- Aorteninsuffizienz
-
Klassifikation nach ICD-10 I35.1 Aortenklappeninsuffizienz ICD-10 online (WHO-Version 2006) Mit Aortenklappeninsuffizienz oder kurz Aorteninsuffizienz (AI) wird in der Medizin der mangelhafte Schluss der Aortenklappe des Herzens und der dadurch bedingte diastolische Rückfluss von Blut aus der Aorta in die linke Herzkammer bezeichnet.
Leichte Formen der Aorteninsuffizienz findet man ziemlich häufig im Ultraschall des Herzens. Mittelgradige und schwere Formen sind in den letzten Jahren seltener geworden, da das rheumatische Fieber als Ursache meist sehr schnell behandelt wird und somit seltener Klappenprobleme bereiten kann.
Inhaltsverzeichnis
Ursachen
Eine angeborene Aortenklappeninsuffizienz ist selten. Häufig kommen dagegen entzündlich bedingte Insuffizienzen vor, die rheumatisch oder bakteriell bedingt sein können. Dabei lagern sich Bakterienkolonien auf der Herzklappe an, sodass sie nach überstandener Entzündung vernarbt (vergleichbar mit dem "Ausfransen" von Segeln oder Fahnen) und undicht wird. Eine Sonderform ist die Mesaortitis luetica (Syn. Mesaortits luica, Mesaortits syphilitica) bei Syphilis.
Darüber hinaus können Arteriosklerose, Bindegewebserkrankungen (z. B. beim Marfansyndrom) oder eine Überdehnung der Aorta ascendens bei einer Aortendissektion Auslöser für die Erkrankung sein.
Pathophysiologie
In Abhängigkeit vom Ausmaß der chronischen Aortenklappeninsuffizienz und der Höhe des Entleerungswiderstandes in der Aorta kann das Rückstromvolumen bis zu 2/3 des Auswurfvolumens (normales Schlagvolumen 40-70ml) des linken Ventrikels betragen. Dadurch kommt es zu einer charakteristisch hohen Blutdruckamplitude. Dieses Pendelblut vermehrt die diastolische Füllung der linken Kammer und führt zu einer Volumenbelastung dieses Herzabschnittes, als deren Folge eine exzentrische Hypertrophie resultiert. Dabei bleibt zunächst das Verhältnis Wanddicke zu Volumen im Bereich der Norm. Eine gesteigerte Dehnbarkeit setzt den linken Ventrikel in die Lage, auch größere Volumina ohne stärkeren Anstieg des enddiastolischen Druckes aufzunehmen. Nach oft jahrzehntelangem Verlauf kommt es durch die Überbelastung zu einer muskulären Dysfunktion des Herzmuskels, sodass es allmählich zu einer schwerwiegenden Linksherzinsuffizienz kommt.
Bei einer akut auftretenden Aorteninsuffizienz (z.B. nach Aortenklappenabriss, Klappenperforation oder plötzlicher Schlussunfähigkeit bei der Aortendissektion) kommt es zu einen sofortigen Anstieg des enddiastolischen Druckes in der linken Herzkammer (unter Umständen bis zu 60 mmHg!). Dabei kommt es zur Lungenstauung, Lungenödem und Verkleinerung des Herzzeitvolumens. Durch den hohen Druckanstieg tritt der Mitralklappenschluss vorzeitig auf - ein charakteristisches Zeichen einer schweren AI. Die Blutdruckamplitude kann im Gegensatz zur chronischen AI gleich bleiben, besonders dann, wenn die Patienten tachykard sind.
Symptome
Leichtere Formen werden vom Betroffenen nicht bemerkt. Bei ausgeprägteren Formen stellt Atemnot das entscheidende Symptom dar. Weitere mögliche Symptome bzw. Befunde sind:
- große Blutdruckamplituden mit niedrigem diastolischen Blutdruck z.B. 150/60 mm Hg
- Fieber bei Endokarditis
- Herzgeräusch: Diastolisches Decrescendogeräusch direkt nach dem 2. Herzton mit punctum maximum über Erb'-Punkt
- Extraschläge
- Puls: celer et altus (Wasserhammerpuls)
- Homo pulsans
- pulssynchrones Kopfnicken (auch Musset-Zeichen)
- Karotidenpulsation
- EKG-Veränderungen mit Zeichen der Linksherzbelastung
- Veränderungen im Röntgenbild: Dilatation des linken Ventrikels als sog. "Schuhform" sichtbar, abgerundete Herzspitze
Diagnostik
- Auskultation
- Phonokardiografie
- Echokardiografie, heute die schnellste und beste Methode
- EKG
- Herzkatheteruntersuchung
- Thoraxröntgen
Schweregradeinteilung
Schweregrad I° II° III° IV° Blutdruckamplitude <60 mmHg erhöht, im Mittel 75 mmHg im Mittel 110 mmHg, in der Diastole <60 mmHg wie III EKG Linkstyp Linksherzhypertrophie, evtl. -schädigung Linksherzhypertrophie und -schädigung wie III, evtl. Vorhofflimmern Thorax-Röntgen Normale Herzform, leichte Aortenelongation, verstärkte Pulsationen Linker Ventrikel vergrößert Aortale Herzkonfiguration, Herzhinterraum eingeengt Großer LV, pulmonale Stauung mit beginnender Rechtsherzbelastung Echokardiographie Mitral- und Septumflattern, Wandamplitude Septum >9mm Herzwand >12mm Linker Ventrikel gering dilatiert, normale Wanddicke LV dilatiert, erhöhte Kontraktionsamplitude, normale Wanddicke, erhöhte Muskelmasse Sehr großer LV, Septumdicke >0,7 cm, bei akuter AI vorzeitiger Mitralklappenschluss, normale Wanddicke, sehr große Muskelmasse Farbdoppler Kleiner Insuffizienzjet bis zur Mitte des linken Ventrikels Mäßiger Insuffizienzjet bis zur Mitte des linken Ventrikels 50-75% Blutrückstrom bis in die Herzspitze 75% Blutrückstrom bis in die Herzspitze Herzkatheter Blutrückstrom bis zur Mitte des LV erkennbar Nach Kontrastmittelgabe in die Aorta LV sofort gefüllt, Kontrastdichte jedoch geringer als in der Aorta Füllung des gesamten LV mit Kontrastdichte wie Aorta Kontrastdichte im LV höher als in der Aorta, z.T. Mitralinsuffizienz Therapie
Bei geringem Rückfluss ist keine Therapie erforderlich. Ansonsten erfordert eine akute bakterielle Entzündung eine entsprechende antibiotische Behandlung, eine aufgetretene Herzinsuffizienz ebenfalls eine konsequente medikamentöse Therapie.
Eine weitere Behandlungsmöglichkeit stellt die Aortenklappenoperation mit Ersatz durch eine Künstliche Herzklappe dar. 2005 wurde erstmals in Deutschland eine künstliche Herzklappe mittels Kathetertechnik eingesetzt. Hierbei muss der Brustkorb nicht mehr geöffnet werden. Die Operation wurde am Klinikum Siegburg (bei Bonn) durchgeführt.
Siehe auch
Herzfehler -- Aortenstenose -- Aorteninsuffizienz -- Mitralklappeninsuffizienz -- Mitralklappenprolaps -- Pulmonalstenose
Weblinks
- The Task Force on the Management of Valvular Heart Disease of the European Society of Cardiology: Guidelines on the management of valvular heart disease. In: European Heart Journal. 2007. PMID 17259184
- Deutschen Gesellschaft für Kardiologie: Kommentar zur Europäischen Leitlinie „Herzklappenerkrankungen“. (pdf) In: Der Kardiologe. 2009-02-17. doi:10.1007/s12181-008-0133-6
- Bernhart, C. Zeit-Online: Herz, wachs’ nach. Abgerufen am 26.03.2009. Bericht über den Versuch menschliche Herzklappen im Labor zu züchten
Bitte beachte den Hinweis zu Gesundheitsthemen!
Wikimedia Foundation.