthrose noch weitere Schäden im Kniegelenk bestehen, die arthroskopisch behoben werden können.[3]
Medikamente
Zur Schmerzlinderung und als antiinflammatorisches Agens eignen sich nichtsteroidale Antirheumatika (NSAIDs). Diese weisen jedoch auch eine Reihe an Nebenwirkungen auf und sollten daher gezielt und vorsichtig verschrieben werden.
Berufskrankheit
Die Gonarthrose wird in Deutschland unter bestimmten Bedingungen seit dem 1. Juli 2009 als Berufskrankheit anerkannt und als Nummer 2112 in der Liste der Berufskrankheiten geführt. Voraussetzung ist eine Tätigkeit im Knien oder unter vergleichbarer Kniebelastung, die mindestens 13.000 Stunden im ganzen Arbeitsleben und mindestens eine Stunde pro Arbeitsschicht umfasst. Es wird ein erhöhtes Risiko bei Bergarbeitern, Landarbeitern, Boden- und Fliesenlegern sowie Werftarbeitern angenommen und bei Bauarbeitern und Waldarbeitern nach individueller Einschätzung vermutet [4].
Es gibt nur wenige wissenschaftliche Studien zur Gonarthrose unter vermehrter beruflicher Kniebelastung. Die einzige Kohortenstudie, die im Rahmen der Framingham-Studie durchgeführt wurde, hat eine Häufung von Gonarthrose bei Männern gezeigt, die selbst eine mindestens mittelschwere berufliche Tätigkeit mit häufigem Kniebeugen angegeben haben. Als Ursache wird eine erhöhte Druckkraft während der beruflichen Tätigkeit im Knien oder einer vergleichbaren Kniebelastung auf den Gelenkknorpel im Retropatellar- und Tibiofemoralgelenk angenommen. Daher wird erwartet, dass die Arthrose sich zunächst patellofemoral und erst danach in den rückseitigen (dorsalen) Abschnitten der tibiofemoralen Gelenkanteile manifestiert, mit einem Verschleiß der Hinterhörner von Innen- und Außenmeniskus als mögliches Initialstadium. Eine Arthrose vorwiegend in der Hauptbelastunsgzone des Kniegelenks gilt hingegen nicht als berufsbedingt.
Die aktuellen klinischen Voraussetzungen sind chronische Beschwerden im Kniegelenk mit eingeschränkter Streckungs- oder Beugungsfähigkeit und radiologisch gesicherter Arthrose (mindestens Grad 2 nach Kellgren). Ein Indiz für die Annahme einer Berufskrankheit ist das beidseitige Auftreten der Gonarthrose, während Übergewicht, gehäuftes Auftreten der Gonarthrose in der Familie, Arthrose auch an anderen Gelenken (Polyarthrose), Achsfehlstellungen und andere Präarthrosen als Hinweise auf konkurrierende Ursachen gelten und somit gegen eine Annahme einer Berufskrankheit sprechen.
Die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist abhängig vom Ausmaß der Funktionseinschränkung, bei einseitiger Kniegelenks-Prothese wird von mindestens 20 % ausgegangen.
Darüber hinaus existiert seit Jahren in bestimmten Fällen mit nachgewiesener beruflicher Überlastung eine Berufskrankheit nach Meniskektomie oder Meniskusteilresektion (Nr. 2102).
Quellen
Einzelnachweise
- ↑ Moseley JB, O'Malley K, Petersen NJ, et al: A controlled trial of arthroscopic surgery for osteoarthritis of the knee. In: N. Engl. J. Med.. 347, Nr. 2, Juli 2002, S. 81–8. doi:10.1056/NEJMoa013259. PMID 12110735.
- ↑ Kirkley A, Birmingham TB, Litchfield RB, et al: A Randomized Trial of Arthroscopic Surgery for Osteoarthritis of the Knee. In: N. Engl. J. Med.. 359, Nr. 11, September 2008, S. 1097–1107. doi:10.1056/NEJMoa0708333. PMID 18784099.
- ↑ Kirkley A, Birmingham TB, Litchfield RB, et al: A Randomized Trial of Arthroscopic Surgery for Osteoarthritis of the Knee. In: N. Engl. J. Med.. 359, Nr. 11, September 2008, S. 1097–1107. doi:10.1056/NEJMoa0708333. PMID 18784099. zitiert nach D. Einecke, MMW
- ↑ M. Schiltenwolf: Gonarthrose als Berufskrankheit anerkannt. Orthopädie Mitteilungen 01/2010, S. 44 - 47
Literatur
A. Klußmann, Hj. Gebhardt, M. Nübling, L. V. von Engelhardt, E. Quirós Perea, F. Liebers, B. Bouillon, M. A. Rieger: Fall-Kontroll-Studie zur Bewertung von beruflichen Faktoren im Zusammenhang mit Gonarthrosen - die ArGon-Studie. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2010. ISBN 978-3-88261-113-7
Weblinks
- www.lengerke.de/knie
- Michael, Joern W.-P.; Schlüter-Brust, Klaus U.; Eysel, Peer: Epidemiologie, Ätiologie, Diagnostik und Therapie der Gonarthrose. In: Dtsch Arztebl Int. Nr. 107(9), 2010, S. 152-162 (Artikel).
Weblinks
- Cartilage.org, International Cartilage Repair Society / Intl. Knorpelregeneration Society
Siehe auch
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