Leidenschaftslosigkeit

Leidenschaftslosigkeit

Enthusiasmus bezeichnet heute allgemein eine Begeisterung oder Schwärmerei für etwas, eine gesteigerte Freude an bestimmten Themen oder Handlungen, ein extremes Engagement für eine Sache oder ein mehr als durchschnittliches, intensives Interesse auf einem speziellen Gebiet.

Seiner Herkunft nach bezeichnete der Begriff ursprünglich die Inspiration durch eine göttliche Eingebung oder durch den Einfluss oder die Gegenwart eines Gottes (seit dem 16. Jahrhundert im Deutschen nachweisbare latinisierte Entlehnung des griechischen ἐνθουσιασμός, enthousiasmós,[1] ursprünglich „Besessenheit durch Gott“, eines Abstraktums von ἔνθεος, éntheos, wörtlich „der von Gott Erfüllte“, aus ἐν, en, „in“ und θεός, theós, „Gott“).

Inhaltsverzeichnis

Religionsgeschichte

Ursprünglich verstand man unter einem Enthusiasten eine von einem Gott besessene Person. Im antiken Griechenland war enthousiasmós ein Ausdruck für eine göttliche Inbesitznahme: Bei Apollon, der orakelnden Pythia, bei Dionysus und den Bacchanten und Mänaden wurde die Bezeichnung „Enthusiasmus“ auch im übertragenen oder bildhaften Sinn verwendet. So spricht Sokrates von der Inspiration des Dichters als einer Form des Enthusiasmus. Er gebraucht den Begriff in einem religiösen Sinn, grenzt ihn aber ab von einem extremen religiösen Eifer oder einem übertriebenen oder falschen Glauben an religiöse Inspiration.

Anhänger einer syrischen Sekte des 4. Jahrhunderts nannte man „Enthusiasten“. Sie glaubten, der Mensch könne durch unaufhörliches Gebet, asketische Praktiken und Meditation die Inspiration durch den heiligen Geist erwirken, ungeachtet der herrschenden bösen Mächte, denen er seit dem Sündenfall unterworfen war. Für ihren enthusiastischen Glauben an die Wirksamkeit des Gebets sind auch die Euchiten bekannt.

Mehrere protestantische Gruppierungen des 16. und 17. Jahrhunderts galten in ihrem religiösen Eifer als enthusiastisch. Lord Shaftesburys einflussreicher Brief A Letter Concerning Enthusiasm (1708) wendet sich gegen die sektiererischen Praktiken der französischen Camisarden und gegen jede Form des religiösen Fanatismus. Zugleich verweist er auf eine edlere Form des „Enthusiasmus“ angesichts der göttlich geordneten, harmonischen Natur. Im 18. Jahrhundert bezeichnete man in England und Nordamerika populäre Methodisten wie John Wesley oder George Whitefield pejorativ als „Enthusiasten“, und das hieß im damaligen Sprachgebrauch: blinde religiöse Fanatiker.

Gegenwart

Im 18. Jahrhundert wird die Bedeutung des Wortes allgemeiner und weltlicher:[1] Im heutigen allgemeinen Sprachgebrauch hat der Enthusiasmus seine spezielle religiöse Bedeutung verloren und bezeichnet vielmehr ein unbeschränktes emotionales Sicheinsetzen für ein Ideal oder eine gemeinsame Sache. Auch die besondere Mühe, mit der man bestimmte Ziele verfolgt, wird mit dem Begriff umschrieben. Manchmal bezeichnet der Ausdruck abwertend eine allzu parteiische Hingabe und einen radikal-autoritären Dogmatismus, der sich allen Schwierigkeiten und gegen ihn erhobenen Einwänden verschließt.

Auch der Ausdruck Leidenschaft, eine Übersetzung von Philipp von Zesen aus dem lateinischen Wort passio, lässt sich heute gemeinhin als Synonym dieses Begriffs von „Enthusiasmus“ verstehen.

Zitate

  • „Alles, was wir mit Wärme und Enthusiasmus ergreifen, ist eine Art der Liebe.“ (Wilhelm von Humboldt)
  • „Gleichgültigkeit bringt wenigstens kein Leid, und Enthusiasmus wird in feinen Kreisen einfach Trunkenheit der Seele heißen.“ (Lord Byron)
  • „Enthusiasmus ist das schönste Wort auf der Erde.“ (Christian Morgenstern)
  • „Ich bin überzeugt, dass Verstand, und sei er noch so hell erleuchtet, wenig ausrichtet, wenn er nicht mit Enthusiasmus gepaart ist.“ (Houston Stewart Chamberlain)
  • „Erst der Enthusiasmus, dann erst der Fleiß.“ (Stefan Zweig)
  • „Die Enthusiasten haben nie Recht, die Skeptiker immer. Dafür schaffen nicht sie, sondern jene das Neue.“ (Ludwig Marcuse)
  • „Jahre runzeln die Haut, aber den Enthusiasmus aufgeben runzelt die Seele.“ (Albert Schweitzer)

Literatur

  • Manfred Engel: Die Rehabilitation des Schwärmers. Theorie und Darstellung des Schwärmens in Spätaufklärung und früher Goethezeit. In: Hans-Jürgen Schings (Hg.), Der ganze Mensch. Anthropologie und Literatur im 18.Jahrhundert. Stuttgart: Metzler 1994, S. 469-498.
  • Dominic Veken: Ab jetzt Begeisterung. Die Zukunft gehört den Idealisten, Murmann Verlag, Hamburg 2009, ISBN 978-3-86774-063-0

Siehe auch

Ataraxie, Eifer, Ekstase, Fanatismus, Leidenschaft

Quellen

  1. a b Kluge Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. Auflage

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