Lößnitzbahn

Lößnitzbahn

Die Lößnitzbahn, im Volksmund auch „Lößnitzschaukel“,[1] war eine schmalspurige Überlandstraßenbahn in Dresden und Radebeul.

Inhaltsverzeichnis

Planung und Bau

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Landschaft der Lößnitz dichter besiedelt, insbesondere entstanden mehrere Villenviertel. Seit 1838 war die Region durch die Eisenbahnstrecke von Dresden nach Leipzig angebunden, jedoch gab es nur drei Stationen in Radebeul, Weintraube und Kötzschenbroda. So war das Gebiet nur schlecht erschlossen. Daher baten die Ortschaften der Lößnitz 1880 die Regierung um die Einrichtung einer Pferdebahn. Die Petition wurde jedoch nicht beantwortet und 1882 wurde nur eine Pferdeomnibuslinie vom Gasthof „Vier Jahreszeiten“ in Radebeul zum Postplatz eröffnet. 1893 folgte ein ebenso angelehnter Antrag der Tramways Company, eine Strecke von Dresden bis nach Kötzschenbroda zu bauen.

1895 beantragte der Dresdner Unternehmer Oskar Ludwig Kummer in Absprache mit den Lößnitzorten die Erlaubnis zum Bau einer elektrischen Straßenbahn von Pieschen, wo die Strecke der städtischen Straßenbahn endete, nach Kötzschenbroda. Für den Betrieb der Bahn errichtete er bereits das Elektrizitätswerk Niederlößnitz, dass am 1. Januar 1896 den Betrieb aufnahm und zunächst nur die Ortschaften mit Elektrizität zur Beleuchtung versorgte. Entsprechend der neuen sächsischen Straßenbahnpolitik übernahm jedoch der Staat den Bau, um eine Konkurrenz zur Eisenbahn zu verhindern. Auf Grundlage der Kummerschen Planungen setzte die Staatseisenbahn den Bau der nun meterspurigen Strecke um.[2] Das erste Teilstück vom Straßenbahn-Umsteigepunkt Mickten bis zum Gasthof „Weißes Roß“ am Eingang zum Lößnitzgrund wurde am 21. August 1899 in Betrieb genommen.[3] Für die elektrische Bahn wurde das Kraftwerk Niederlößnitz von 340 auf 680 kW erweitert und von Nacht- auf Ganztagesbetrieb umgestellt wurde.[4] Bis zum 12. Oktober 1899 erfolgte die Verlängerung bis Kötzschenbroda bis zur Ecke Meißner Straße/ Moritzburger Straße, nahe dem dortigen Bahnhof Kötzschenbroda. Der Wartesaal der Straßenbahn befand sich in der Gaststätte Wettin-Haus.[5]

Anlagen der Lößnitzbahn und Betrieb

Die Strecke war auf ihrer ganzen Länge zweigleisig und verlief auf der Straße, heute Meißner Straße, die eigens verbreitert worden war. Wegen des geplanten Güterverkehrs lag der Gleisabstand bei 3,5 m und der Fahrdraht war in 6 m Höhe. Die größte Steigung mit 34,8 ‰ lag nördlich der Eisenbahnunterführung. Der Betriebshof war neben dem der städtischen Straßenbahn in Mickten. Hier standen acht Gleise in zwei Hallen zur Verfügung.

Betrieben wurde die Strecke von der Dresdner Straßenbahn AG, die dafür ein Drittel des Gewinns abzüglich einer Verzinsung des Baukapitals erhielt. Die Preise wurden vom Staat festgelegt und so gewählt, dass die Direktverbindung nach Dresden mit der Eisenbahn immer günstiger war als mit der Straßenbahn. Dennoch gab es einen gemeinsamen Tarif mit den anderen Strecken der Dresdner Straßenbahn und keine besonderen Fahrscheine der Lößnitzbahn. Die Straßenbahn verkehrte bis Mittags alle 10 Minuten, danach bis 21:00 Uhr alle 8 Minuten und bis nach Mitternacht wieder im 10-Minuten-Takt. In einer Fahrtzeit von 28 Minuten wurde die Strecke mit 19 Haltestellen absolviert.

Am 16. September 1901 erhielt die Lößnitzbahn ihre Betriebsordnung. Diese legte unter anderem eine maximale Arbeitszeit von 200 Stunden in drei Wochen für jeden Wagenführer, Schaffner und Signalwärter fest und verlangte eine elektrische Signalanlage. Die Höchstgeschwindigkeit war auf 20 km/h festgelegt. 1902 ging das Kraftwerk Niederlößnitz aus der Konkursmasse des Kummerschen Unternehmens an einen Gemeindeverband. Nach der Vereinigung der Dresdner Straßenbahngesellschaften übernahm die Städtische Straßenbahn Dresden den Betrieb der Lößnitzbahn zu gleichen Bedingungen.[6]

Während des Ersten Weltkriegs wurde der Takt teilweise auf 15 Minuten gestreckt und auch der Tarif mehrfach verändert, zum Ende hin auch erhöht, um die gestiegenen Kosten zu decken. Auch in den Jahren nach dem Krieg war der Betrieb häufiger durch Streiks oder Kohlemangel eingeschränkt. Als 1920 die Sächsische Staatsbahn in der Reichsbahn aufging, verblieben die Staatsstraßenbahnen beim Freistaat Sachsen, der die Straßenbahnen von den Staatlichen Elektrizitätswerken verwalten ließ. Es wurde Vormittags und Abends ein 20-minütiger, am Nachmittag viertelstündiger Takt eingerichtet, der jedoch in der Zeit nach der Inflation erneut ausgedünnt werden musste.[7]

Ausbau nach Zitzschewig

Bereits nach Fertigstellung der Lößnitzbahn waren Verlängerungen der Strecke geplant. Jedoch scheiterte eine Weiterführung über Naundorf und Niederwartha auf die andere Elbseite und von dort nach Cossebaude und Cotta am Widerstand der dortigen Gemeinden. Diese wollten keine schmalspurige Straßenbahn, von der man auf die Stadtspur umsteigen muss. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde die Erweiterung auch von der Staatsregierung abgelehnt. Für eine Verlängerung nach Meißen waren verschiedene Varianten im Gespräch: elbnah ab Coswig über Sörnewitz; nah der Eisenbahn von Coswig über Neusörnewitz und Zaschendorf oder über Weinböhla und Niederau. In Meißen gab es zu dieser Zeit bereits eine meterspurige Straßenbahn. Ab 1907 bemühten sich die Lößnitzgemeinden mit Petitionen um die Umsetzung einer Verlängerung zumindest bis Coswig und eine Umspurung auf Stadtspur. Nach vielen politischen Diskussionen wurde die Verlängerung nach Coswig beschlossen, eine Umspurung aber abgelehnt. Der Bau der Strecke nach Zitzschwig begann im Mai 1914, wurde wegen des Ersten Weltkriegs abgebrochen.[8]

Ab 1919 wurden die Arbeiten an der Strecke nach Zitzschewig fortgesetzt und am 25. Dezember 1920[9][7] wurde die eingleisige Verlängerung eröffnet. Das Gleis verlief hinter Kötzschenbroda auf einem eigenen Bahnkörper neben der Straße, nur der neue Endpunkt lag wieder in Straßenmitte. Mit dem Endpunkt gab es fünf Ausweichstellen. Jede zweite Bahn fuhr ab Kötzschenbroda weiter, ließ jedoch den Beiwagen zurück.[7]

Übernahme ins städtische Netz

In den 1920er Jahren waren die Gleisanlagen der Lößnitzbahn und auch anderer Straßenbahnen des Dresdner Raums in einem schlechten Zustand. Um die Sanierung der Strecken zu finanzieren und ein Schnellstraßenbahnnetz um Dresden zu entwickeln, wurden daher 1926 alle staatlichen Straßenbahnen an die Straßenbahn Loschwitz-Pillnitz GmbH verkauft, die nun in „Dresdner Überland-Verkehr GmbH“ (DRÜVEG) umbenannt wurde. Bei der Sanierung der Strecken sollten diese auch auf die Dresdner Straßenbahn-Spurweite (1450 mm) umgespurt werden, um das Umsteigen in Mickten abzuschaffen.

Für den Ausbau bis Coswig und die Umspurung wurde zunächst ein neuer Betriebshof in Coswig errichtet und von dort aus mit dem Bau der neuen Strecke begonnen. So konnte bei der Umspurung auf die Einrichtung eines Interimsbetriebshofes verzichtet werden. Die neue Strecke verlief nördlich der Hauptstraße und unabhängig von dieser, war für zwei Gleise ausgelegt, jedoch wurde zunächst nur eines gebaut. An der Johannisbergstraße schloss sie an die Strecke nach Kötzschenbroda an, deren Gleislage weitgehend beibehalten wurde. Am 20. Juli 1929 wurde die Verbindung Coswig-Kötzschenbroda eingeweiht. Die alte Strecke von der Johannisbergstraße in den Ortskern von Zitzschewig wurde abgebrochen. Bis zum 15. Juli 1930 war schließlich auch die Verbindung von Mickten nach Kötzschenbroda umgespurt und die städtische Linie 15 verkehrte von Coschütz über den Postplatz und Mickten bis Coswig. Am 14. November 1931 wurde die Verlängerung bis Weinböhla eröffnet, die Linie 15 war nun die längste Straßenbahnlinie Dresdens. Sie wurde durch eine Eillinie ergänzt, die bis Coswig fuhr und nur an den wichtigen Haltestellen hielt. Eine Weiterführung der Straßenbahn nach Meißen scheiterte an den Vorbereitungen zum Zweiten Weltkrieg.[10]

Heute wird die Strecke durch die Linie 4 der Dresdner Verkehrsbetriebe befahren. Die ehemaligen Wagenhallen der Lößnitzbahn in Mickten als Teil des Straßenbahnhofs Mickten sind zum Teil noch vorhanden. Sie werden heute von einem Supermarkt genutzt.

Literatur

  • Mario Schatz: Meterspurige Straßenbahnen in Dresden, Verlag Kenning, 2007, ISBN 3933613760.
  • verein für denkmalpflege und neues bauen radebeul (Hrsg.): Beiträge zur Stadtkultur der Stadt Radebeul (1997  ff.)
    - insbesondere der Beitrag Radebeuler Eisenbahngeschichte, von Heinz Hoffmann, ebd., 2006.
  • Gert Morzinek: Historische Streifzüge mit Gert Morzinek. Die gesammelten Werke aus 5 Jahren „StadtSpiegel“. premium Verlag, Großenhain 2007.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Große Kreisstadt Radebeul (Hrsg.): Stadtlexikon Radebeul. Historisches Handbuch für die Lößnitz, 2., leicht geänderte Auflage 2006, ISBN 3-938460-05-9
  2. Schatz, 2007, S.6-9
  3. Gert Morzinek: Historische Streifzüge mit Gert Morzinek. Die gesammelten Werke aus 5 Jahren „StadtSpiegel“.. premium Verlag, Großenhain 2007, S. 80–83.
  4. Gert Morzinek: Historische Streifzüge mit Gert Morzinek. Die gesammelten Werke aus 5 Jahren "StadtSpiegel". premium Verlag, Großenhain 2007, S. 4 ff.
  5. Gottfried Thiele: Kötzschenbrodaer Geschichten. Teil 9. Abgerufen am 2. Juli 2011 (pdf).
  6. Schatz, 2007, S.12-18
  7. a b c Schatz, 2007, S.19-22
  8. Schatz, 2007, S.17-19
  9. Lößnitzbahn
  10. Schatz, 2007, S.22-26

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