Kärnter Abwehrkampf

Kärnter Abwehrkampf

Der Kärntner Abwehrkampf war nach Ende des Ersten Weltkriegs die bewaffnete Auseinandersetzung von Verbänden der provisorischen Kärntner Landesregierung mit Truppen des SHS-Staates über die staatliche Zugehörigkeit der durch den SHS-Staat beanspruchten Gebiete im Südosten Kärntens, deren Bevölkerung zum großen Teil slowenisch sprach.

Nachdem Kärnten durch die Kärntner Landesverfassung von 1918 den Beitritt zur Republik Deutschösterreich erklärt hatte, drangen am 5. November 1918 Truppen des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS-Staat) in Südostkärnten ein. Die SHS-Polizei rückte in das Rosen- und untere Gailtal vor. Ferlach und das nördlich der Drau gelegene Völkermarkt wurden besetzt. Die Kärntner Landesregierung verlegte ihren Sitz angesichts dieser Bedrohung nach Spittal an der Drau.

Am 5. Dezember 1918 beschloss die provisorische Kärntner Landesregierung unter dem Landesverweser Arthur Lemisch den bewaffneten Widerstand gegen ein weiteres Vordringen der SHS-Truppen. Die österreichische Regierung lehnte den Abwehrkampf offiziell ab - das hungernde Land war auf Lebensmittellieferungen aus dem SHS-Staat angewiesen - unterstützte ihn jedoch u.a. durch Material- und Truppensendungen[1]. Die Leitung übernahmen Oberstleutnant Ludwig Hülgerth als Landesbefehlshaber und Oberleutnant Hans Steinacher als Truppenführer. Der Befreiungskampf, auch als Kärntner Abwehrkampf bezeichnet, begann im Gailtal mit der Rückeroberung von Arnoldstein am 5. Jänner 1919, einem Vormarsch gegen das Rosental und der Rückeroberung von Ferlach. Am 14. Jänner wurde ein Waffenstillstand geschlossen; eine amerikanische Kommission (die sogenannte "Miles-Mission", benannt nach ihrem Leiter Lt. Col. Sherman Miles) studierte vor Ort die strittigen Gebietsfragen. Am 29. April brachen die Jugoslawen den Waffenstillstand, konnten aber keine Gebietsgewinne erzielen. Bis zum 7. Mai 1919 waren alle bis auf die laut Waffenstillstandsvertrag geräumten Gebiete von Kärntner Truppen entsetzt.

Die Abstimmungszonen A und B mit den Bedingungen für das Stimmrecht

Der Friedensvertrag von St. Germain sah eine Volksabstimmung in Südkärnten vor; ohne Abstimmung wurden das Kanaltal Italien und das Mießtal, Unterdrauburg und die Gemeinde Seeland (Kankertal) dem SHS-Königreich zugeschlagen. Sie gehören heute zu Slowenien. Nach dem Beschluss einer Volksabstimmung versuchte der SHS-Staat erneut, durch Waffengewalt vollendete Tatsachen zu schaffen. Reguläre Truppen unter dem Befehl von General Rudolf Maister überschritten am 28. Mai 1919 die Grenze und besetzten am 6. Juni Klagenfurt, das sie aber nach Aufforderung des Obersten Rats der Alliierten in Paris wieder räumen mussten. Von da an unterblieben weitere Kämpfe. Insgesamt hatte es bis zu diesem Zeitpunkt allein auf Seite der Kärntner bei den Kämpfen mehr als 200 Tote und 800 Verwundete gegeben.

In der Volksabstimmung am 10. Oktober 1920 stimmten in der südlichen "Zone A" (mit rund 70% slowenischem Bevölkerungsanteil, und von Truppen des SHS-Staates besetzt) 22.025 Stimmen (59 %) für den Verbleib bei Österreich, 15.279 (41 %) Stimmen gegen Österreich. D.h., fast jeder zweite Kärntner mit slowenischer Muttersprache votierte für den Verbleib bei Kärnten. Hätte sich "Zone A" für einen Anschluss an das SHS-Reich entschieden, hätte ebenfalls in der kleineren nördlichen, von österreichischen Truppen besetzten "Zone B" (die auch Klagenfurt beinhaltete) abgestimmt werden müssen.

In der Zeit danach wurde der Abwehrkampf vielfach kontroversiell diskutiert bzw. durch die Politik instrumentalisiert. Es kam zu Vereinfachungen und Verzerrungen, die auch durch die sich etablierende Festtagskultur zum 10. Oktober gefördert wurden[1].

Einzelnachweise

  1. a b Claudia Fräss-Ehrfeld: Kärnten 1918-1920

Literatur

  • Claudia Fräss-Ehrfeld: Geschichte Kärntens 1918-1920. Abwehrkampf-Volksabstimmung-Identitätssuche. Verlag Johannes Heyn, Klagenfurt 2000. ISBN 3853669549
  • Claudia Fräss-Ehrfeld: Kärnten 1918-1920, in Stefan Karner, Lorenz Mikoletzky: Österreich. 90 Jahre Republik, Innsbruck 2008, ISBN 978-3-7065-4664-5

Weblinks


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