Martinus von Biberach

Martinus von Biberach

Magister Martinus von Biberach († angeblich 1498 in Biberach) wird ein Spruch in einem Deckel eines handschriftlichen Buches zugeschrieben ("haec Magister Martinus in Bibrach. 1498"), der aber weitaus älter als die beigegebene Jahreszahl ist. Über das Leben dieses Magisters Martinus in (!) Bibrach ist nichts bekannt (außer seinem Vornamen). Der angebliche "Grabspruch" (diese Deutung beruht auf einem Missverständnis von J. Radowitz von 1850) besteht in einem Priamel-Vierzeiler, der in der christlichen Frömmigkeit populär wurde und auch in der Literatur bis heute (vgl. [Bertolt Brecht]], "Beim Radwechsel") seinen Niederschlag findet:

Ich leb und waiß nit wie lang,
ich stirb und waiß nit wann,
ich far und waiß nit wahin,
mich wundert das ich [so] frölich bin.

Die Zuschreibung ist ebenso wie die in Konrad Bollstatters "Spruchsammlung" an Walther von der Vogelweide unzutreffend. Wieder andere schreiben den Spruch Kaiser Maximilian I. zu.

Nach einer alten Chronik war der erweiterte Text Bestandteil eines 1688 zerstörten Deckengemäldes in der ehemaligen Franziskanerkirche zu Heilbronn: Ich leb und weiß nicht wie lang / ich sterb und weiß nicht wan / ich fahr und weiß nicht wahin / mich nimmt wunder daß ich so frelich bin / wan ich bedenk den dot und di ewige pein / so mecht ich nicht so frelich sein.

Martin Luther kannte den Spruch und lehnte ihn als „Reim der Gottlosen“ ab, da die Lebenssituation der Christen genau umgekehrt sei: sie wüssten, woher und wohin sie kämen, nämlich von und zu Gott, erschreckten aber trotzdem ein wenig vor dem Tod, da sie ja wie alle „Adamskinder“ sterben und den Tod leiden müssten. Dies führte Luther in einer Predigt zum Sonntag Judica über Johannes 8,46-59 aus, in der er auch sein eigenes Gegengedicht zum Spruch vortrug: Ich lebe, so lang Gott will, / ich sterbe, wann und wie Gott will, / ich fahr und weiß gewiß, wohin, / mich wundert, daß ich traurig bin! [1]

Der Maler Hans Thoma erweiterte die ursprüngliche Fassung: Ich komm’, weiß nit woher / ich bin, und weiß nit wer / ich leb’, weiß nit wie lang / ich sterb’ und weiß nit wann / ich fahr’, weiß nit wohin / Mich wundert’s, daß ich fröhlich bin. // Da mir mein Sein so unbekannt / geb' ich es ganz in Gottes Hand / die führt es wohl, so her wie hin / Mich wundert's, wenn ich noch traurig bin (Jahrbuch der Seele, 1922). Diese zwei Strophen werden bis heute in christlicher Erbauungsliteratur nachgedruckt.

Weitere Bearbeitungen und Reminiszenzen stammen von Heinrich von Kleist und Bertolt Brecht.

Der Schriftsteller Johannes Mario Simmel verfasste 1949 einen Roman unter dem Titel „Mich wundert, dass ich so fröhlich bin“. In einem Interview gab er an, den Spruch an einer deutschen Klostermauer gelesen zu haben. Der Karikaturist F. K. Waechter veröffentlichte 1991 einen Sammelband unter dem Titel „Mich wundert, dass ich fröhlich bin“.

Literatur

  • Gerd Dicke: Mich wundert, das ich so fröhlich bin. Ein Spruch in Gebrauch, In: Kleinstformen der Literatur, hg. v. Walter Haug u. Burghart Wachinger, Tübingen 1994 (Fortuna vitrea 14), S. 56-90. ISBN 3-484-15514-0 ISSN 0938-9660
  • R. Köhler: Mich wundert, dass ich fröhlich bin, in: Germania 33 (1888), S. 337-356

Anmerkungen

  1. Martin Luther, Gesammelte Werke, hg. von Kurt Aland, Bd. 8, S. 153 = Weimarer Ausgabe Bd. 37, S. 328 f.

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