Philipp von Zesen

Philipp von Zesen
Philipp von Zesen

Philipp von Zesen, auch: Filip Cösius oder Caesius, Pseudonym: Ritterhold von Blauen (* 8. Oktober 1619 in Priorau bei Dessau; † 13. November 1689 in Hamburg) war ein deutscher Dichter, evangelischer Kirchenlieddichter und Schriftsteller. Er gilt neben Sigmund von Birken als einer der ersten deutschen Berufsschriftsteller. Sein autobiographischer Roman Die Adriatische Rosemund von 1645 gilt als der erste große deutsche Roman der Barockliteratur, seine Poetik hatte einen hohen Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Metrik.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gedenkstein bei Priorau

Zesen wurde als Sohn des lutherischen Pastors Philipp Zesen und dessen Ehefrau Dorthe in Priorau bei Dessau geboren. Sein Geburtshaus ist bis heute erhalten. Als er etwa 16 Jahre alt war, besuchte er das Gymnasium in Halle unter Christian Gueintz, der den begabten Schüler schon damals dem benachbarten Hof in Köthen vorstellte. Er studierte von 1639 bis 1641 Rhetorik und Poetik an der Universität Wittenberg bei August Buchner. Seit 1641 hielt er sich in Hamburg auf.

Die Jahre nach seiner Ausbildung waren von der Suche nach einer Anstellung, häufigem Wohnsitzwechsel und finanzieller Not geprägt. Er bewarb sich mehrfach vergeblich bei Hofe und arbeitete notgedrungen als freier Schriftsteller. Die Kriegsjahre 1642 bis 1648 verbrachte er zumeist in Amsterdam, Leiden oder Utrecht, wo er als Übersetzer und Korrektor für niederländische Verleger tätig war, unternahm aber auch ausgedehnte Reisen nach London, Paris, in das Baltikum und nach Dänemark.

1648 bis 1656 wohnte er im Elternhaus in Priorau und wurde bei einem seiner Besuche am benachbarten Köthener Hof in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen. Sein eigener Landesfürst Johann Kasimir von Anhalt-Dessau wurde 1652 durch einen Jagdunfall gelähmt, und Zesen verbrachte deshalb mehrere Jahre als Gesellschafter des Fürsten am Dessauer Hof.

Erst ab 1656 hatte er wieder einen ständigen Wohnsitz in den Niederlanden, meistenteils in Amsterdam, wo er 1662 das Bürgerrecht erhielt und als einer der wichtigsten Mitarbeiter im Verlag Elsevier galt. 1672 heiratete Zesen die Leinwandhändlerin Maria Becker, mit der er sich in seinen letzten Lebensjahren wieder in Hamburg niederließ.

Werk

Zesen hat sich in fast allen Literaturgattungen versucht; sein Werk ist in erster Linie von sprach- und literaturtheoretischer Bedeutung, an zweiter Stelle rangieren seine Gedichte. Theologische und kirchengeschichtliche Bedeutung gewinnt Zesen durch seine Vermittlung biblischer Inhalte in Gedichten und Romanen.

Wegen der von ihm empfohlenen skurrilen Orthographie – er sah sich als Sprach-, Vers- und Orthographiereformer sowie als Sprachpurist, der mit Neologismen den Wortschatz der deutschen Literatursprache erweitern wollte – blieb ihm die Mitgliedschaft in der Fruchtbringenden Gesellschaft lange Zeit versagt. Erst Anfang 1649 besuchte Zesen Fürst Ludwig I. von Anhalt-Köthen und wurde von diesem als Mitglied aufgenommen.

Als Gesellschaftsname wurde Zesen der Wohlsetzende verliehen und als Devise ihm der Natur nach zugedacht. Zesens Emblem zeigt das Ruhrkraut. Im Köthener Gesellschaftsbuch findet sich unter der Nr. 521 auch Zesens Reimgesetz anlässlich seiner Aufnahme:

Wolsetzend der Natur, bin ich hier genant,
Weil uns das Ruhrkraut pflegt im leibe wol Zu setzen
Was ungesundes drin: Also muß wol bekant
Und flüßig sein die schrift, die einen sol ergetzen:
Man sich für neurung hüt' in ieder kunst und stand,
Das man nicht red' darvon und ursach sey Zu schertzen:
Wer dan aufbringen wil was neues, nehm in acht
Das er es stell' und schreib' aus gutem vorbedacht.

Angemerkt sei hier, dass es sich bei diesen Zeilen um die von Zesen selbst verbesserte letzte Fassung handelt.

1653 auf dem Reichstag zu Regensburg wurde Zesen von Kaiser Ferdinand III. persönlich geadelt, und 1667 wurde er zum Hofpfalzgrafen erhoben.

Wahrscheinlich gründete Zesen schon 1642 in Hamburg eine Sprachgesellschaft mit Namen Deutsch-Zunfft. Ein Jahr später ging diese aber in die Deutschgesinnte Genossenschaft über. Diese Vereinigung hatte sich unter anderem zum Ziel gesetzt, die deutsche Sprache zu bewahren und Einflüsse durch Fremdwörter zu vermeiden.

Zesen schrieb nahezu 90 Bücher fast aller poetischer Gattungen und starb im Alter von 70 Jahren am 13. November 1689 in Hamburg.

Werke (Auswahl)

Titelblatt Leo Belgicus
  • Melpomene (1638), Lyrik
  • Deutscher Helicon (1640), Poetik
  • Himmlische Kleio (1641), Lyrik
  • FrühlingsLust oder Lob-, Lust- und Liebeslieder (1642), Gedichtesammlung
  • Poetischer Rosen-Wälder Vorschmack (1642), Schäferdichtung
  • Hooch-Deutsche Spraachübrung, (1643,) literaturtheoretische Abhandlung
  • Liebesbeschreibung Lysanders und Kalisten (1644), Romanübersetzung nach Lysandre et Caliste von Vital d'Audiguier und drei weitere
  • Die Adriatische Rosemund (1645), autobiografischer Roman
  • Lustinne (1645), Gedichtesammlung
  • Die afrikanische Sofonisbe (1646), Roman
  • Kurze gründl. Anleitung zur Höflichkeit (1649)
  • Leo Belgicus (1656), Roman
  • Beschreibung der Stadt Amsterdam (1664) („Darinnen von Derselben ersten ursprunge bis auf gegenwärtigen zustand, ihr unterschiedlicher anwachs, herliche Vorrechte ... zusamt ihrem Stahtswesen, Kaufhandel, und ansehnlicher macht zur see ...“)
  • Schöne Hamburgerin (1668) Lieder
  • Assenat (1670) biblischer Roman
  • Reiselieder (1677)
  • Simson (1679) biblischer Roman

Verdeutschungen

Erfolgreiche Verdeutschungen

Zesen erfand für zahlreiche Fremdwörter Verdeutschungen, die Eingang in die deutsche Sprache gefunden haben, wie Ableitung (für das Fremdwort Derivation), Abstand (Distanz), Angelpunkt (Pol), Anschrift (Adresse), Augenblick (Moment), Ausflug (Exkursion), Beifügung (Apposition), Beistrich (Komma), Besprechung (Rezension), Blutzeuge (Märtyrer), Bücherei (Bibliothek), Emporkömmling (Parvenü), Entwurf (Projekt), Farbgebung (Kolorit), Freistaat (Republik), Gesichtskreis (Horizont, Panorama), Glaubensbekenntnis (Credo), Gotteshaus (Tempel), Grundstein (Fundament), Kreislauf (Zirkulation), Leidenschaft (Passion), Letzter Wille (Testament), Mundart (Dialekt), Nachruf (Nekrolog), Rechtschreibung (Orthographie), Sinngedicht (Epigramm), Sterblichkeit (Mortalität), Verfasser (Autor), Vollmacht (Plenipotenz), Wahlspruch (Devise), Weltall (Universum).

Erfolglose Verdeutschungen

Andere vorgeschlagene Fremdwortübersetzungen wirken heute bestenfalls kurios, wie Blitzfeuererregung (für Elektrizität), Dörrleiche (Mumie), Entgliederer (Anatom), Erzvater (Papst), Gottestum (Religion), Jungfernzwinger (Kloster), Kirchentisch (Altar), klägeln (querulieren), Krautbeschreiber (Botaniker), Leuthold (Patriot), Lotterbett (Sofa), Lusthöhle (Grotte), Lustkind (Amor), Meuchelpuffer (Pistole), Schalksernst (Ironie), Spitzgebäude (Pyramide), Spottnachbildung (Parodie), Tageleuchter (Fenster), Weiberhof (Harem), Zeugemutter (Natur).

Der ständig zitierte „Gesichtserker“ (Nase) ist keine Wortschöpfung Zesens, sondern, wie bereits im 19. Jahrhundert in sprachwissenschaftlichen Werken festgestellt, eine zu seiner Verspottung gedachte Erfindung seiner Gegner: „Es wäre Zeit, dass man nach zweihundert Jahren wenigstens diesen Fleck von dem Bilde des Mannes entfernte, der viel gearbeitet, ernst gestrebt, wenn auch oft geirrt hat.“ (von Leixner, Geschichte der Deutschen Literatur).

Literatur (Auswahl)

  • Hugo Harbrecht: Philipp von Zesen als Sprachreiniger. Karlsruhe in Baden: M. Gillardon, 1912
  • Eberhard Lindhorst: Philipp von Zesen und der Roman der Spätantike. Ein Beitrag zu Theorie und Technik des barocken Romans. Göttingen: Univ. Diss., 1955 (Neudruck 1997)
  • Hans Obermann: Studien über Philipp von Zesens Romane. Göttingen: Univ. Diss., 1932
  • Chrystèle Schielein: Philipp von Zesen: Orthographiereformer mit niederländischen Vorbildern?. Erlangen: Univ. Diss., 2002
  • Maximilian Bergengruen; Dieter Martin (Hg.): Philipp von Zesen. Wissen – Sprache – Literatur. Tübingen 2008

Werk- und Literaturverzeichnis

Weblinks

 Wikisource: Philipp von Zesen – Quellen und Volltexte

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