Lawinenairbag

Lawinenairbag
Lawinenairbag und Auslöseeinheit (Patrone und Auslösegriff, links oben)

Der Lawinenairbag (ABS-Avalanche Airbag System) ist ein wiederverwendbares Rettungsgerät, das die Überlebenswahrscheinlichkeit von Personen, die von einer Lawine erfasst wurden, erhöhen soll. Der Lawinenairbag ist für Tourengeher und Variantenfahrer gedacht, die sich abseits der gesicherten Pisten bewegen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Lawinenairbag mit ausgefalteten Airbagtaschen

Ein Förster machte in den 1970er Jahren die Erfahrung, dass er in einem Schneebrett, sofern er Wildbret auf den Schultern transportierte, nicht von den Schneemassen begraben wurde, sondern an der Oberfläche blieb. Ein Forschungszentrum bestätigte dieses Verhalten von Körpern durch Volumenvergrößerung.

Nachdem der Förster das Patent an Peter Aschauer verkauft hatte, begann 1980 die Entwicklung eines Systems, das im Notfall eine Volumenvergrößerung innerhalb von wenigen Sekunden ermöglichen und den Schneesportler nicht behindern sollte. Die ersten funktionsfähigen Systeme waren 1985 verfügbar. Sie basierten auf einem großen, zentral auf dem Rücken untergebrachten Airbag mit einem Volumen von 150 Litern.

1996 folgte die Umstellung auf zwei seitlich angebrachte Airbags mit einem Gesamtvolumen von 170 Litern. Außerdem wurde die rein mechanische Auslösung zum Aufblasen auf ein Druckluftsystem umgestellt. Das Gesamtsystem wiegt heute etwa 2,5 kg.[1]

Funktionsprinzip

Basiseinheit (links) mit gefalteten Airbags, Auslösegriff und Patrone, 30 Liter Vario-Rucksack (rechts)

Der Lawinenairbag ist in einem Rucksack integriert. Er besteht aus zwei Polyamid-Ballons, die sich zusammengefaltet an der rechten und linken Seite im Rucksack befinden. Falls der Schneesportler von einer Lawine erfasst wird, kann er durch Zug an einem Griff an der Vorderseite des Rucksacks das Aufblasen der beiden Airbags auslösen. Mit Hilfe einer Stickstoffpatrone, mit einem Innendruck von ca. 300 bar, werden die Airbags innerhalb von 1–2 Sekunden zu einem Gesamtvolumen von ca. 170 Litern aufgeblasen.

Das Zusatzvolumen soll die Verschüttung des Betroffenen durch die Lawine verhindern, denn an der Schneeoberfläche sinkt das Risiko zu ersticken, der Betroffene kann sich eventuell selbst befreien und er kann schneller gefunden werden. Bleibt das Opfer an der Schneeoberfläche, liegt dessen Mortalität zwischen 3–4%, bei ganz verschütteten Personen beträgt sie etwa 54%.[2]

Der physikalische Hintergrund für das Aufschwimmen ist der sogenannte Segregationseffekt. Demnach bleiben tendenziell die größeren Gegenstände an der Oberfläche, wenn sich mehrere Körper in Bewegung befinden.

Das System kann nach dem Zusammenlegen der Airbags mit einer neuen Auslöseeinheit wiederverwendet werden. Die Auslöseeinheiten selbst werden über ein Pfandsystem wiederverwendet.

Ein Lawinenairbag stellt lediglich eine Erweiterung, aber keinen Ersatz der Standardausrüstung für Tourengeher und Variantenfahrer dar. Auf das Mitführen von LVS-Gerät, Lawinenschaufel und Lawinensonde kann nicht verzichtet werden.

Funktionale & statistische Untersuchungen durch das SLF

Versuche des Eidgenössischen Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) im Februar und März 2001 sollten die Wirksamkeit von Lawinen-Rettungsgeräten klären. Bei einem umfangreichen Test am 16. März 2001 wurden mit Hilfe von künstlich ausgelösten Lawinen 3 von 7 (ca. 42 %) der menschenähnlichen Dummys mit Lawinenairbag vollständig verschüttet. Die 3 Dummys waren nicht an der Oberfläche sichtbar. Deren Verschüttungstiefe war aber geringer, als bei den totalverschütteten Dummys ohne einen Lawinenairbag. Die Airbags aller 7 Dummys waren an der Schneeoberfläche sichtbar und hätten im Ernstfall die Rettungsdauer erheblich verkürzt.[3]

Im Vergleich dazu wurden 5 von 6 Dummys (ca. 83%) ohne Lawinenairbag vollständig verschüttet.[3]

Nach einer statistischen Analyse von 47 Lawinenunfällen mit 77 beteiligten Personen in den Jahren 1991 bis 2003 durch das SLF, haben 98,1% der Personen mit einem Lawinenairbag den Lawinenabgang überlebt. Von den Verschütteten ohne Airbag überlebten das Unglück hingegen nur 64,7%.[4]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vom Wildbret zum Lawinenairbag, Entwicklungsgeschichte
  2. Univ.Doz.Dr.med. Hermann Brugger, Präsident der Internationalen Kommission für Alpine Notfallmedizin – ICAR MEDCOM, Video-Beitrag
  3. a b Feldversuche zur Wirksamkeit einiger neuer Lawinen-Rettungsgeräte, Martin Kern, Frank Tschirky, Jürg Schweizer & Eidgenössisches Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF), Innsbruck, 2001, PDF
  4. Verschüttungsprophylaxe mit dem Lawinen-Airbag, Martin Kern, Frank Tschirky, Jürg Schweizer & Eidgenössisches Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF), Stand: 14. Januar 2008

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