- Lenkrollhalbmesser
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Als Lenkrollradius oder auch Lenkrollhalbmesser bezeichnet man an lenkbaren Achsen von Fahrzeugen den Abstand einer gedachten, verlängerten Linie der Lenkdrehachse zur Mitte der Radaufstandsfläche.
Der Lenkrollradius wird durch den Sturz, die Spreizung und die Einpresstiefe der Felge bestimmt.
Inhaltsverzeichnis
Begriffsbedeutung
Trifft die gedachte Linie der Lenkdrehachse genau die Mitte der Radaufstandsfläche, so spricht man von einem Lenkrollradius 0. Trifft sie weiter außen auf, spricht man von einem negativen Lenkrollradius, trifft sie weiter innen auf, ist von einem positiven Lenkrollradius die Rede.
Fahrverhalten
- Ein Fahrzeug mit positivem Lenkrollradius hat auf ebener Fahrbahn einen guten Geradeauslauf, reagiert aber empfindlich auf Spurrillen und neigt beim Bremsen mit unterschiedlicher Reibhaftung auf den einzelnen Spurseiten dazu, zur Seite mit der besseren Haftung zu ziehen, so dass der Fahrer gegenlenken muss.
- Ein Fahrzeug mit negativem Lenkrollradius hat einen selbststabilisierenden Geradeauslauf, beim Bremsen auf Fahrbahnen mit unterschiedlicher Reibhaftung wird das Rad durch die Bremskraft zur schwächer gebremsten Seite gelenkt. Dadurch wird das Fahrzeug ohne ein Eingreifen des Fahrers stabilisiert und ein Ausbrechen des Fahrzeugs verhindert. Ferner führen Hindernisse auf der Straße wie Steine oder Teerfugen nicht zu so starkem „Durchschlagen“ in die Lenkung.
- Ein Fahrzeug mit Lenkrollradius 0 überträgt fahrbahn- oder fahrzeugbedingte Kräfte (Reifendefekt) nicht an die Lenkung, erfordert jedoch einen höheren Kraftaufwand beim Lenkeinschlag des stehenden Fahrzeuges. Der Lenkrollradius 0 ist praktisch schwer zu verwirklichen, da jede Änderung des Reifendurchmessers durch Luftdruckänderung, Reifenverschleiß, Beladung oder Bremsverzögerung (=Laständerung auf der Vorderachse) wegen der Spreizung den Lenkrollradius vergrößert oder verkleinert. Dies trifft nur dann nicht zu, wenn die Lenkachse genau senkrecht steht und sich in der Radmitte befindet, wie etwa beim Citroën DS, der damit tatsächlich (bei gegebener Felgenbreite) von den Vorteilen eines Lenkrollradius null profitiert. Wie beim VW K70, frühen Audi 100, Audi 60, NSU Ro 80, Citroën SM und GS u. a. Modellen waren beim DS die Scheibenbremsen nicht (wie heute fast allgegenwärtig) in den Rädern, sondern zu beiden Seiten des Differentials (also am Getriebe) angeordnet. Dadurch wurde zum einen die ungefederte Masse vermindert und zum anderen durch den Raumgewinn in den Rädern (beim DS, GS und SM) der Lenkrollradius null möglich. Bei diesen Fahrzeugen übertragen die Gelenkwellen die Bremskraft und werden stärker beansprucht. Der VW Golf I und der Audi 80 hatten speziell konstruierte ausgebauchte Felgen und Schwimmrahmenbremsen, um einen negativen Lenkrollradius zu ermöglichen.
Geschichte
Frühere Automobile hatten alle einen extrem positiven Lenkrollradius, da die Lenkachse senkrecht zum Untergrund war und aus Platzgründen nicht innerhalb der Felge untergebracht werden konnte. Die Lenkung war daher sehr verschleißanfällig. Der negative Lenkrollradius wurde bei Serienfahrzeugen 1972 erstmals im Audi 80 B1 vorgestellt.
Sonstiges
Bei der Entwicklung von Serienfahrzeugen werden alle Komponenten des Fahrwerks aufeinander abgestimmt, um den gewünschten Lenkrollradius zu erzielen. Durch nachträgliche Veränderungen an Fahrzeugen in diesem Bereich kann sich das Fahrverhalten eines Fahrzeugs grundlegend ändern. Schon das Nachrüsten eines Fahrzeugs mit breiteren Reifen und den dazugehörigen Felgen kann ausreichen, um den negativen Lenkrollradius in einen positiven umzuwandeln.
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