Lieferkette

Lieferkette
Traditionelle Auffassung einer Lieferkette als Triade um ein Unternehmen; die Pfeile symbolisieren Lieferantenpflege, Internes SCM und Kundenpflege.[1]
Moderne Auffassung einer Lieferkette als komplexes und dynamisches Lieferanten- und Kundennetzwerk.[2]

Mit Lieferkette (engl. supply chain [səˈplaɪ tʃeɪn]) wird das Netzwerk von Organisationen bezeichnet, die über vor- und nachgelagerte Verbindungen an den verschiedenen Prozessen und Tätigkeiten der Wertschöpfung in Form von Produkten und Dienstleistungen für den Endkunden beteiligt sind. Das Konzept der Lieferkette gehört zum Standardrepertoire der Wirtschaftswissenschaften. Insbesondere ist es Gegenstand des Supply-Chain-Managements (Lieferkettenmanagement). Abzugrenzen ist die Lieferkette von der Wertkette und der Transportkette.

Inhaltsverzeichnis

Definition

In einer weit verbreiteten Definition bezeichnet Christopher (1998) eine Lieferkette als das Netzwerk von Organisationen, die über vor- und nachgelagerte Verbindungen an den verschiedenen Prozessen und Tätigkeiten der Wertschöpfung in Form von Produkten und Dienstleistungen für den Endkunden beteiligt sind.[3] Die Lieferkette berücksichtigt somit ein Unternehmen, dessen Zulieferer, die Zulieferer der Zulieferer usw. sowie dessen Kunden, die Kunden der Kunden usw. Zu beachten ist dabei insbesondere, dass auch der Endkunde Teil der Lieferkette ist. In einer engen Auffassung wird die Lieferkette als Triade aus direkten Lieferanten, eigenem Unternehmen und direkten Kunden verstanden; dieser Auffassung fehlt die ganzheitliche, integrierende Betrachtung von den Rohstofflieferanten bis zu den Endkunden.

Lieferkette vs. Liefernetz

Die Begriffe „Supply Chain“ und „Lieferkette“ sind irreführend: Einerseits deckt eine Lieferkette nicht nur die Lieferantenseite (supply) ab, sondern auch die Kundenseite und führt somit vom Rohstofflieferanten bis zum Endkunden; andererseits handelt es sich bei ihr nicht um eine „Kette“ (chain), sondern vielmehr um ein „Netzwerk“.[2] Es wird daher auch vorgeschlagen statt Lieferkette den treffenderen Begriff Liefernetz (supply network) zu verwenden.[4] Im Deutschen ist auch der Begriff Zuliefernetzwerk (Zulieferpyramide) gebräuchlich, wobei hierbei häufig nur die vorgelagerten Stufen der Wertschöpfung gemeint sind, insbesondere jedoch der Endkunde nicht als dessen Bestandteil angesehen wird.

Lieferketten als Gegenstand des Supply-Chain-Managements

Hauptartikel: Supply-Chain-Management

Mit der Zunahme internationaler Kooperationen und vertikaler Integration sowie der Fokussierung auf Kernkompetenzen haben Unternehmen akzeptiert, dass sie Elemente vernetzter Lieferketten sind.[1] Scharfer Wettbewerb in globalen Märkten, kurze Lebensdauern bei der Produkteinführung und hohe Kundenerwartungen haben Lieferketten ins Zentrum betriebswirtschaftlicher Entscheidungen gerückt.[5] Die Feststellung im modernen Management, dass Lieferketten im Wettbewerb stehen und nicht individuelle Geschäftseinheiten hat das Supply-Chain-Managements (SCM; Lieferkettenmanagement) hervorgebracht.[6] Durch Emergenz stellen sich bei Betrachtung des Systems „Lieferkette“ im Supply-Chain-Management ganz neuartige Fragestellungen, die im System „Unternehmen“ in der Betriebswirtschaftslehre so nicht auftraten, Insbesondere ist das SCM geeignet, den in Lieferketten auftretenden Peitscheneffekt (bullwhip effect) zu verringern und mithilfe der Aufschubstrategie (postponement) Fertigungs- und Logistikentscheidungen näher an den Endkunden zu verlagern. Aufgrund ihrer besonderen Systemeigenschaften wird die Lieferkette von einigen Autoren auch als komplexes adaptives System aufgefasst, was Auswirkungen auf ihr Management hat.[7]

Waren-, Informations- und Finanzflüsse

In Lieferketten werden häufig Waren- (und Dienstleistungs-), Informations- und Finanzflüsse unterschieden: Waren und Dienstleistungen fließen in der Lieferkette vom Hersteller zum Verbraucher. Geld fließt in der Lieferkette in der Gegenrichtung: vom Verbraucher zum Hersteller. Die zu dieser Kette gehörenden Informationen fließen zuerst vom Verbraucher zum Hersteller (z. B. Bestellung eines Buches im Geschäft. Dieses bestellt es dann beim Verlag, der wiederum für die Produktion seine Mittel bestellt usw.). Die warenbegleitenden Informationen fließen entweder mit ihnen (z. B. Lieferschein) oder gehen diesen voraus (z. B. Lieferavis).

Wird die Lieferkette vom Rohstoff bis zum Verbraucher verfolgt, so lässt sich erkennen, in welchem Maße und wofür der Rohstoff gebraucht wird. Außerdem wird deutlich, wie weitreichende Konsequenzen Preisveränderungen des Rohstoffs haben können. Wird die Lieferkette vom Verbraucher zum Rohstoff zurückverfolgt, so lässt sich erkennen, was alles für die Erzeugung eines Endprodukts verbraucht wurde. Damit lassen sich auch Auswirkungen von Nachfrageänderungen abschätzen.

Beispiel

Man betrachte einen Rohstoff, zum Beispiel Kohle:

  1. Diese wird in einem Bergwerk oder Tagebau gefördert und an ein Stahlwerk verkauft.
  2. Das Stahlwerk verfeuert die Kohle und stellt daraus Stahlstreben her. Diese werden an einen
  3. Automobilzulieferer verkauft, der sie in ein Karosserie-Teil verarbeitet, welches an einen
  4. Automobilhersteller verkauft und dort zu einem Auto verbaut wird.
  5. Dieses Auto wird an einen Händler verkauft und landet schließlich beim
  6. Verbraucher, indem dieser das Auto kauft.

Siehe auch

Literatur

  • Sunil Chopra, Peter Meindl: Supply Chain Management. Strategy, Planning, and Operation. 3rd Ed. Upper Saddle River, 2007
  • Hartmut Stadtler, Christoph Kilger: Supply Chain Management and Advanced Planning: Concepts, Models, Software, and Case Studies. Berlin / Heidelberg 2005.

Einzelnachweise

  1. a b vgl. I. J. Chen, A. Paulraj: Towards a theory of supply chain management: the constructs and measurements. In: Journal of Operations Management, 22/2, 2004, 119–150
  2. a b vgl. Andreas Wieland, Carl Marcus Wallenburg (2011): Supply-Chain-Management in stürmischen Zeiten. Berlin.
  3. Im englischen Original: “the network of organizations that are involved, through upstream and downstream linkages, in the different processes and activities that produce value in the form of products and services in the hands of the ultimate consumer.” Martin Christopher: Logistics and Supply Chain Management. Strategies for Reducing Cost and Improving Service. 2nd Ed., London 1998, S. 15.
  4. vgl. bspw. Sunil Chopra, Peter Meindl: Supply Chain Management. Strategy, Planning, and Operation. 3rd Ed. Upper Saddle River, 2007, S. 4.
  5. vgl. David Simchi-Levi, Philip Kaminsky, Edith Simchi-Levi: Designing and Managing the Supply Chain: Concepts, Strategies and Case Studies. 3rd Ed., Boston 2008, S. 1.
  6. vgl. Douglas M. Lambert, Martha C. Cooper, Janus D. Pagh: Supply Chain Management: Implementation Issues and Research Opportunities. In: The International Journal of Logistics Management, Vol. 9, No 2, 1998, S. 1–19.
  7. Choi, T.Y.; Dooley, K.J.; Rungtusanatham, M. (2001): Supply networks and complex adaptive systems: control versus emergence. Journal of Operations Management, Vol. 19, No. 3, pp. 351-366.

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