- Scheibenbremse
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Die Scheibenbremse ist eine Bauform von Bremsen, bei der die Verzögerung durch eine auf der Radnabe befestigte Bremsscheibe und den im Bremssattel liegenden Bremsklotz mit Bremsbelägen erzeugt wird. Sie ist neben der Trommelbremse die häufigste Bauform in Kraftfahrzeugen, wird zunehmend auch als Fahrradbremse eingesetzt und findet sich in Maschinen.
Inhaltsverzeichnis
Energiewandlung
Beim Bremsen wird die kinetische Energie des Fahrzeuges mittels Reibung in Wärme umgewandelt. Die Energiemenge ist abhängig von der Masse des Fahrzeugs und von der Geschwindigkeit; bei der Berechnung der Energie hat die Fahrzeugmasse einen linearen und die Geschwindigkeit einen quadratischen Einfluss. Bei gleicher Masse führt die Verdoppelung der Geschwindigkeit somit zu einer Vervierfachung der Bremsenergie.
Verschleiß
Der Abrieb in Form von Bremsstaub ist eine tribologische Verschleißerscheinung.
Anwendung
Scheibenbremsen werden vor allem in Kraftfahrzeugen, aber auch in Maschinen und Anlagen sowie Flugzeugen, Fahrrädern, Pferdekutschen und bei der Eisenbahn eingesetzt.
Geschichte
Die Entwicklung der Scheibenbremse begann um 1890 in England. Als Erfinder der Scheibenbremse gilt der Brite Frederick W. Lanchester, der 1902 ein Patent auf die Scheibenbremse erhielt.[1] 1902 wurde diese Bremse erstmals erfolgreich in einem Automobil erprobt. Dabei wurden Bremsbeläge aus Kupfer verwendet. Es dauerte jedoch noch rund 50 Jahre, bis die Scheibenbremse serienmäßig in Kraftfahrzeugen eingebaut wurde. Das weltweit erste serienmäßig hergestellte Kraftfahrzeug mit einer Scheibenbremse war der deutsche Panzerkampfwagen VI Tiger im Zweiten Weltkrieg. Das erste Auto mit Scheibenbremsen war der Tucker Torpedo im Jahr 1948. In Europa erhielt der Jaguar C-Type 1953 eine von Dunlop entwickelte Bremsanlage, 1955 folgte dann der Citroen DS mit innenliegenden Scheibenbremsen vorn. Das erste europäische Fahrzeug mit vier Scheibenbremsen war der Austin-Healey 100S.
Bauweisen
Eine Scheibenbremse besteht aus einer mit der Radnabe verbundenen Bremsscheibe und dem Bremsträger, an dem der Bremssattel befestigt ist. Der Bremssattel (auch Bremszange) umfasst die Bremsscheibe und enthält die Bremsbeläge und die Bremskolben, welche die Bremsbeläge axial gegen die Scheibe drücken.
In den meisten Fällen ist die Bremsscheibe direkt an der Radnabe angebracht. Sie kann aber bei angetriebenen Achsen auch innen am Differential angebracht sein (Citroën 2CV, Citroën GS, Alfa Romeo Alfasud, einige Audi, NSU Ro 80, Jaguar XJ). Diese Bauform nennt man innenliegende Bremse. Vorteile sind die geringeren ungefederten Massen und die Drehachse des Achsschenkels in der Mitte der Reifenaufstandsfläche. Dadurch bleibt das Auto auch bei unterschiedlicher Griffigkeit der Fahrbahn beim Bremsen in der Spur. Nachteilig ist die hohe Belastung der Antriebswelle durch das Bremsmoment. Ein weiterer Nachteil sind die aufgrund der Einbaulage mitunter hohen Reparaturkosten beim Auswechseln von Bremsscheiben.
Perimeterbremse
Eine markante Sonderform für Motorräder ist die sogenannte Perimeterbremse, bei der die Bremsscheibe statt innen an der Radnabe außen an der Felge angebracht ist. Dadurch kann der wirksame Durchmesser der Bremsscheibe fast so groß wie der Felgendurchmesser werden und das Bremsmoment muss nicht von den Speichen auf die Felge übertragen werden.
Konstruktion
Da die Bremsscheibe rein dem Bremsen dient, kann der Werkstoff der Scheibe ganz auf die Anforderungen der Bremse ausgelegt werden. Der Durchmesser der Scheibe bestimmt das Bremsmoment und somit die Bremsleistung maßgeblich. Bei leistungsstarken Kfz limitiert der Raddurchmesser den Innendurchmesser der Felge und damit den Bremsscheibendurchmesser. Um Bremsscheiben möglichst groß dimensionieren zu können, müssen also möglichst große Felgen eingesetzt werden oder Bremssättel mit mehreren Kolben und dadurch größeren Bremsklötzen verwendet werden.
Teil- und Vollbremsscheiben
Es wird zwischen Teil- und Vollscheibenbremsen unterschieden: Entweder steht nur ein Teil oder die gesamte Fläche der Scheibe als Reibfläche zur Verfügung. Vollscheibenbremsen kommen beispielsweise in Panzern, Flugzeugen oder Landmaschinen zum Einsatz. Neben ihrer Robustheit und Abriebstärke sind sie wegen ihrer großen Masse auch relativ temperaturstabil, was bei seltener Benutzung eine Kühlung unnötig macht.
Flugzeugbremsen bestehen je nach Größe des Flugzeugs aus mehreren Bremsscheiben und -belägen, ähnlich wie eine Mehrscheibenkupplung. Die Bremskolben sind radial im Bremsgehäuse eingebaut. Stahlbremsen sind für Temperaturen bis 1000 °C, Karbonbremsen bis 2000 °C ausgelegt.
Bremssatteltypen
Man unterscheidet weiter zwischen Ein- und Mehrkolbensätteln sowie zwischen Fest- und Schwimmsattelbremsen. Die Rückstellung des Bremskolbens erfolgt über eine speziell geformte Dichtung im Bremssattel.
Einkolbensättel
Einkolbenschwimmsättel haben nur einen Bremskolben, sie sind vor allem bei PKW sowie kleinen motorisierten Zweirädern oder bei Sportfahrrädern zu finden. Um den Anpressdruck gleichmäßiger über die Reibfläche zu verteilen und die Betätigungskräfte zu senken, werden Sättel mit mehreren Kolben eingebaut. Motorräder, ohne Bremskraftverstärker, haben daher meist 4-, bei Sportmodellen auch 6- und 8-Kolben-Bremsen. Mit Einzelbelägen für mehrere Kolben können Wirkung und Bremsverhalten weiter optimiert werden.
Festsattelbremsen
Bei der Festsattelbremse ist das Gehäuse des Festsattels gleichzeitig der Bremsträger, er ist unbeweglich und Bremskolben befinden sich auf beiden Seiten der Scheibe. Eine Festsattelbremse hat somit doppelt so viele Kolben wie eine Schwimmsattelbremse. Bremsen für hohe Belastungen sind in der Regel Festsattelbremsen, bei denen der Sattel aus einem Teil gegossen oder gefräst wird, auch Monoblock-Bremse genannt.
Schwimmsattelbremsen
Im Gegensatz zu einer Festsattelbremse hat die Schwimmsattelbremse nur einen Bremsträger, der am Radlagergehäuse angeschraubt ist. An diesem Träger ist der bewegliche Schwimmsattel befestigt, der sich aus dem einseitig angebrachten Bremszylinder und einer Umlenkvorrichtung zusammensetzt, die den gegenüberliegenden Bremsbelag betätigt. Man unterscheidet dabei die (heute veraltete) Schwimmrahmenbremse und die (aktuelle) Faustsattelbremse.
Radialbremsen
Bei der sogenannten Radialbremse handelt es sich um eine Scheibenbremse, bei der die Bremssättel radial verschraubt sind und dadurch der Abstand zur Radachse variiert werden kann. Diese Bauform stammt aus dem Rennsport, wo je nach Strecke, Witterung, Temperatur und weiteren Einflüssen Bremsscheiben mit verschiedenen Durchmessern montiert werden. Radial verschraubte Bremssättel lassen sich an den Durchmesser der verwendeten Bremsscheibe anpassen. Dazu wird der Abstand zwischen Radachse und Bremssattel durch Unterlegscheiben zwischen dem Bremssattel und der Bremssattelaufnahme an der Vorderradgabel variiert. So müssen die Bremssättel und Beläge nicht getauscht werden. Dies spart Zeit und erleichtert das Umrüsten, da keine Montage an der Hydraulik erforderlich ist.
Betätigung
Weil der Arbeitsweg der Bremsbeläge meist nur wenige Millimeter beträgt und die verwendeten Materialien sehr hart sind, bietet es sich an, die Bremse über eine Übersetzung zu betätigen. Diese kann hydraulisch oder mechanisch erreicht werden.
Hydraulik
Da bei der Scheibenbremse wegen der fehlenden Selbstverstärkung (C* = 0,76) ein höherer Anpressdruck als bei einer Trommelbremse benötigt wird, ist die hydraulische Übersetzung zwischen Hauptbremszylinder und Radbremszylinder größer. Daher gehören seit Ende der 1980er Jahre Bremskraftverstärker auch schon bei leichteren PKW zur Serienausrüstung.
Mechanik
Aus Kostengründen kommen an Fahrrädern manchmal seilzugbetätigte Scheibenbremsen zum Einsatz. Man spricht oft auch von vereinfachend mechanische Scheibenbremsen. Die nötige Übersetzung wird dabei dadurch erreicht, dass die Bremsbeläge durch ein Gewinde an die Bremsscheibe herangeführt werden. Ein Hebel erhöht das Übersetzungsverhältnis weiter und erzeugt viel Bewegung, die nötig ist, um den Abrieb im Bowdenzug niedrig zu halten und Verkeilen zu verhindern.
Handbremse
Bei Fahrzeugen mit vier Scheibenbremsen wirkt die Handbremse meistens auf die Hinterräder. Dabei werden zwei unterschiedliche Bauarten verwendet. Einmal werden die Bremsbeläge über ein Hebelsystem am Bremssattel an die Bremsscheibe gepresst, und somit eine Bremswirkung erzielt. Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass die hinteren Bremsscheiben mit einer kleinen, innenliegenden Bremstrommel ausgebildet sind und darin eine konventionelle Bremse mit Bremsbacken eingebaut ist.
Beeinträchtigungen der Bremsleistung
Generell erlauben gute Kühlung und hoher Anpressdruck, mit Scheibenbremsen große Verzögerung zu erzeugen. Die maximale Bremskraft hängt dabei von den Reibwerten der verwendeten Materialien, der aktuellen Temperatur und dem Druck, mit dem die Bremsklötze auf die Scheibe gedrückt werden, ab. In der Praxis spielen auch Verunreinigungen wie Staub, Nässe oder Ölrückstände eine Rolle.
Bei häufigen leichten Bremsungen mit leicht verschmutzten Bremsscheiben kann es zu Glasbildung auf den Scheiben und Belägen kommen. Diese äußert sich dann mit schlechterem Bremsverhalten. Um die Bremsanlage zu pflegen, werden bei modernen Personenwagen während der Fahrt die Bremsbeläge automatisch von Zeit zu Zeit mit geringen Druck an die Bremsscheibe angelegt, um die Schicht mit den Verunreinigungen zu entfernen. Geschieht dies nicht und ist eine Verglasung bereits eingetreten, müssen die Verschleißteile erneuert werden oder die Schicht abgebremst werden.
Kühlung
Wie bei allen Reibungsbremsen wird auch bei der Scheibenbremse beim Bremsen die kinetische Energie des Fahrzeugs vollständig in Wärme umgewandelt. Diese Wärmeenergie wird zunächst hauptsächlich in der Bremsscheibe gespeichert, wodurch sich diese stark erwärmt. Bei Scheibenbremsen liegen die Bremsflächen frei und können daher die Wärme schnell wieder an die Umgebungsluft abgeben. Zur besseren Wärmeabfuhr kann die Bremsscheibe innenbelüftet ausgeführt werden. Hingegen erlauben Trommelbremsen wegen der im Verhältnis zum Volumen geringeren Oberfläche nur eine mäßige Wärmeabfuhr.
Eine beispielhafte Berechnung zur Erwärmung einer Bremse findet sich im Artikel Bremsscheibe.
Innenbelüftung
So genannte Innenbelüftete Bremsscheiben besitzen innenliegende radiale Kühlluftkanäle. Damit wird die Fläche zur Abgabe der Wärme an die Luft vergrößert und bei Drehung durch die Zentrifugalkraft ein Luftstrom erzeugt (Prinzip eines Radiallüfters). Dadurch wird die Gefahr nachlassender Bremswirkung (Bremsfading) infolge steigender Temperatur reduziert. Nachteile sind die größere Baubreite und benötigte Festigkeit des Bremssattels und das höhere Gewicht, das die ungefederten Massen erhöht. Eine höhere Masse der Bremsscheibe ist jedoch nicht nur nachteilig, da dadurch eine größere Wärmemenge aufgenommen und gespeichert werden kann.
Lochung
Bremsscheiben für höhere Anforderungen, beispielsweise im Motorsport, sind häufig gelocht, das heißt, sie sind mit kleinen Bohrungen in der gesamten Bremsfläche versehen. Dies hat einen positiven Effekt auf das Ansprechverhalten bei Nässe, da sich zwischen Bremsklotz und Bremsscheibe kein Dampfpolster durch das verdampfende Wasser aufbauen kann. Auch die thermischen Spannungen im Material durch den Wärmeeintrag bei einer Bremsung sind damit besser beherrschbar als bei Vollscheiben. Diese Vorteile werden allerdings mit einem erhöhten Belagverschleiß erkauft: Durch den hohen Anpressdruck führt die Kompressibilität des Belages vor allem bei hohen Temperaturen zu erhöhtem Verschleiß an den Bohrungen. Bei Porsche-Bremsen werden die Löcher nicht gebohrt, sondern aus Stabilitätsgründen mit der Scheibe direkt gegossen.
Schlitzung
Geschlitzte Scheibenbremsen tragen auf der Scheibenoberfläche schräg nach außen (bei Vorwärtsfahrt) verlaufende Nuten, um zum einen eine bessere Belüftung, zum anderen einen verbesserten Abtransport von Nässe und Bremsbelagabrieb zu erzielen. Sie sind zusätzlich in gelochter Ausführung erhältlich.
Moderne Werkstoffe
Weitere Konstruktionsvarianten sind die Compound-Bremse und die Keramikverbundbremse (z. B. Porsche PCCB), bei der der Reibring nicht aus Metall sondern aus einem Keramikverbundstoff besteht. Die Keramikbremsscheibe ist ca. 50 % leichter als eine gleich große Graugussscheibe, die damit erreichte Reduzierung der ungefederten Massen verbessert die Dämpfungseigenschaften des Fahrwerks. Außerdem führt das Aluminium die entstehende Hitze deutlich besser ab, als reine Keramik, was die Bremsscheibe deutlich temperaturstabiler macht und damit Fading minimiert. Darüber hinaus ist sie extrem verschleißarm, korrosionsfrei und hat ein besseres akustisches Dämpfungsvermögen. Allerdings sind die Kosten gegenüber Stahlscheiben um ein Vielfaches höher, was eine Massenanwendung derzeit verhindert.
In hochmotorisierten und hochpreisigen PKW der Luxus- und Sportwagenklasse werden inzwischen Bremsscheiben aus Carbon-Keramik, einer speziellen Variante der keramischen Faserverbundwerkstoffe angeboten, die neben Kohlenstofffasern auch Siliciumcarbid enthält. Diese Scheiben haben durch geringeren Verschleiß und bessere Korrosionsbeständigkeit eine höhere Lebensdauer und zeigen stabile Bremswerte, da bei steigender Betriebstemperatur die Bremsleistung kein Fadingverhalten zeigt. Wegen des im Vergleich zu Metallscheiben um 40 % reduzierten Gewichtes sind bei den Fahrzeugen die ungefederten Massen der Räder kleiner, wodurch das Fahrverhalten verbessert wird. Die höheren Betriebstemperaturen, die die Scheiben problemlos vertragen, sind begrenzt durch in der Nähe befindliche Stoffe wie zum Beispiel Reifen und Bremsflüssigkeit.
Ein ähnliches Material, nämlich mit Kohlenstofffasern verstärkter Kohlenstoff (Werkstoff C/C), wird als modernes Bremsscheibenmaterial schon länger wegen seines geringeren Gewichtes in Bremsscheiben von Passagierflugzeugen und im Automobilrennsport eingesetzt. Das C/C-Material zeigt allerdings erst nach kurzer Ansprechzeit gute Bremsleistungen, wenn nämlich durch die Erhitzung die Feuchtigkeit auf der Oberfläche entfernt worden ist. Feuchtigkeitshaltige Kohlenstoffoberflächen zeigen (Graphit dient als Trockenschmiermittel) nur geringe Reibungskoeffizienten.
Einzelnachweise
- ↑ Chronik der Technik, Seite 359. Weltbild-Verlag 1997 ISBN 3-86047-134-1
Literatur
- Bert Breuer, Karlheinz H. Bill: Bremsenhandbuch: Grundlagen, Komponenten, Systeme, Fahrdynamik. Vieweg+Teubner, 2006, ISBN 978-3-8348-0064-0
- MAN Nutzfahrzeuge Gruppe: Grundlagen der Nutzfahrzeugtechnik Kirschbaum Verlag, 2004, ISBN 3-7812-1640-3
Weblinks
Commons: Scheibenbremse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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