Marie Stein-Ranke

Marie Stein-Ranke

Marie Stein-Ranke (* 13. Juni 1873 in Oldenburg; † 9. Juli 1964 in Nußloch bei Heidelberg) war eine deutsche Malerin und Radiererin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Marie Stein-Ranke: Selbstbildnis mit Buch,1899

Marie Stein wurde als zweite Tochter des Gymnasialdirektors Stein in Oldenburg geboren. Sie wurde bereits mit fünf Jahren zur Schule geschickt und erwies sich schnell ihren älteren Klassenkameradinnen als ebenbürtig. Ihr verborgenes künstlerisches Talent wurde erst nach Beendigung ihrer Schulzeit sichtbar. Sie fing an zu zeichnen. Ihr Vater erkannte die Begabung und förderte sie und ermöglichte seiner Tochter ein Studium in Düsseldorf.

Die Düsseldorfer Kunstakademie zählte neben den Akademien in Berlin, München und Dresden zu den wichtigsten in Deutschland. Allerdings war es Frauen überhaupt erst nach dem Ende des Kaiserreichs und mit Einführung des Frauenwahlrechts 1919 gestattet, sich offiziell an deutschen Kunstakademien einzuschreiben. Vorerst blieb es ambitionierten Künstlerinnen selbst überlassen, Lehrer auszuwählen oder, wenn möglich, eine Damenmalschule zu besuchen. Als Lehrer wählte sie den Porträt- und Modemaler Walter Petersen (1862-1950), der sieben Jahre Malerei an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert hatte. In den drei Jahren von 1890 – 1893 legte sie mehrmals wöchentlich ihrem Lehrer Studien und Zeichnungen zur kritischen Begutachtung vor und erlernte unter Walter Petersen die grafische Technik des Radierens. Einige Jahre später fertigte sie in Erinnerung an ihren ersten Lehrers sein Bildnis im Profil.

Wie Marie Stein feststellte, reichte die Ausbildung bei Petersen in Düsseldorf kaum aus, und so finanzierte der Vater ihr noch ein Jahr an der privaten Damenmalschule von Friedrich Fehr in München. Auch in München arbeitete sie den ganzen Tag von 8-12 Uhr und von 2-6 Uhr. Aber die „süßlich-sinnliche“ Art des Lehrers gab ihr nichts. Sie bedauerte es sehr, dass sie aus finanziellen Gründen nicht zum Radieren zum Schweizer Grafiker Karl Stauffer-Bern nach Berlin oder zum Malen zu Paula Becker-Modersohn nach Worpswede gehen konnte.

Im Anschluss an die Ausbildung in der Malschule von Friedrich Fehr wechselte sie zu Paul Nauen. Es folgte eine künstlerisch produktive Zeit in der Isarmetropole. Im Winter 1896 zog Marie Stein zu einem längeren Studienaufenthalt in die Kunstmetropole Paris. Hier wohnte sie in der Rue Mezieres Nr. 6 zwischen dem Boulevard St. Germain und dem Jardin du Luxembourg bei der Witwe eines Malers, wo ihr ein Atelier zur Verfügung stand. Unter diesen Möglichkeiten für Radierungen entstanden eine Reihe davon mit ausgesprochen guter Technik. Im März 1898 verließ Marie Stein Paris und fuhr nach Oldenburg, um die Hochzeit ihres Bruders zu feiern. Danach ging sie zunächst nach München, um an der Ausstellung im Münchener Glaspalast teilzunehmen für die sie noch einige Porträts ausarbeitete. Nach ihrer Rückkehr nach Düsseldorf konnte Marie Stein offenbar gut vom Verkauf ihrer Arbeiten leben, mit denen sie, wie sie später schrieb, bis zu 2000 Mark erzielte. Marie Stein hatte sich in Düsseldorf als Gesellschaftsmalerin einen Namen gemacht und erhielt lukrative Aufträge der Oberschicht.

Marie Stein und Hermann Ranke

Hochzeit von Hermann Ranke und Marie Stein-Ranke-1906

Ein Studienfreund von Hermann Ranke lud ihn zu seiner Verlobung nach Oldenburg ein. Zufälligerweise saß bei dieser Feier Maries Schwester Frieda Stein neben Hermann Ranke. Bald darauf besuchte Frieda ihre Schwester Marie in Berlin und fuhr mit dem Bus am Ägyptischen Museum vorbei. Als Hermann Ranke zufällig im Bus auf sie aufmerksam wurde, verabredeten Frieda und Hermann ein Treffen im Grunewald. Hermann brachte dazu seinen jüngeren Bruder Friedrich und Frieda ihre ältere Schwester Marie mit. Im darauf folgenden Jahr erfolgte die Hochzeit von Marie Stein und Dr. Hermann Ranke in Oldenburg. Das Paar bekam später drei Kinder. Sechs Jahre später heirateten auch Frieda Stein und Friedrich Ranke. Die Hochzeit hatte sich so lange hinausgezögert, weil ihr Verlobter sein Germanistikstudium und seine Habilitation in Straßburg zunächst abschließen wollte.

Der Ägyptologe Hermann Ranke ging nach seiner Zeit am Ägyptischen Museum in Berlin an die Universität Heidelberg. Hier baute er das Ägyptische Institut auf. Im Winter 1912/1913 nahm Hermann Ranke an der dritten Grabungscampagne der Deutschen Orient-Gesellschaft bei El Amarna teil. Es wurden mehrere wertvolle Gräber entdeckt. Unter den Funden befand sich auch die berühmte Königinnenbüste der Nofretete, noch heute eines der Glanzstücke der Berliner Sammlungen. Nach Abschluss der Grabungen wurden die Funde der ägyptischen Regierung vorgelegt und die Hälfte der Fundstücke dem Museum in Kairo übergeben. Die Büste wies einige Beschädigungen auf und war bei der Aufteilung in ein großes Tuch gewickelt. Die Büste wurde bei der Präsentation ausgewickelt und Hermann Ranke sagte: “Hier haben wir noch eine beschädigte Büste“, und zeigte die angestoßene Stelle an der Helmkrone und auf die fehlende linke Augeneinlage, woraufhin der ägyptische Beamte sagte: „Nehmen Sie sie mit.“ (zit. n. S. Köhn, 2000, S. 53 u. Anm. 111) Erst viele Jahre später waren die Ägypter verärgert, dass die berühmte Königinnenbüste nicht in ihren Besitz übergegangen war.

Mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges und der vierjährigen Einberufung ihres Mannes nach Frankreich begann für Marie Stein-Ranke ein schwieriger Lebensabschnitt. Ihre in Berlin geborene Tochter Hannah steckte sich bei einer Meningitis-Epidemie in Heidelberg an und starb 1927 fast 20-jährig in einem Sanatorium in der Schweiz. Ihre Söhne Andreas und Albrecht studierten Jura bzw. Volkswirtschaft. Kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Herbst 1933 nahm sich Albrecht in der Nähe von Berlin das Leben. Obwohl Steins Vater bereits 1853 zum protestantischen Glauben konvertiert war, galt sie als Halbjüdin und somit waren auch die Kinder jüdischer Abstammung. Beim Tod von Albrecht waren seine Eltern in Amerika, da Hermann Ranke 1932 eine Gastprofessur in Madison/Wisconsin erhalten hatte. Nach Erhalt der Nachricht kehrten sie sofort nach Deutschland zurück. Die Nationalsozialisten hatten den Lehrstuhl für Ägyptologie in Heidelberg unter einem Vorwand abgeschafft und Hermann Ranke zunächst beurlaubt und am 1. Dezember 1937 emeritiert (vgl. Disziplinarakte 1937/38 im Generallandesarchiv Karlsruhe). Im Herbst 1939 erhielt Hermann Ranke einen Ruf als „visiting professor“ an die Universität von Philadelphia, wo er mit Beginn des neuen Studienjahres ab dem 1. Oktober in den USA seine Lehrtätigkeit und Forschungen wieder aufnehmen konnte.

Da ihr jüngster Sohn Andreas Ranke an die Ostfront rekrutiert wurde und der Rankes Lehrauftrag erst am 31. Mai 1940 enden sollte, reiste Marie allein mit dem Schiff nach Deutschland zurück, um von ihrem Sohn in Berlin Abschied zu nehmen. Ende Juli 1941 erreichte Marie die Nachricht vom Tode ihres Sohns, der in Russland an einem unbekannten Ort gefallen war. Zur Trauer über ihre drei so tragisch verlorenen Kinder gesellten sich seit ihrer Rückkehr finanzielle Nöte. Die Finanzverwaltung Karlsruhe hatte im November 1939 kurzerhand die Zahlung der Pension des entlassenen Professors eingestellt und Überweisungen aus den USA waren nicht gestattet. Zu ihren Verwandten nach Oldenburg oder Hamburg wollte die Künstlerin nicht gehen, da sie aufgrund ihrer jüdischen Abstammung mit Schikanen rechnen musste. Zurückgezogen lebte Marie Stein-Ranke in dem kleinen Dorf Bollschweil bei Freiburg auf dem Schloss des Freiherrn Holzing-Berstett. Die Tochter des Freiherrn, die Schriftstellerin Marie Luise Kaschnitz, die mit dem Archäologen Guido Kaschnitz von Weinberg verheiratet war, hatte sie vermutlich dorthin vermittelt. Unbehelligt und ohne Kontakt zu ihren Verwandten überstand die über 70jährige hier die NS-Zeit. Ihrem Ehemann gelang es im Sommer 1942 über Stockholm nach Deutschland zurückzukehren. 1946 wurde Hermann Ranke „im Wege der Wiedergutmachung“ rehabilitiert, aber ein Lehrauftrag wurde ihm verweigert, aus Altersgründen wie es hieß. Ranke war aber noch voller Forscherdrang, publizierte er Fachbeiträge und nahm erneut einen Ruf als Gastprofessor in den USA (Universität of Pennsylvania) an und ging, immer begleitet von seiner Frau, als Gastprofessor an die der Faruq-Universität in Alexandria. Nach dem Tod von Hermann Ranke am 22. April 1953 verkaufte seine Witwe die umfangreiche Bibliothek ihres Mannes an die neugegründete Universität von Saarbrücken. Bei einem Besuch in Heidelberg erlitt die 83-jährige einen schweren Unfall und verbrachte Monate in einer Klinik. Im Anschluss daran war sie gezwungen, in einem Altersheim in Nussloch bei Heidelberg zu wohnen.

Oldenburger Kunstleben

Nach ihren Düsseldorfer und Münchener Ausbildungsjahren nahm Marie Stein aktiv am kulturellen Leben ihrer Geburtsstadt teil und beschickte ab 1896 alljährlich die Ausstellungen des Oldenburger Kunstvereins im Augusteum. Ab 1898 erhielt Marie Stein eine Reihe von Porträtaufträgen der Großherzoglichen Familie. Auch die Fürsten von Waldeck erteilten ihr Aufträge. 1906 wurde Marie Stein beim Kopieren eines Bildes auf der Museumsinsel vom Deutschen Kaiser angesprochen, der gegenüber im Berliner Schloss residierte. Offenkundig begeistert von ihrem Talent, bestellte Wilhelm II. ein Porträt seiner Tochter Viktoria Luise bei Marie Stein.

Künstlerfreunde

Marie Stein-Ranke-Porträt Georg Müller vom Siel-1903

Mit dem aus Butjadingen stammenden Landschaftsmaler Georg Müller vom Siel verband Marie Stein eine Künstlerfreundschaft, die sich in zwei Porträtradierungen aus den Jahren 1902 und 1903 ausdrückte. Beide Bildnisse charakterisieren den norddeutschen Landschaftsmaler, zeigen sie doch die beiden diametral auseinanderliegenden Pole seiner Persönlichkeit: Den fernab der Metropole in der Abgeschiedenheit lebenden Landschaftsmaler mit lässiger Schiebermütze und den eines Dandys, der es genießt vornehm gekleidet zu erscheinen. Georg Müller vom Siel führte in der Künstlerkolonie Dötlingen ein sehr gastfreundliches Haus. Hier verkehrten viele Künstler aus nah und fern. Es ist davon auszugehen, dass Marie Stein hier regelmäßig zu Besuch war, auch um sich mit anderen Künstlern auszutauschen. Gute Beziehungen pflegte Marie Stein auch zum Heimatmaler und Kunsthändler Ludwig Fischbeck, der in Oldenburg für den Verkauf ihrer Radierungen sorgte. Dank der guten Beziehungen ihres Mannes gelang es Marie Stein-Ranke in Berlin, Kontakte zu berühmten Kunsthistorikern und Kunstkritikern herzustellen und sie zu überreden, in Oldenburg Vorträge zu halten. Da der Oldenburger Kunstverein nur geringe Honorare bezahlte, erbot sich die Künstlerin, als Aufwandsentschädigung Porträtradierungen anzufertigen. So kamen die Kunsthallendirektoren Alfred Lichtwark aus Hamburg, Gustav Pauli aus Bremen, Fritz Wichert, der Berliner Architekturtheoretiker Hermann Muthesius, die Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin, Carl Neumann, Hugo Prinz und Hans Mackowsky. Rainer Maria Rilke sprach über den Bildhauer Auguste Rodin und Emil Waldmann über seine Biografie über Edouard Manet.

Marie Stein gründete zusammen mit Willa Thorade und Wilhelm von Busch den „Verein Oldenburger Kunstfreunde“, der gegenüber der zeitgenössischen Kunst einen offeneren Zugang als der Oldenburger Kunstverein (OKV) hatte. 1904 gehörte Marie Stein zu den Gründungsmitgliedern des Oldenburger Künstlerbundes (OKB). Im ersten Verzeichnis der Mitglieder des OKB 1908 sind von 31 Künstlern immerhin 10 Malerinnen aufgeführt, u.a. Emy Rogge aus Butjadingen, Paula Schiff und Anna Schulman-Salomon aus Berlin, Else Müller-Kaempff aus Ahrenshoop, Clara Westhoff-Jordan aus München und aus Oldenburg Anna List, Emma Ritter, Martha Lohse und Hermine Schmidt. Obwohl sich Marie Stein nach ihrer Hochzeit mit Hermann Ranke in Berlin niedergelassen hatte, trat sie der 1906 in der Bremer Kunsthalle gegründeten Vereinigung Nordwestdeutscher Künstler bei. Allerdings ließ ihr Engagement in kulturellen Angelegenheiten in Nordwestdeutschland dann doch nach, da sie durch die Geburt ihrer drei Kinder und die Übersiedlung nach Heidelberg zu sehr beansprucht war.

Literatur

  • Silke Köhn: Marie Stein-Ranke 1873-1964 - Eine Porträtistin um 1900, Ausstellungskatalog Landesmuseum Oldenburg 2000
  • Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg: Georg Müller vom Siel 1865-1939 ISBN 3-89995-068-2
  • Gerhard Wietek: 200 Jahre Malerei im Oldenburger Land 1786-1986 ISBN 3-9801191-0-6

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