Köchler

Köchler
Hans Köchler

Hans Köchler (* 18. Oktober 1948 in Schwaz, Tirol) ist ein österreichischer Philosoph und Universitätsprofessor. Er ist Vorstand des Institutes für Philosophie an der Universität Innsbruck und Präsident der International Progress Organization, einer Organisation mit Konsultativstatus bei den Vereinten Nationen. Köchler erreichte internationale Bekanntheit u. a. durch die Ernennung zum Beobachter des Prozesses im Rahmen des Lockerbie-Anschlages durch den früheren Generalsekretär der UNO, Kofi Annan.

Inhaltsverzeichnis

Leben

1972: Promotion zum Dr. phil. sub auspiciis praesidentis rei publicae; 1977: Habilitation; 1982: Ernennung zum Universitätsprofessor für Philosophie (Professur für politische Philosophie und philosophische Anthropologie) an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck; weitere Lehrtätigkeit an der juristischen Fakultät der Universität Innsbruck und an der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien; 1998: Gastprofessor an der University of Malaya, Kuala Lumpur, Malaysia; seit 2004: Gastprofessor an der Polytechnischen Universität der Philippinen in Manila.

Philosophie

Köchlers Schwerpunkte liegen in den Bereichen Rechtsphilosophie, politische Philosophie, Phänomenologie, Hermeneutik, Kulturphilosophie, philosophische Anthropologie.

Phänomenologie

Köchler legte eine erkenntnistheoretische Kritik des phänomenologischen Idealismus von Edmund Husserl vor (Die Subjekt-Objekt-Dialektik in der transzendentalen Phänomenologie, 1974) und plädierte für eine realistische Neubesinnung der Phänomenologie. In diesem Anliegen traf er sich mit dem damaligen Kardinal Karol Wojtyla (dem späteren Papst Johannes Paul II.), dessen phänomenologische Anthropologie er als erster für eine internationale Öffentlichkeit präsentierte. [1]

Kulturphilosophie

Mit seiner These von der "Dialektik des kulturellen Selbstverständnisses", die er zuerst auf einem Vortrag vor der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Amman (Jordanien) (1974) erläutert hatte[2] war Köchler Vorläufer des aktuellen Diskurses über den Dialog der Zivilisationen. Er hat diesen Ansatz auf der in Zusammenarbeit mit der UNESCO veranstalteten Tagung über "Das kulturelle Selbstverständnis der Völker" (Innsbruck 1974) zur Diskussion gestellt[3] und in zahlreichen Tagungen und Vorträgen über den Dialog zwischen der westlichen Welt und dem Islam weiterentwickelt (vgl. die von ihm 1981 in Rom organisierte Tagung über den Begriff des Monotheismus im Islam und im Christentum). [4]

Rechtsphilosophie und Völkerrecht

Köchler hat sich kritisch mit der Rechtstheorie von Hans Kelsen auseinandergesetzt und den transzendentalphilosophischen Begründungsanspruch von Kelsens "Reiner Rechtslehre" in Frage gestellt. Er plädiert für eine normenlogische Vereinheitlichung des Völkerrechts und der innerstaatlichen Rechtssysteme auf der Grundlage der Menschenrechte und entwickelte neue Ansätze zur Demokratie in den internationalen Beziehungen. (Democracy and the International Rule of Law, 1978.) Seine Erfahrungen als Beobachter beim Lockerbie-Prozess in den Niederlanden (2000-2002) veranlassten ihn zu einer kritischen Analyse des Verhältnisses von Recht und Macht im internationalen Bereich. [5]

Wirkung

Köchler war der Organisator der ersten internationalen Konferenz über die Alpenregion[6], die am Anfang der Bemühungen um neue Formen transnationaler Zusammenarbeit innerhalb Europas stand ("Arbeitsgemeinschaft Alpenländer", Euro-Regionen).

Seit der von ihm in New York organisierten Expertentagung zum Anlass des vierzigjährigen Bestandsjubiläums der Vereinten Nationen ("Democracy in International Relations", 1985) hat Köchler Vorschläge zur Reform der Vereinten Nationen, insbesondere des Sicherheitsrates, lanciert, die u.a. vom damaligen deutschen Aussenminister Klaus Kinkel positiv kommentiert wurden (vgl. Das Abstimmungsverfahren im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Rechtsphilosophische Überlegungen zu einem normenologischen Widerspruch und seinen Folgen für die internationalen Beziehungen. Innsbruck 1991). Im Jahre 1991 organisierte Köchler am UNO-Sitz in Wien die zweite internationale Konferenz über eine Demokratisierung der Vereinten Nationen (The United Nations and the New World Order. Keynote addresses from the Second International Conference On A More Democratic United Nations. Wien 1992).

Als Organisator der internationalen Konferenz über den Terrorismus in Genf ("International Conference on the Question of Terrorism", März 1987) hat Köchler eine Definition des Begriffes "Terrorismus" vorgeschlagen, die der Generalversammlung der Vereinten Nationen vorgelegt wurde (UN General Assembly Doc. A/42/307, 29 May 1987, Annex). Köchler hat sich insbesondere mit der Problematik des Unterschiedes zwischen terroristischen Organisationen und nationalen Befreiungsbewegungen beschäftigt (vgl. das von ihm herausgegebene Werk Terrorism and National Liberation, 1988) und sich kritisch mit der Doktrin des "globalen Krieges gegen den Terror" auseinandergesetzt (Hrsg., The 'Global War on Terror' and the Question of World Order. Wien 2008).

In Zusammenarbeit mit dem irischen Nobelpreisträger Seán MacBride hat Köchler 1987 den "Appell von Juristen gegen den Atomkrieg" lanciert, der am Anfang der Bemühungen der internationalen Zivilgesellschaft stand, die schließlich zu einer "Advisory Opinion" des Internationalen Gerichtshofes über die völkerrechtliche Zulässigkeit von Atomwaffen führten. 1992 wurde Köchler die Ehrenmedaille des Internationalen Friedensbüros in Genf verliehen.[7]

Auf den Philippinen wurde am 18. Oktober 2003 die Hans Koechler Political and Philosophical Society mit Sitz in Manila gegründet.

Beobachter beim Prozess über die Explosion von PanAm Flug 103 über Lockerbie

Als von der UNO nominierter Beobachter beim Schottischen Gericht in den Niederlanden (Lockerbie-Prozess) hat Köchler analytische Berichte zum Prozess und Berufungsverfahren verfasst (Jänner 2001, März 2002), in denen er sich kritisch mit der Beweislage auseinandersetzte. In den an den Generalsekretär der Vereinten Nationen übermittelten Berichten hatte Köchler den Verdacht eines Justizirrtums geäußert,[8] der zunächst von den Behörden Schottlands und Großbritanniens entschieden zurückgewiesen wurde. Im Juni 2007 - mehr als sechs Jahre nach Köchlers erstem Bericht - hat die Oberste Schottische Revisionskommission ("Scottish Criminal Cases Review Commission") mit Argumenten, die z.T. mit jenen von Köchler identisch sind, ebenfalls den Verdacht auf einen Justizirrtum geäußert und den Fall erneut an das Berufungsgericht zurückverwiesen.[9] Köchlers Berichte haben eine weltweite Diskussion über die Gefahr der Politisierung in der internationalen Strafjustiz ausgelöst - unter anderem auch im britischen Parlament[10] - und eine Debatte über die Rolle von internationalen Prozeßbeobachtern in Gang gebracht. [11]

Auszeichnungen

  • Ehrenring / Doktorat sub auspiciis praesidentis (1972)
  • Ehrenzeichen des Österreichischen College, Wien
  • Ehrenzeichen des Internationalen Friedensbüros, Genf (1992)
  • "Apostle of International Understanding", Unity International Foundation, New Delhi (1990)
  • Ehrendoktorat der Geisteswissenschaften, Mindanao State University (MSU), Philippinen (2004)
  • Honorarprofessur der Pamukkale-Universität, Türkei (2008)

Werke (Auswahl)

  • Die Subjekt-Objekt-Dialektik in der transzendentalen Phänomenologie. Das Seinsproblem zwischen Idealismus und Realismus (1974)
  • Der innere Bezug von Anthropologie und Ontologie (1974)
  • Skepsis und Gesellschaftskritik im Denken Martin Heideggers (1978)
  • Philosophie - Recht - Politik (1985)
  • Phenomenological Realism (1986)
  • Democracy and the International Rule of Law (1995)
  • Neue Wege der Demokratie. Demokratie im globalen Spannungsfeld von Machtpolitik und Rechtsstaatlichkeit (1998)
  • Manila Lectures 2002. Terrorism and the Quest for a Just World Order (2002)
  • Global Justice or Global Revenge? International Criminal Justice at the Crossroads (2003) (indische Ausgabe 2005, türkische Ausgabe 2005)

Literatur

  • Hans Köchler Bibliography and Reader. Hrsg. von Fatemah R. Balbin, Andreas Oberprantacher und Christoph R. Wurnitsch. Manila/Innsbruck 2007. ISBN 978-93698-0-6
  • Online-Bibliographie

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. "The Dialectical Conception of Self-determination. Reflections on the Systematic Approach of Karol Wojtyla," in: Analecta Husserliana, Bd.6, 1977, S. 75-80.
  2. Hans Köchler, Cultural-philosophical Aspects of International Cooperation. Studies in International Cultural Relations, II. International Progress Organization: Wien, 1978
  3. Cultural Self-comprehension of Nations. Erdmann: Tübingen 1978. ISBN 3-7711-0311-8
  4. The Concept of Monotheism in Islam and Christiantity. Braumüller: Wien 1982. ISBN 3-7003-0339-4
  5. Global Justice or Global Revenge?, 2003
  6. Die europäische Aufgabe der Alpenregion. Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft für Wissenschaft und Politik, II. Innsbruck 1972
  7. Internationales Friedensbüro
  8. BBC News vom 14. März 2002 "UN monitor decries Lockerbie judgement"
  9. Vgl. die offizielle Verlautbarung der Kommission vom 28. Juni 2007
  10. Speaker's Statement vom 1. Mai 2002
  11. Siehe z.B. Richard J. Rogers, "The Importance of Monitoring the Trials at the Extraordinary Chambers (of Cambodia).

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