Lothar Berfelde

Lothar Berfelde
Charlotte von Mahlsdorf bei der CSD-Parade 1994 in Berlin

Charlotte von Mahlsdorf (gebürtig Lothar Berfelde; * 18. März 1928 in Berlin-Mahlsdorf; † 30. April 2002 in Berlin) begründete das Gründerzeitmuseum im Gutshaus Mahlsdorf.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jugend

Lothar Berfelde wurde am 18. März 1928 in Berlin als Sohn von Max und Gretchen (geb. Gaupp) Berfelde geboren. Nach ihrer Autobiografie interessierte er sich bereits als Kind für Mädchenkleider und „alten Kram“. Er fühlte sich als Mädchen und half bereits als Jugendlicher dem Kreuzberger Trödelhändler Max Bier, Wohnungen auszuräumen, wobei er einzelne Stücke von seinem Lohn für sich erwarb.

Der Vater war bereits Ende der 1920er Jahre in die NSDAP eingetreten. Zeitweise war er politischer Leiter in Mahlsdorf. 1942 drängte er seinen Sohn zum Eintritt in die Hitler-Jugend. Zwischen Vater und Sohn gab es oft Streit, der eskalierte, nachdem die Mutter 1944 die Familie verlassen hatte. Der Vater forderte den Jungen auf, sich für einen Elternteil zu entscheiden, und drohte mit seinem Dienstrevolver. Infolgedessen erschlug Lothar den Vater mit einem Nudelholz im Schlaf. Nachdem er einige Wochen in der Psychiatrie zubrachte, wurde er im Januar 1945 von einem Berliner Gericht als „asozialer Jugendlicher“ zu vier Jahren Jugendgefängnis verurteilt.

Nachkriegszeit

Mit dem Ende der NS-Herrschaft kam Lothar frei, arbeitete als Trödler und kleidete sich weiblicher. Aus „Lothar“ wurde „Lottchen“, sie liebte Männer und wurde später zur stadtbekannten Figur „Charlotte von Mahlsdorf“.

Sie begann, Haushaltsgegenstände zu sammeln, rettete so aus zerbombten Häusern verschiedene historische Alltagsgegenstände und verdiente ihr Geld durch den Verkauf von Möbeln.

Charlotte von Mahlsdorf mit jugendlichen Besuchern des Gründerzeitmuseums (1977)

Aus der Sammlung entstand 1959/60 das „Gründerzeitmuseum“: sie setzte sich für den Erhalt des vom Abriss bedrohten Gutshaus Mahlsdorf ein und erhielt das komplette Gebäude sogar mietfrei. 1960 eröffnete sie in dem erst teilrekonstruierten Haus ihr Museum von Alltagsgegenständen der Gründerzeit. Die Mulackritze – die letzte komplett erhaltene Berliner Kneipe aus dem Scheunenviertel – rettete sie beim Abriss des Gebäudes 1963 und richtete sie im Keller des Museums wieder im Originalzustand ein. Diese erlangte Bekanntschaft in Film-, Künstler- und Schwulenkreisen und ab 1970 fanden hier oft Treffen und Feiern der Homosexuellenszene (Ost-)Berlins statt. 1972 wurde das alte Gutshaus zu Mahlsdorf unter Denkmalschutz gestellt. 1974 kündigten DDR-Behörden an, das Museum mit den Ausstellungsstücken verstaatlichen zu wollen, worauf Charlotte von Mahlsdorf begann, ihren Besitz an die Besucher zu verschenken.

Durch das Engagement der Schauspielerin Annekathrin Bürger und des Rechtsanwalts Friedrich Karl Kaul (und möglicherweise auch durch die Verpflichtung als Inoffizieller Mitarbeiter des MfS) konnte die Aktion jedoch 1976 beendet werden und Charlotte durfte das Museum behalten.

Heute beherbergt das Gründerzeitmuseum der Charlotte von Mahlsdorf die umfangreichste und vollständigste Sammlung von Gegenständen der Gründerzeit. Im Jahre 2008 begann die umfassende Sanierung des Gebäudes aus Mitteln der Lottostiftung Berlin und dem persönlichen Engagement des Regierenden Bürgermeisters von Berlin Klaus Wowereit.

Das Werk der Charlotte von Mahlsdorf wird in Ehren gehalten. In ihrem Sinne finden im Gutshaus Trauungen jeder Art, sowie umfangreiche Kulturveranstaltungen statt.

Umzug nach Schweden

1991 überfielen Neonazis eines ihrer Feste auf dem Gutshof und verletzten mehrere Teilnehmer. Zu dieser Zeit kündigte sie Überlegungen an, Deutschland verlassen zu wollen. 1992 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz. Der Entschluss, Deutschland zu verlassen, sorgte dafür, dass sie 1995 das letzte Mal Besucher durch das Gründerzeitmuseum führte und 1997 nach Porla Brunn in Schweden umsiedelte. Dort eröffnete sie (mit mäßigem Erfolg) ein neues Jahrhundertwendemuseum.

Das Land Berlin kaufte das Mahlsdorfer Gründerzeitmuseum. Es wurde bereits 1997 vom Förderverein Gutshaus Mahlsdorf e.V. wiedereröffnet. Am 30. April 2002 starb Charlotte von Mahlsdorf während eines Berlinbesuches an einem Herzinfarkt. Sie wurde auf dem Ev. Waldfriedhof an der Rahnsdorfer Straße in Berlin-Mahlsdorf direkt neben ihrer Mutter Gretchen Berfelde beigesetzt.

Kritik an von Mahlsdorf

In den 1990er Jahren wurden Zweifel und Fragen an Teilen ihrer Biographie laut. Bemängelt wurde, dass ihre Autobiografie sowohl für die Zeit des Nationalsozialismus als auch für die DDR-Zeit mehrere Widersprüche enthalte.

Unter anderem wurde in Zweifel gezogen, dass sie Schloss Friedrichsfelde und das Gutshaus in Dahlwitz-Hoppegarten tatsächlich vor dem Abriss gerettet habe, wie in ihren Erinnerungen angegeben. Inzwischen sind jedoch Belege aufgetaucht (abgedruckt als Faksimile im Buch „Nichts darf sinnlos enden!“), die die Mahlsdorfsche Schilderung zumindest von der Rettung des Schlosses Friedrichsfelde glaubwürdig erscheinen lassen.

Weiter wurde von Mahlsdorf vorgeworfen, dass ihre Sammlung zu großen Teilen im „Dritten Reich“ durch Haushaltsauflösungen deportierter Juden entstand und in der DDR durch Haushaltsauflösungen geflüchteter und ausgereister DDR-Bürger vergrößert worden sei. Mahlsdorf war Anfang 1945 allerdings erst 16 Jahre alt. Außerdem wurde bekannt, dass sie sich am 17. November 1971 als Inoffizieller Mitarbeiter beim MfS verpflichtet und unter dem Decknamen „Park“ bis 1976 Informationen geliefert hat. Nachweislich wurde sie zuvor, nämlich im Juli 1970, von der Staatssicherheit beim Verkauf von „Antiquitäten“ erwischt - es handelte sich um alte Standuhren, die für den Staatlichen Kunsthandel wertlos waren. Möglicherweise, doch kann dies nicht bewiesen werden, wurde sie vom MfS zur Mitarbeit gedrängt oder sogar erpresst.

Diskussion um die Inschrift auf dem Gedenkstein

Es gibt viele Menschen, die ihr Ansehen in Ehren halten: Sei es für ihr Wirken als Sammlungsbegründerin einer der bedeutendsten Sammlungen zur Gründerzeit oder für ihr öffentliches Auftreten als Transvestit und bekennende Masochistin wie auch die Thematisierung der Verfolgung Homosexueller im „Dritten Reich“ wie in der DDR. So war auch die vom „Förderverein Gutshaus Mahlsdorf“ (dem Förderverein des Gründerzeitmuseums) und der „Interessengemeinschaft Historische Friedhöfe Berlin“ in Leben gerufene Spendenaktion für einen Gedenkstein für Charlotte von Mahlsdorf erfolgreich.

Der Gedenkstein sollte nach dem Willen der Organisatoren mit einer Tafel mit der Inschrift „Ich bin meine eigene Frau – Charlotte von Mahlsdorf – 18. März 1928 – 30. April 2002“ am ersten Todestag aufgestellt werden. Die Angehörigen Charlotte von Mahlsdorfs wandten sich jedoch gegen die Inschrift und forderten ihre Abänderung. Da überdies die Nachlassfrage nicht geklärt war und der Förderverein des Gründerzeitmuseums Sorge hatte, die Angehörigen könnten die Möbel zurück fordern, wurde diesen Forderungen nachgegeben.

Obwohl Charlotte von Mahlsdorf in den letzten Jahren fast nur noch unter ihrem/seinem Künstlernamen wahrgenommen wurde, setzten die Angehörigen den Text „Lothar Berfelde, 1928 – 2002, genannt Charlotte von Mahlsdorf. Dem Museumsgründer zur Erinnerung“ durch.

Die Bücher von und über Charlotte von Mahlsdorf

  • Charlotte von Mahlsdorf: Ich bin meine eigene Frau. München: dtv, 1995. ISBN 3423120614.
  • Charlotte von Mahlsdorf; Peter Süß: Ab durch die Mitte. München: dtv, 1997. ISBN 3423200413.
  • Gabriele Brang: Berliner Köpfe. Charlotte von Mahlsdorf. Berlin 2004.
  • Peter Süß: Nichts darf sinnlos enden! Über Charlotte von Mahlsdorf und das Theaterstück „Ich bin meine eigene Frau“. Berlin 2006.

Verfilmung ihrer Biografie

Der Filmemacher Rosa von Praunheim verfilmte 1992 ihre Biografie in dem Film Ich bin meine eigene Frau.

Bühnenstücke

Der amerikanische Autor Doug Wright hat basierend auf mit Charlotte von Mahlsdorf geführten Interviews sowie ihrer Autobiografie das Theaterstück I Am My Own Wife verfasst, das 2004 sowohl den Pulitzer-Preis als auch den Tony Award als „Best Play“ gewann. Am 1. Juni 2006 wurde Doug Wright für sein Theaterstück I Am My Own Wife mit dem KulturPreis Europa ausgezeichnet.

Die Aufführung des amerikanischen Stückes unter dem Titel „I Am My Own Wife“ wurde der amerikanischen Produktion aus Titelschutzgründen in Deutschland vom Rechteinhaber, dem Berliner Verlag Edition diá, der die Rechte an dem deutschen Titel hält, wegen Verwechslungsgefahr mit dem Originaltitel der Autobiografie untersagt.

Am 9. September 2007 hatte am Berliner Renaissance-Theater die deutsche Fassung des amerikanischen Stückes („I Am My Own Wife“) unter dem Titel „Ich mach ja doch, was ich will“ Premiere.

Peter Süß, der Charlotte von Mahlsdorfs Erinnerungen herausgab sowie mit ihr den Berliner Stadtführer „Ab durch die Mitte“ erarbeitete, hat ein eigenes Drama zur Vita Charlotte von Mahlsdorfs verfasst. Es trägt wie die Autobiographie den Titel „Ich bin meine eigene Frau“ und wurde am 26. März 2006 am Schauspiel Leipzig uraufgeführt.

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