- Anthrax-Anschläge 2001
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Die „Anthrax attacks“ von 2001 in den USA wurden im Verlauf mehrerer Wochen nach dem 18. September 2001 (eine Woche nach den Terroranschlägen am 11. September 2001) verübt. Briefe mit Milzbranderregern wurden an mehrere Nachrichtensender und Senatoren verschickt. Fünf Menschen starben. Ein Nachspiel der Anschläge war der Erlass des Anti-Terrorgesetzes USA PATRIOT Act. Am 6. August 2008 beschuldigten FBI und Justizministerium Bruce Edwards Ivins, alleinig für die Anschläge verantwortlich gewesen zu sein, eine Woche zuvor beging er Selbstmord.[1]
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Zwei Wellen von Anschlägen mit Milzbrand-Sporen wurden verübt:
Am 18. September 2001 wurden fünf Briefe verschickt, die ein braunes granuläres Material enthielten. Die Briefe trugen Poststempel eines Briefzentrums in Trenton im Bundesstaat New Jersey und waren an drei Nachrichtensender und zwei Zeitungen adressiert, vier von den Adressen in New York City.
Drei Wochen später wurden zwei weitere Briefe, mit Poststempel vom 9. Oktober 2001, vom Briefzentrum in Trenton aus verschickt. Diese Briefe enthielten eine weitaus potentere Form des Anthrax-Erregers. Sie waren an zwei demokratische Senatoren adressiert, Tom Daschle (Bundesstaat South Dakota) und Patrick Leahy (Bundesstaat Vermont). Der Brief an Daschle wurde am 15. Oktober von einem Mitarbeiter geöffnet. Die regierungsinterne Postverteilung wurde daraufhin stillgelegt. Der ungeöffnete Brief an Leahy wurde am 16. November in einem beschlagnahmten Postsack sichergestellt. Aufgrund einer falsch entzifferten Postleitzahl wurde der Brief an eine Nebenstelle des US-Außenministeriums in Sterling (Virginia) fehlgeleitet. Der dortige Mitarbeiter in der Poststelle, David Hose, atmete Sporen des Milzbranderregers ein.
Die Briefe an die Senatoren waren weitaus wirksamer als die Briefe der ersten Milzbrand-Attacke. Sie enthielten sehr feines, trockenes Pulver, welches aus etwa einem Gramm fast reiner Sporen bestand. Das Material wurde von einer Professorin der State University of New York, Barbara Hatch Rosenberg, als „weaponized“ bzw. „weapons grade“ (waffentauglich) bezeichnet. Die Washington Post meldete aber im September 2006, dass das FBI diese Einschätzung nicht mehr teile.
22 Menschen entwickelten eine Milzbrand-Infektion, elf über den lebensbedrohlichen Inhalationsweg. Fünf starben an den Folgen der Milzbrand-Infektion. Neben dem ersten Opfer, Robert Stevens aus Florida, der bei dem Adressaten der Briefe American Media arbeitete, erlagen zwei weitere Personen auf unbekannte Weise dem Milzbranderreger, vermutlich über eine Kreuzkontamination der Briefe [2]: Kathy Nguyen, eine vietnamesische Immigrantin, die im New Yorker Stadtbezirk Bronx wohnte und in New York City arbeitete, sowie Ottilie Lundgren, die 94-jährige Witwe eines prominenten Richters aus Oxford (Connecticut). Sie stellte das letzte Opfer der Anschlagserie dar. Zwei weitere Opfer, Thomas Morris jr. und Joseph Curseen, waren in der Post in Brentwood, Washington D. C., beschäftigt.
Die Briefe
Es wird davon ausgegangen, dass die Briefe mit dem Milzbranderreger aus Princeton (New Jersey) verschickt wurden. Im August 2002 stießen Ermittler auf Milzbrandsporen an einem öffentlichen Briefkasten auf der Nassau Street nahe dem Campus der Princeton University. Ungefähr 600 Briefkästen wurden auf Milzbrand hin untersucht. Nur der Briefkasten auf der Nassau Street fiel im Test positiv aus.
Die Briefnotizen
Die Briefe an die New York Post und an die NBC News enthielten folgende Worte:
- 09-11-01
- THIS IS NEXT
- TAKE PENACILIN NOW
- DEATH TO AMERICA
- DEATH TO ISRAEL
- ALLAH IS GREAT
Der Inhalt der Briefe an die Senatoren Daschle und Leahy lautete:
- 09-11-01
- YOU CAN NOT STOP US.
- WE HAVE THIS ANTHRAX.
- YOU DIE NOW.
- ARE YOU AFRAID?
- DEATH TO AMERICA.
- DEATH TO ISRAEL.
- ALLAH IS GREAT.
Die Absenderadresse der Briefe an Daschle und Leahy lautete:
- 4th Grade
- Greendale School
- Franklin Park NJ 08852
Die angegebene Adresse des Absenders ist frei erfunden. Franklin Park, New Jersey existiert zwar, aber die Postleitzahl 08852 bezieht sich auf die nahegelegene Monmouth Junction, New Jersey. Es existiert keine Greendale School in New Jersey, nur eine Greenbrook Elementary School im benachbarten South Brunswick Township, New Jersey, welches einen Teil der Monmouth Junction bildet.
Das Milzbrandmaterial
Die Briefe enthielten mindestens zwei verschiedene Stufen des Milzbranderregers: Ein grobes braunes Material in den Briefen an die Medien und ein feines Pulver an die Senatoren. Zudem wird angenommen, dass das Milzbrandmaterial, das an eine alte Briefkastenadresse des National Enquirer gesendet und später an die American Media (AMI) weitergeleitet wurde, eine Zwischenstufe der Qualität ähnlich der Milzbrandqualität in den Senatorenbriefen war. Das bräunliche granuläre Sporenpulver an die Medienagenturen in New York City verursachte nur Hautinfektionen. Der Milzbrand an die Senatoren und an AMI in Florida verursachte eine weitaus gefährlichere Form der Infektion über Inhalation.
Obwohl die Herstellungsqualitäten des Milzbrands unterschiedlich waren, stammte sämtliches Material von demselben bakteriellen Erregerstamm – bekannt unter dem Namen Ames-Stamm, der im Biowaffenlager der U.S. Army Medical Research Institute of Infectious Diseases (USAMRIID), Fort Detrick Maryland hergestellt wurde. Der Ames-Stamm wurde mindestens an fünfzehn biologische Untersuchungslaboratorien innerhalb der USA und sechs in Übersee verteilt. Die bei den Anschlägen verwendeten Sporen gehörten zu einer genetischen Variante (RMR-1029), welche in einer einzigen Flasche aufbewahrt wurden, welche sich im Labor von Ivins befand.[3]
Anfang Dezember 2001 wurde eine DNA-Sequenzierung des Milzbrands des ersten Opfers Robert Stevens unter der Leitung des The Institute for Genomic Research vorgenommen. Innerhalb eines Monats war die Untersuchung abgeschlossen. Die Analyse wurde im Journal Science 2002 veröffentlicht.[4] Die Analyse enthüllte eine Reihe von Unterschieden, die auf Untersuchungen aus Laboratorien in England basierten. Eine anschließende Testreihe zeigte, dass der Milzbrand identisch war mit dem ursprünglichen Ames-Stamm aus Fort Detrick.
Eine Radiokohlenstoffdatierung, geleitet von dem Lawrence Livermore National Laboratory im Juni 2002, wies nach, dass der Milzbrand nicht mehr als zwei Jahre vor dem Versenden der Briefe mikrobiologisch kultiviert worden war. Im Oktober 2006 wurde berichtet, dass das Wasser, das für die Entwicklung der Milzbrandsporen benötigt wurde, aus einer Quelle im Nordosten der USA stammte. Laut Presseberichten 2003 waren Versuche des Reverse Engineering zur Rekonstruierung des Milzbrands aus den Briefen unter der Leitung des FBI fehlgeschlagen.
Ermittlungen
Gegen den US-Wissenschaftler Steven Hatfill wurde wegen des Verdachts ermittelt, er sei der Urheber der Anthrax-Anschläge, das Verfahren wurde von den US-Behörden wieder eingestellt. Eine Klage von Hatfill gegen die US-Behörden endete im Juli 2008 mit einem Vergleich und der Zahlung von 5,8 Mio. Dollar an Hatfill.[5]
Ein bei der US-Armee im Bundesstaat Maryland beschäftigter Wissenschaftler namens Bruce Edwards Ivins soll Medienberichten zufolge am 29. Juli 2008 mit einer Überdosis von Paracetamol Suizid begangen haben, kurz bevor amerikanische Strafverfolgungsbehörden wegen der Anschläge von 2001 Anklage gegen ihn erheben konnten.[6] Am 6. August 2008 verkündeten Ermittler des FBI, dass Ivins auf der Grundlage aller gesammelten Beweise der einzig Verantwortliche für die Anthrax-Anschläge war. Zugleich wurden Teile der Ermittlungsakten freigegeben.[7] Hauptindizien gegen Ivins war eine nicht gemeldete Kontaminierung seines Büros 2001 mit Anthrax und laut seinem Bruder eine depressive Veranlagung und ein Hang zu Allmachtsfantasien. Zudem hatte Ivin jeweils vor den Tagen des Anthrax-Versands nächtliche Überstunden im Labor verbracht.[8] Ivins Anwalt hingegen sagte, dass der unerbittliche Druck der Ermittler und die Anspielungen zum Suizid seines Mandanten geführt hätten. [9]
Die Ermittlungen wurden am 19. Februar 2010 eingestellt. Bruce Edwards Ivins wurde vom FBI zum alleinigen Täter erklärt. [10] Ob die Indizien hierzu ausreichend waren, ist umstritten. Die durch das FBI in Auftrag gegebene Evaluation der wissenschaftlichen Untersuchungen durch die National Academy of Science stand zum Zeitpunkt der Beendigung der Ermittlungen noch aus. Jeffrey Adamovicz, früherer Chef von Ivins, ist nicht von der Schuld Ivins überzeugt, da Ivins weder Know-How noch Ausrüstung hierfür besessen habe. [11]
Seine Angaben decken sich mit den Berechnungen weiterer Beobachter, dass alleine die Menge an benötigtem Anthrax nicht von Ivins hergestellt werden könne, da es circa 65 Wochen bei zwei Herstellungsgängen pro Woche dauern würde und ein Gesamtvolumen von etwas 260 Liter benötigt worden wäre, was sicherlich aufgefallen wäre. Heine spricht sogar von 50 Wochen non-stop Arbeit, um die Menge an Milzbrand anzuzüchten.
Die unter dem FOIA veröffentlichte "AMERITHRAX INVESTIGATIVE SUMMARY", sei an mehreren Stellen irreführend. So wird beispielsweise Ivins einfacher Zugang zu einem Fermenter und Lyophiliser betont, obwohl der Fermenter nach Zeugenaussagen in fraglichem Zeitraum nicht benutzt wurde und sogar defekt war. Der Lyophiliser befände sich nicht in einem Sicherheitslabor und sei nicht für Anthrax benutzt worden, da dies zu einer weitführenden Kontamination des Areals und unausweichlich zu Infektionen der ungeimpften Mitarbeiter geführt hätte. Das FBI führt des weiteren Ivins Arbeitszeiten zu ungewöhnlichen Abendstunden an. Abgesehen davon, dass diese Zeiten zu kurz seien, um Milzbrand für die Briefe herzustellen, hält Gerry Andrews, ein weiterer Bakteriologie-Chef am USAMRIID, die Zeiten für irrelevant, da die Sporen bereits 1997 hergestellt worden sein könnten. Die Zeiten ließen sich auch durch Ivins Mitarbeit an Impfstoffstudien (Tierversuche) erklären, welche nach Angaben von Kollegen Betreuung brauchten.
Literatur
- Leonard A. Cole: The Anthrax Letters. A Medical Detective Story. Joseph Henry Press, Washington/DC 2003, ISBN 0-309-08881-X
- Kenneth J. Dillon: Intriguing Anomalies: An Introduction to Scientific Detective Work. Scientia Press, Washington/DC 2008, ISBN 0-9642976-8-X
- Robert Graysmith: AMERITHRAX: The Hunt for the Anthrax Killer. Berkley Books, New York 2003, ISBN 0-425-19190-7
- Philipp Sarasin: Anthrax: Bioterror als Phantasma. Suhrkamp. 2004, ISBN 978-3-518-12368-3 (Inhaltsangabe, englisch)
- Marilyn W. Thompson: The Killer Strain, Anthrax and a Government Exposed. HarperCollins, New York 2003, ISBN 0-06-052278-X
Weblinks
- Wusste man im Weißen Haus schon frühzeitig von drohenden Anthrax-Anschlägen? (Heise.de, 9. Juni 2002)
- Auf der Spur der Anthrax-Briefe (mit zahlreichen Quellenangaben) (Heise.de, 18. Dezember 2001)
- Was Abderraouf Jdey the Anthrax Mailer?
Einzelnachweise
- ↑ Officials Say Documents Tie Scientist to Anthrax Attack
- ↑ Emerging Infectious Diseases • Vol. 9, No. 6, June 2003 (englisch)
- ↑ Zusammenfassung des FBI-Berichtes, Seite 26-29 (englisch)
- ↑ DNA-Analyse des Milzbrands des ersten Opfers (englisch)
- ↑ NPR-News: Justice Department Settles Anthrax Probe Suit (englisch)
- ↑ Yahoo News/Associated Press: Dead Army vaccine scientist eyed in anthrax probe (englisch)
- ↑ Die Presse: FBI: Anthrax-Anschläge von 2001 sind aufgeklärt, 7. August 2008
- ↑ Zusammenfassung des FBI-Berichtes, Seite 26-29 (englisch)
- ↑ Welt online: FBI erklärt Mikrobiologen zum Anthrax-Täter, 7. August 2008
- ↑ http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32126/1.html
- ↑ http://www.fredericknewspost.com/sections/news/display.htm?storyID=101651
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