- Lender of last resort
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Als Lender of Last Resort („Kreditgeber der letzten Zuflucht“) wird im Finanzwesen eine Institution bezeichnet, die als Kreditgeber oder Garant bei Schuldnern freiwillig oder auf gesetzlicher Grundlage fungiert, wenn hierzu niemand anders mehr bereit ist. Auf supranationaler Staatsebene übernimmt häufig der IWF diese Funktion, im nationalen Bankwesen tritt meist die Zentralbank eines Staates auf. Es handelt sich um eine Finanzdoktrin wie „Too Big to Fail“ oder „Bail-out-Politik“, die im Wirtschaftsleben den Zusammenbruch eines eigentlich kreditunwürdigen Schuldners verhindern soll, durch den Ansteckungseffekte auf die zugehörige Branche, eine gesamte Volkswirtschaft oder gar auf andere Staaten ausgehen können.
Inhaltsverzeichnis
Begriff und Geschichte
Der Begriff Lender of Last Resort geht auf Sir Francis Baring zurück, der in seinen „Observations on the Establishment of the Bank of England“ (1797) von der Zentralbank als der „dernier resort“ (letzte Zuflucht) sprach, von der alle Banken in der Krise Liquiditätshilfen erwarten könnten. Danach verdeutlichte und spezifizierte Henry Thornton 1802 die Rolle der Bank of England als Lender of Last Resort[1]. Thornton war es auch, der erstmals auf mögliche Ansteckungseffekte hinwies. „Wenn irgend eine Bank Pleite geht, könnte ein allgemeiner Run auf andere Institute stattfinden“[2]. Mit Eingriffen des Lenders of Last Resort soll damit nicht nur der Zusammenbruch eines bestimmten Schuldners verhindert werden, sondern eine hierdurch möglicherweise ausgelöste allgemeine Krise z. B. die eines bank runs.
Eingreifende Institutionen
Je nach dem, wer als Lender of Last Resort fungiert, kann man zwischen dem Staat (durch seine Regierung), dessen Zentralbank und dem IWF oder sonstigen supranationalen Organisationen unterscheiden.
Staatseingriffe
Während der Finanzkrise ab 2007 waren staatliche Interventionen verstärkt zu beobachten, als der Staat in vielen Ländern massiv in sein Bankwesen eingriff. Wie Charles B. Blankart nachweist,[3] erreichten die staatlichen Unterstützungen der Banken einen hohen Anteil am Bruttoinlandsprodukt eines Staates. Während in Irland im Jahr 2008 die Hilfen 265 % des BIP erreichten, betrugen sie in den USA 80 % und in Deutschland noch 23 % des BIP. Das löst wiederum einen Anstieg der Staatsschulden in den Folgejahren aus, die insbesondere in Japan ab 2010 weit über 200 % des BIP erreichen.
Zentralbanken
Schon Walter Bagehot wies im Jahr 1873 darauf hin, dass die Zentralbanken bereitstehen sollten, unbehindert Kredit zu gewähren bei guten Kreditsicherheiten[4]. Zentralbanken, meist im Staatsbesitz und mit hoheitlichen Aufgaben der Steuerung der Geld-, Kapital- und Währungsmärkte ausgestattet, fungieren dann als verlängerter Arm des Staates. Sie intervenieren jedoch ausschließlich im Bankensektor, so dass die Lender of Last Resort-Funktion bei Nichtbanken weiterhin anderen staatlichen Institutionen überlassen bleibt. Ihre Funktion als Lender of Last Resort wird durch ihre ursprünglichen Aufgaben der Geldversorgung des Bankensektors ermöglicht und gefördert. Ursprünglich war in Deutschland etwa die Mindestreservepflicht lediglich dazu bestimmt, dem Bankensektor gesetzliche Liquiditätsreserven bei der Zentralbank aufzuerlegen, die im Krisenfalle abrufbar waren. Inzwischen haben sie diese Funktion vollständig zugunsten der Beeinflussung des Geldumlaufs und der Kreditgewährung verloren.
Intervention des IWF
Die Gründung des IWF geht auf die Überlegung zurück, dass die unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung in einzelnen Staaten zu Disparitäten bei Währungen führen kann und dadurch entstehende Währungskrisen nicht mehr autonom durch den betroffenen Staat selbst beseitigt werden können. Damit ist der IWF eine typische Lender of Last Resort-Institution. Im Verlauf der Währungskrise Mexikos im Jahr 1995 gewährte der IWF 4,4 % des mexikanischen BIP als Kredithilfen, in der Asienkrise ab 1997 erhielten Südkorea 5,3 % und Thailand 2,9 % ihres jeweiligen BIP als Kreditmittel. Das im IWF institutionalisierte internationale Währungssystem ist damit selbst ein Lender of Last Resort.[5] Danach konnten Staaten, die sich mit einer Wirtschaftskrise konfrontiert sahen, mit einer Ausweitung der IWF-Kredite rechnen.[6] Das traf auch auf die Argentinien-Krise 2001 zu.
Moral-Hazard-Effekt
Der Lender of Last Resort soll durch effiziente Maßnahmen die Insolvenz von Unternehmen oder ein Staatsmoratorium verhindern. Unverkennbar ist dabei die Moral-Hazard-Folge dieser Finanzdoktrin. Durch sie erhalten andere Marktteilnehmer die hohe Gewissheit, dass sich ihr Insolvenzrisiko, dem sie als Kreditgeber letztlich unterliegen, erheblich verringert oder gar völlig verschwindet. Durch die Lender-of-last-Resort-Funktion werden unternehmerische Fehler oder staatliche Fehlentwicklungen ganz oder teilweise kompensiert, die normalerweise zum Zusammenbruch von Unternehmen oder zum Staatsmoratorium führen würden. Der Lender of Last Resort verstößt mit seiner ultimativen Unterstützungspolitik gegen fundamentale marktwirtschaftliche und volkswirtschaftliche Prinzipien, da seine Intervention die Investoren von den Risiken ihrer unternehmerischen Entscheidungen letztlich entbindet. Auch die IWF-Kreditvergabe unterliegt diesem Moral-Hazard-Effekt.[7] Daneben werden durch die Eingreifwahrscheinlichkeit des Lender of Last Resort auch die davon begünstigten Schuldner dazu motiviert, sorgloser zu wirtschaften und zu haushalten, weil man ja gerettet wird. Begünstigte wählen einen höheren globalen Risikoanreiz und könnten deshalb riskantere Geschäfte eingehen.
Um die negativen Folgen eines Moral Hazard zu beseitigen oder zu vermindern, verbietet Artikel 125 des EU-Vertrages, dass die EU oder Mitgliedsländer für die Schulden eines anderen Mitgliedslandes einstehen (»no bailout« = "Nichtbeistandsklausel"). Art. 119 stellt Hilfen bei Zahlungsbilanzproblemen lediglich in Aussicht, und Schulden dürfen nach Art. 267 EGV nur für Investitionen aufgenommen werden.
Funktionsweise und Vorteile
In der Theorie der Finanzintermediation, insbesondere im Bereich der Bankenregulierung, besteht die Annahme, dass ein Bankensystem zur Instabilität neige. So kann z. B. der Ausfall einer einzelnen Bank über einen Dominoeffekt das gesamte Bankensystem erfassen. Ein theoretisches Modell dazu hat Hans-Jacob Krümmel (1984)[8] veröffentlicht.
Dem Lender of Last Resort ist es nun jederzeit möglich, einen kurzfristigen Liquiditätsengpass bei der ersten Bank zu überbrücken und somit den Anlegern ein Vertrauen in die Sicherheit ihrer Einlage zu geben. Der Dominoeffekt wird somit gestoppt.
Literatur
- William C. Cline, The Case for a Lender-of-Last-Resort Role for the IMF, 2005
- Burghof, Hans-Peter: Eigenkapitalnormen in der Theorie der Finanzintermediation, Duncker & Humblot, Berlin 1998
- Burghof, Hans-Peter und Rudolph, Bernd: Bankenaufsicht, Gabler Wiesbaden 1996
- Hartmann-Wendels, Thomas; Pfingsten, Andreas und Weber, Martin: Bankbetriebslehre, 4. überarbeitete Auflage, Springer Berlin 2007
- Stasch, Katharina: Lender of Last Resort, Nomos 2009
Einzelnachweise
- ↑ Thomas M. Humphrey, Lender of Last Resort: What it is, Whence it came, And why the Fed isn’t it, Cato Journal, 2010, S. 335
- ↑ Henry Thornton, An Enquiry into the Nature and Effects of the Paper Credit of Great Britain, 1802, S. 180
- ↑ Blankart, Charles B.: Der Staat - ein "Lender of Last Resort"? 29. April 2009, S. 4, abgerufen am 19. Mai 2011: „Ringvorlesung: "Die internationale Banken-, Kredit- und Finanzkrise: Analyse, Ursachen, Lösungen"“
- ↑ Walter Bagehot, Lombard Street, 1873, S. 48 ff.
- ↑ Berger, Helge; Weichenrieder, Alfons J.: Der IWF: Versicherung oder Lender of Last Resort. 2002, S. 4, abgerufen am 19. Mai 2011.
- ↑ Berger, Helge; Weichenrieder, Alfons J.: Der IWF: Versicherung oder Lender of Last Resort. 2002, S. 5, abgerufen am 19. Mai 2011.
- ↑ Berger, Helge; Weichenrieder, Alfons J.: Der IWF: Versicherung oder Lender of Last Resort. 2002, S. 12, abgerufen am 19. Mai 2011.
- ↑ Hans-Jacob Krümmel, Schutzzweck und Aufsichtseingriff. Über den Run auf die Bankschalter und seine Verhinderung, in: Kredit und Kapital, 17. Jg. 1984, ISSN: 0023-4591
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