Anthropological Research Facility

Anthropological Research Facility

Als Body Farm wird im allgemeinen ein Gelände bezeichnet, auf dem wissenschaftliche Studien zu postmortalen Veränderungen an Menschen, also über Verwesungsprozesse von Leichen, an freier Luft erfolgen können. Weltweit gibt es bis heute nur zwei solcher Einrichtungen, beide befinden sich in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Anthropologin Shamshad (Roma) Khan plant die Einrichtung einer dritten, der Investigative Scientific & Anthropological Analysis Facility (INSAAF) in Indien.

Inhaltsverzeichnis

Body Farm der University of Tennessee

Koordinaten: 35° 56' 24.1" N, 83° 56' 20.2" WNN

Im engeren Sinne ist mit dem Begriff Body Farm ein zur University of Tennessee gehörendes Gelände gemeint. Offiziell trägt das etwa 12.000 m² große Gelände den Namen Anthropological Research Facility (ARF). Das bewaldete Grundstück liegt einige Meilen vom Campus der Universität in Knoxville (Tennessee) entfernt und wird vom Department of Anthropology betreut. Dies hängt damit zusammen, dass in den USA Obduktionen von Fachärzten für Pathologie vorgenommen werden. Diese haben meist eine Zusatzausbildung in Rechtsmedizin, heißen deshalb forensic pathologist. Ein Rechtsmediziner in Deutschland muss dagegen nicht zwangsläufig auch Pathologe sein. Das gut gesicherte Gelände darf nur von Wissenschaftlern, in erster Linie Anthropologen und Kriminologen sowie freiwilligen Körperspendern betreten werden.

Das Gelände selbst war ursprünglich eine Mülldeponie, bis es 1971 von dem forensischen Anthropologen William M. Bass umfunktioniert wurde. Es war bis 2006 das einzige Freiluft-Labor weltweit, auf dem Wissenschaftler den Zerfall menschlicher Leichen untersuchen konnten. Untersucht werden beispielsweise Einflüsse von Todesart, Alter, Geschlecht, Witterung oder Leichenlagerung auf die Verwesungsgeschwindigkeit. Der Verwesungsprozess wird dazu dokumentiert, alle 6 Stunden werden die Leichen von Digitalkameras fotografiert, gleichzeitig werden Randbedingungen, wie Lufttemperatur oder Luftfeuchtigkeit, aufgezeichnet. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Oak Ridge National Laboratory werden Geruchsproben entnommen und anschließend gaschromatographisch und massenspektrometrisch auf ihre Zusammensetzung hin analysiert. Entomologen untersuchen die Besiedelung der Leichen durch Insekten. Das Gelände wird auch zur Ausbildung von Special Agents des FBI genutzt, die dort einen zu ihrer Ausbildung gehörenden Grundkurs in forensischer Entomologie absolvieren. Ursprünglich fand dieser Outdoor Recovery Course an der FBI-Academy in Quantico, Virginia, statt, fiel aber einer Budgetkürzung zum Opfer.

Auf der Body Farm liegen stets rund 40 Leichen in unterschiedlichen Verwesungsstadien. Trotz relativ restriktiver Bedingungen - keine ansteckenden Krankheiten, Übernahme der Transportkosten nur im Umkreis von 200 Meilen - übersteigt die Anzahl an Körperspenden den jährlichen Bedarf der Fakultät. Vollständig verweste Leichen werden im Rahmen einer einmal jährlich stattfindenden Clean Up Party vom Gelände entfernt. Die Skelette werden, in Abhängigkeit vom letzten Willen des Spendenden, bestattet oder der William M. Bass Donated Skeletal Collection, der weltweit umfangreichsten Skelettsammlung, hinzugefügt.

Nach der Emeritierung von William M. Bass übernahm Murray Marks dessen Aufgaben, offiziell verantwortlich ist Richard Jantz, der einst Humboldt-Stipendiat in Deutschland war. Diverse Artefakte aus der Zeit von Bass existieren aber noch heute, so ein großes, von Hand gemaltes Schild mit seiner privaten Telefonnummer und zwei typische US-Briefkästen, die Bass für „Post“ angebracht hatte.

Diese erste und lange Zeit einzige Body Farm wird in verschiedenen Sachbüchern beschrieben, in Romanen erwähnt, es gibt zwei Dokumentarfilme und sie war Drehort zweier populärer Fernsehserien:

  • Im Buch Death's Acre - Inside the Legendary Forensic Lab - The Body Farm - Where the Dead do Tell Tales (dt. Titel: "Der Knochenleser. Der Gründer der legendären Body Farm erzählt") beschreibt der Gründer, William B. Bass, zusammen mit dem Dokumentarfilmer und Autor Jon Jefferson in 20 Kapiteln ausführlich und detailgetreu die Entwicklung der Einrichtung und berichtet über spannende Fälle.
  • Der in Deutschland sehr bekannte Kriminalbiologe, Mark Benecke, besuchte die Body Farm im März 2002 und schildert seine Erfahrungen in dem Buch Mordmethoden - Ermittlungen des bekanntesten Kriminalbiologen der Welt. In seinem Newsletter schreibt Benecke:

„Schwer staunen musste der Autor übrigens, als er eine der lockeren Leichen-Abdeckungen auf der "Body Farm" wegzog. Zwar summte ein sehr beachtlicher Fliegen-Schwarm auf, statt des erwarteten Fäulnis-Stadiums lag aber eine fast unberührte, wächserne Leiche im Gras.“

Mark Benecke in Sero News 7:57-61 (2002)

  • Eine weitere Besucherin war die Autorin Mary Roach, ihre Eindrücke schildert sie in einem Kapitel ihres Buches Stiff: The Courious Lives of Human Cadavers.
  • Die Hauptfigur der Autorin Patricia Cornwell, Kay Scarpetta, benötigt die Mithilfe der Einrichtung zur Auflösung eines Mordfalls im gleichnamigen Kriminalroman Body Farm.
  • Weiterhin benutzte der Autor Simon Beckett die Body Farm als Inspiration seiner Thriller Die Chemie des Todes und Leichenblässe.
  • Der Autor und Dokumentarfilmer Jon Jefferson drehte im Auftrag des National Geographic Channel zwei Dokumentationen über die Body Farm, Biography of a Corpse und Anatomy of a Corpse.
  • Der WDR-Dokumentarfilm Dinge, die man tun kann, wenn man tot ist (2007), geht über weite Strecken auf die Body Farm ein.
  • Die Dreharbeiten der CSI-Folge Burden of Proof - Die Last der Beweise und der Dead Zone-Folge Coming Home - Im Wald der Toten fanden auf dem Gelände der Body Farm statt.

Body Farm der Western Carolina University

Die zweite Body Farm wurde 2006 an der Western Carolina University in Cullowhee (North Carolina) eingerichtet und gehört zum Western Carolina Human Identification Laboratory. Auch auf diesem Gelände finden wissenschaftliche Studien über Verwesungsprozesse statt. Ein weiterer Zweck ist die Ausbildung von Leichenspürhunden.

Literatur

  • W.M. Bass, J. Jefferson: Death's Acre: Inside the Legendary Forensic Lab - The Body Farm - Where the Dead Do Tell Tales, ISBN 0425198324
  • W.M. Bass, J. Jefferson: Der Knochenleser. Der Gründer der legendären Body Farm erzählt, ISBN 3442153948
  • M. Benecke: Mordmethoden - Ermittlungen der bekanntesten Kriminalbiologen der Welt, ISBN 3785720998
  • M. Roach: Stiff: The Courious Lives of Human Cadavers, ISBN 0393324826
  • Jefferson Bass: Anatomie der Schuld.(Roman / Thriller) ISBN 3442459184.

Weblinks


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