Leibhaftigkeit

Leibhaftigkeit

Das Wort Leibhaftigkeit ist zusammengesetzt aus den Bestandteilen Leib- (im Sinne von Körper), -haftig- (im Sinne von besitzen) und dem Suffix -keit als Kennzeichen eines Nomens. Dementsprechend ist mit Leibhaftigkeit das Besitzen eines Körpers, das Sein im Körper gemeint.

Leibhaftigkeit charakterisiert alle uns bekannten Lebensformen. Sie ist die differenzierte Einheit des Organismus, nicht bloß Materialität im Sinne messbarer Ausgedehntheit.

Als ausnahmslose Eigenschaft alles Lebendigen könnte Leibhaftigkeit unausgesprochen bleiben, wenn nicht allen leibhaften Wesen etwas eigentümlich wäre, was über das nur Leibliche hinausgeht und beim Menschen mit Person, Seele oder Geist bezeichnet wird.

Dieses Mehr-als-Leibhafte kann als Folge und Funktion leiblicher Vorgänge (Materialismus) oder umgekehrt als deren Ursache und Triebfeder (Idealismus) angesehen werden. Empirisch lässt sich eine Wechselwirkung beider Aspekte nachweisen, die sich einfachen Erklärungen entzieht.

Unter den religiösen Traditionen gibt es seit ältester Zeit mehr seelisch-geistig und mehr leibhaft ausgerichtete. Auch die Götter und Dämonen werden teils leibhaft vorgestellt, teils "ort- und schwerelos" in reiner Geistigkeit. Dualistische Religionen trennen scharf zwischen Geist und Materie, rechnen Leibhaftigkeit der letzteren zu und werten sie ab.

Das Judentum und das aus ihm entstandene Christentum haben sich sowohl dem Spiritualismus wie dem Dualismus (Gnosis) zu allen Zeiten entschieden widersetzt. Das Christentum setzt mit dem Glauben an die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus und mit den Sakramenten einen Schwerpunkt auf den Leib. Paulus denkt im 15. Kapitel des ersten Korintherbriefs intensiv über die Leibhaftigkeit des Auferstehungslebens nach.

Oft wird Leibhaftigkeit auf den Teufel angewandt, den man dann den Leibhaftigen nennt. Damit wird ausgedrückt, dass der Teufel, obwohl körperloser Geist wie die Engel, als reale Person mit widergöttlich angemaßter Leibhaftigkeit auftreten und so Schrecken und Böses verursachen könne.

Auch der Tod wird nicht selten auf diese Weise personifiziert (der leibhaftige Tod).

Wenn Personen unerwartet erscheinen, sagt man gern: Sie stand leibhaftig (nicht nur in der Vorstellung) vor mir.

Literatur

  • Hans Jonas, Organismus und Freiheit, Göttingen 1973

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