26. Sinfonie (Mozart)

26. Sinfonie (Mozart)

Die Sinfonie Es-Dur KV 184 komponierte Wolfgang Amadeus Mozart 1773 in Salzburg. Nach der Alten Mozart-Ausgabe trägt die Sinfonie die Nummer 26.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Zu den Salzburger Sinfonien KV 162-202 allgemein vgl. bei KV 162. Die KV 184 ist im Stile einer italienischen Ouvertüre gehalten: Sie ist nicht viersätzig (wie eine typische Konzertsinfonie), sondern dreisätzig, da das Menuett fehlt. Die Sätze stehen nicht separat, sondern gehen ineinander über, der Übergang vom 2. zum 3. Satz vollzieht sich sogar ohne Pause. Vermutlich hat Mozart sie als Ouvertüre für die Oper / das Theater konzipiert, wofür auch ihre umfangreiche Bläserinstrumentierung spricht. Daneben konnte das Werk auch separat bei Konzerten aufgeführt werden. Tatsächlich wurde KV 184 in späteren Jahren als Ouvertüre benutzt (wahrscheinlich mit Mozarts Einverständnis), und zwar als Einleitung zu einem Schauspiel Lanassa von Karl Martin Plümecke, einer deutschen Fassung des Schauspiels La veuve du Malabar von A.- M. Leumierre. Dieses Stück wurde von der seit 1779 mit Mozart bekannten Böhm´schen Wandertruppe von 1785 an gespielt, Ende September 1790 anlässlich der Kaiserkrönung in Frankfurt sogar vor Mozart selbst.[1] Böhm griff dabei auch auf Mozarts Musik zu „Thamos, König in Ägypten“ KV 345 zurück.[2]

Ursprünglich wurde aufgrund eines Vermerkes von Leopold Mozart zu Beginn des 1. Satzes angenommen, die Sinfonie sei am 30. März 1773 vollendet worden. Andererseits wirkt (Wolfgang) Mozarts Handschrift im 2. und 3. Satz wesentlich „älter“, als man für März 1773 annehmen dürfte. Möglicherweise wurden die letzten beiden Sätze von KV 184 daher erst im Spätsommer oder Herbst 1773 komponiert. [1]

Die Sinfonie zeichnet sich durch folgende Besonderheiten aus:

  • Sie hat die Anlage einer italienischen Ouvertüre (s. o.), die Sätze haben keine Wiederholungen;
  • 1. Satz: Schroffe Harmoniewechsel von einem Ton der Tonleiter zum nächsten (z. B. von Es-Dur nach f-Moll), schroffe Wechsel in der Dynamik, Fehlen eines melodiösen Themas;
  • Starke Gegensätze zwischen den Sätzen: Schnell, mechanisch, energisch (1. Satz) – schleppend, traurig (2. Satz) – schnell, melodisch, fröhlich (3. Satz);
  • barockisierende Elemente: gleichförmige Achtelketten im Hauptmotiv vom 1. Satz; strikte Trennung zwischen Bläsern, hohen und tiefen Streichern als Anlehnung z. B. an kammermusikalische Triosonaten zu Beginn des 2. Satzes; im 3. Satz verhalten sich 1. und 2. Violinen „wie bei einem Concerto, trumpfen solistisch mehrfach auf, doch nicht „klassisch“, mit ausgeprägtem Einzelsolo, sondern „vorklassisch“, mit passagenartigen Doppeleinsätzen“[3].
  • Verwendung mehrerer Motive, die Mozart in späteren Werken wieder aufgriff: Die Eröffnung des 1. Satzes in der Sinfonia concertante KV 364 und der Bläserserenade KV 375, den „tragischen“ Ton vom Andante in den langsamen Sätzen von KV 364, dem Klavierkonzert KV 271 und der Serenade KV 320, sowie den Beginn des Finales im Hornkonzert KV 495.[2]

Scherliess (2005)[4] meint, dass die Sinfonie „experimentelle Züge“ trage und dass man das Werk als „eine Studie in unisoni, tremoli, Synkopen und chromatischer Melodik, das heißt in dramatischen, opernhaften Gesten“ verstehen könne. Einstein (1953)[5] schreibt zu KV 184: „… eine ausgesprochene Ouvertüre, aber für großes Orchester und im ersten Satz so großartig konzertmäßig im Wurf, im Andante (…) so feinsinnig dialogisch durchgebildet, dass man sie zu den frühen Meisterwerken rechnen müsste, wenn nicht der Finalsatz etwas zu leicht wöge.“ Möglicherweise wollte Mozart durch das „leichtere“ Finale die vorher aufgebaute Spannung lösen.[2]

Zur Musik

Besetzung: zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Hörner in Es, zwei Trompeten in Es, zwei Violinen, Viola, Cello, Kontrabass. Zudem war es damals üblich, zur Verstärkung der Bassstimme ein Fagott und (sofern im jeweiligen Orchester vorhanden) als Generalbass-Instrument ein Cembalo einzusetzen.[2] KV 184 weist somit eine große Bläserbesetzung auf. Bemerkenswert ist, dass Pauken nicht vorgesehen sind, da diese sonst meist parallel mit den Trompeten auftraten. Möglicherweise liegt dies an dem häufigen Wechsel der Tonarten im 1. Satz, bei dem die Pauken nicht eingesetzt werden können. [4]
Aufführungszeit: ca. 9 Minuten.

Bei den hier benutzten Begriffen der Sonatensatzform ist zu berücksichtigen, dass dieses Schema in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entworfen wurde (siehe dort) und von daher nur mit Einschränkungen auf die Sinfonie KV 184 übertragen werden kann. – Die hier vorgenommene Gliederung der Sätze ist als Vorschlag zu verstehen. Je nach Standpunkt sind auch andere Abgrenzungen und Deutungen möglich.

1. Satz: Molto Presto

Es-Dur, 4/4-Takt, 135 Takte
Das erste Thema besteht aus zwei kontrastierenden, wenig melodiösen Motiven:

  • Signalartiger Es-Dur-Akkord im Forte, neunfache Wiederholung mit punktiertem Rhythmus, durch Pausen unterbrochen;
  • gebrochener Es-Dur-Dreiklang abwärts in abgesetzter Achtelbewegung der Violinen, piano.

Nach einer Rückung des Themas nach f-Moll folgt von Takt 9 bis 28 ein Überleitungsabschnitt mit Achtelläufen im Unisono, Sechzehntel-Tremolo, Synkopen und schroffen Harmoniewechseln (z. B. es-Moll, F-Dur, B-Dur). Ab Takt 29 schließt sich ein längerer Abschnitt im Piano an, der zwischen der Dominante B-Dur und der Doppeldominante F-Dur pendelt (ggf. als „zweites Thema“ interpretierbar). Die Violinen spielen hier eine abgesetzte, fallende Achtelfigur.

Abrupt geht es ab Takt 43 in einen Durchführungsteil über. Dieser besteht im Wesentlichen aus einer Wiederholung der Exposition mit veränderten Harmonien: Hauptthema in B-Dur und c-Moll; Abschnitt mit Läufen und Synkopen, dabei werden u. a. G-Dur, C-Dur, A-Dur, D-Dur, und g-Moll erreicht.

Die Reprise ab Takt 68 stellt dann einen dritten Durchlauf des Materials der Exposition dar, nun wieder in den Harmonien wie am Satzbeginn. Das Hauptthema hat ab Takt 112 noch einen vierten Auftritt: zunächst in Es-Dur, dann in f-Moll (also wie in der Exposition) und schließlich in G-Dur (Sequenzierung abwärts).

Ab Takt 124 klingt der Satz mit Wechsel von c-Moll und G-Dur in ruhiger Viertelbewegung mit Synkopen aus. Das Satzende besteht aus einer dreifachen Wiederholung eines G-Dur-Akkordes im Pianissimo sowie einer Generalpause mit Fermate im letzten Takt. G-Dur wirkt hier als Dominante zum c-Moll des folgenden Satzes.

2. Satz: Andante

c-Moll, 2/4-Takt, 70 Takte
Der Satz ist aus einem Hauptmotiv aufgebaut, dass zunächst dialogisch in den beiden Violinen in der Tonika c-Moll auftritt, unterlegt von einer „gehenden“ Achtelbewegung von Viola, Cello und Kontrabass. Die Bläser begleiten mit Farbtupfern.

Ab Takt 11 erscheint das Hauptmotiv in der Tonikaparallele Es-Dur, nun wird der Dialog zwischen der 1. Violine einerseits sowie Flöten und Hörnern andererseits geführt. Das ganze Orchester ist durch Akkorde bzw. Tremolo einbezogen, so dass dieser Teil „fülliger“ bzw. „wärmer“ wirkt als am Beginn. Die warme Klangfarbe und wiegende Figur hört in Takt 15 abrupt auf mit einem drei Takte langen Sechzehntel-Tremolo der 1. Violine auf B, gefolgt von einem chromatischen Abschnitt, der in dissonanten Akkorden in Takt 24/25 endet. Es schließt sich eine Schlussgruppe mit charakteristischem Tonwiederholungsmotiv an.

Ohne Wiederholung beginnt nun in Takt 32 die Durchführung, in der das Hauptmotiv dialogisch in den Streichern moduliert wird. Die Reprise ab Takt 40 ist ähnlich der Exposition strukturiert. Die Schlussgruppe leitet ohne Pause und mit einem Crescendo zum 3. Satz über; hier wird das Crescendo aber gleich wieder zum Piano zurückgenommen.

3. Satz: Allegro

Es-Dur, 3/8-Takt, 236 Takte
Als einziger Satz dieser Sinfonie weist das Allegro zwei sehr melodische, leicht tänzerische Themen auf. Das erste Thema (Takt 1-16) mit charakteristischer Tonrepetition wird im Vordersatz nur von den Streichern (ohne Bass) piano, im Nachsatz dann im Forte-Tutti vorgestellt. Von Takt 16 bis 28 folgt ein Überleitungsabschnitt mit Tremolo der Violinen und einem taktweise auftretenden, abwärtsgehenden Motiv der Bläser (bzw. aufwärts in der Viola, aus der Schlusssfloskel vom ersten Thema ableitbar).

In Takt 28 ist dann die Doppeldominante F-Dur erreicht, die nach einer Achtelpause dominantisch zum zweiten Thema in B-Dur überleitet. Dieses ist noch etwas mehr tänzerisch-wiegend als das erste Thema. Auch hier wird der achttaktige Vordersatz zunächst von den Streichern (mit versetztem Einsatz!) vorgestellt, dann einmal mit Flötenbegleitung wiederholt, ehe der achttaktige Nachsatz mit Sechzehntel-Tremolo der 2. Violine auftritt; auch dieser wird einmal mit voller Bläserbegleitung wiederholt. Ab Takt 60 läuft die Melodie des Nachsatzes allmählich aus.

Abrupt geht es in Takt 68 mit einem Forteeinsatz und Dissonanzen in die Durchführung über, die das Material des Überleitungsabschnittes vom ersten zum zweiten Thema durch Modulationen und versetzten Einsatz der Motive (polyphone Passagen) verarbeitet. Zudem tritt – ebenfalls versetzt – in den Violinen ein neues Motiv mit gewaltigem Intervallsprung (bis über zwei Oktave)n abwärts auf (Takt 76 ff.), dass aus denen des ersten Themas ableitbar ist. Die großen Intervallsprünge des Motivs verselbständigen sich dann über einer Pendelbewegung zwischen D-Dur und g-Moll, die über F-Dur B-Dur erreicht und hier ausläuft. Mit einem abwärts gehenden Septakkord auf B wird in Takt 124 die Reprise erreicht, die zunächst ähnlich der Exposition strukturiert ist. Das zweite Thema führt wieder in den Überleitungsabschnitt, ehe in Takt 203 das erste Thema einen überraschenden dritten Auftritt hat. Der Satz schließt mit dem Material des Überleitungsabschnitts (analog Takt 16 ff.), einem Dominante-Tonika – Akkordwechsel und sieben Takte lang energisch wiederholten Akkorden (insgesamt 15) auf Es.

Einzelnachweise

  1. a b Hermann Beck: Vorwort (zu: Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonie in Es KV 184). Taschenpartitur Band 72; Bärenreiter-Verlag, Kassel 1986, 22 S.
  2. a b c d Neal Zaslaw: Mozart’s Symphonies. Context, Performance Practice, Reception. Claredon Press, Oxford 1989, 617 S.
  3. Michael Kontarsky: Die „Salzburger“ Sinfonien KV 162-202. In: Joachim Brügge, Claudia Maria Knispel (Hrsg.): Das Mozart-Handbuch, Band 1: Mozarts Orchesterwerke und Konzerte. Laaber-Verlag, Laaber 2007, ISBN 3-8900-7461-8, S. 28-43.
  4. a b Volker Scherliess: Die Sinfonien. In: Silke Leopold (Hrsg.): Mozart-Handbuch. Bärenreiter-Verlag, Kassel 2005, ISBN 3-7618-2021-6.
  5. Alfred Einstein: Mozart – Sein Charakter, sein Werk. Pan-Verlag, Zürich / Stuttgart 1953, 553 S.

Weblinks, Noten

  • Sinfonie Es-Dur KV 184: Partitur und kritischer Bericht in der Neuen Mozart-Ausgabe
  • Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonie in Es KV 184. Bärenreiter Studienpartituren Band 72; Bärenreiter-Verlag, Kassel 1986, 22 S. (Neue Mozart-Ausgabe).
  • W. Meves: Symphonies de W. A. Mozart. Collection Litolff No. 168. Henry Litolff´s Verlag, Braunschweig ohne Jahresangabe (Ausgabe von ca. 1890, u. a. mit einer Fassung der Sinfonie KV 184 für Klavier zu 2 Händen)

Siehe auch


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