Mathias Mulich

Mathias Mulich

Mathias Mulich (* vor 1470 in Nürnberg; † 1528 in Lübeck) war ein deutscher Fernhandelskaufmann des Spätmittelalters aus der Nürnberger Kaufmannsfamilie Mulich.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft

Mulich wurde in Nürnberg als Sohn des dortigen Fernhandelskaufmanns Kunz Mulig der Ältere († 1473) geboren, der selbst bereits seit 1436 in Lübeck als oberdeutscher Kaufmann Handel trieb. Die Familie Mulich gehörte nicht zum Nürnberger Patriziat. Beim Tod des Vaters war Mathias Mulich selbst noch minderjährig.[1] Das ererbte Handelsgeschäft wurde von dessen Söhnen, insbesondere den älteren Brüdern Kunz d. J., Hans und Paul, aber später auch Mathias Mulich selbst erheblich ausgebaut. Die Kaufmannsfamilie Mulich gilt als das Musterbeispiel für das erfolgreiche Eindringen süddeutscher Handelshäuser in den Handel der Hansestädte an der südlichen Ostseeküste im Spätmittelalter.[2] Kunz d. J. als Ältester der Brüder blieb Bürger der Stadt Nürnberg, obwohl er in Lübeck ab 1470 nachweisbar ist. Mit Hans Mulich heiratete 1476 der erste Mulich in eine Lübecker Ratsfamilie ein und vereinnahmte so eine stattliche Mitgift von rund 7.000 Mark. Mit diesem Kapital konnte der Handel zwischen Nord- und Süddeutschland erheblich gesteigert werden.[3] Gleichzeitig erwarb so der erste Mulich das Lübecker Bürgerrecht. Der Bruder Paul nahm 1510 das Bürgerrecht von Lübeck an.[4] Mathias Mulich lebte seit 1490 in Lübeck, erwarb erst im Jahr 1514 das Bürgerrecht der Stadt. Neben den reinen Handelsgeschäften führten die Brüder Mulich auch Finanzgeschäfte wie eine Bank in der Tradition des 1449 in Lübeck verstorbenen italienischen Bankiers Gherardo Bueri durch. Sie profitierten von einer politisch bedingten Änderung der Handelsströme in Europa.[5]

Geschäfte

Die Entwicklung der Geschäfte der Mulichs lässt sich heute nur noch erahnen. Eine Idee vermittelt das Einkaufsbuch des Jahres 1495, in dem die Einkäufe verzeichnet sind, die Bruder Paul Mulich für und gegen Rechnung seines Bruders Mathias, also als dessen Kommissionär, auf der Frankfurter Fastenmesse tätigte. Der Gesamtumfang von 7.655 Rheinischen Gulden (das entsprach 11.483 Mark Lübisch) beeindruckt. Gleichzeitig liegt mit dem Buch eine Aufgliederung vor, aus der sich die für Mathias Mulich erworben Waren ablesen lassen. Der eindeutige Schwerpunkt des Einkaufs liegt im Segment der Luxusgüter:

  • Perlen, Schmuckstücke aus Edelmetall für 3.040 Gulden
  • Luxusstoffe (z.B. Samt aus Oberitalien) für 1.720 Gulden
  • Feinsilber für 1.481 Gulden
  • Waffen und Ausrüstungen für 505 Gulden
  • Gewürze für 315 Gulden
  • Papier aus der Lombardei 116 Gulden.

Auch die Lieferanten dieses Messeeinkaufs sind vermerkt und weisen weitere oberdeutsche Handelshäuser als Lieferanten mit dem jeweiligen Einkaufsvolumen aus: die Große Ravensburger Handelsgesellschaft mit 850 Gulden, Georg Fugger und Peter Watt mit je 700 Gulden.[6]

Im Gegenzug, aber hier fehlt es bereits an Dokumentation, werden die Rohprodukte Nord- und Osteuropas auf einer solchen Messe verkauft worden sein.

Die Quelle des Einkaufsbuches belegt die Bedeutung des oftmals unterschätzten Landhandels Nord- und Süddeutschland im Verhältnis zum Handel mit Flandern und dem dortigen Hansekontor in Brügge über See. Gleichzeitig wird absehbar, dass der Messeplatz Frankfurt/M. dem Messeplatz Brügge im Handel mit den Ostseeanrainern durchaus ebenbürtig war.

Aus der Einkaufsliste kann man auch Rückschlüsse auf die Kunden des Kaufmanns Mathias Mulich ziehen: Er belieferte die umliegenden Fürstenhöfe Norddeutschlands und den König von Dänemark mit dem, was diese für die repräsentative Seite ihrer Hofhaltungen benötigten. Die Mulichs tätigten von Lübeck aus auch Bankgeschäfte und standen beispielsweise mit den Rantzaus, aber auch den umliegenden regierenden Häusern in Geschäftsverbindung. Dafür erhielt Mathias Mulich am 25. August 1515 von dem bei ihm verschuldeten dänischen König Christian II. für diesem und dessen Vater König Johann erwiesene Dienste bei Oldesloe ein 18 Hektar großes Grundstück zur Einrichtung und zum Betrieb der Kupfermühle an der Beste. Das Geschäft mit dem Kupfer war Mathias Mulig nicht fremd; er handelte bereits zuvor mit thüringischem Kupfer aus Erfurt, wo sein Bruder Paul seit 1501, er selbst ab 1506 als stiller Gesellschafter an der Saigerhüttengesellschaft in Arnstadt beteiligt war. Mathias ererbte auch diese Beteiligung von seinem Bruder Paul. Die Kupfermühle Oldesloe ging nach dem Tod des kinderlosen Mathias Mulich in das Eigentum des Heiligen-Geist-Hospitals in Lübeck über, welches die Anlage zunächst verpachtete und erst im Jahr 1815 verkaufte.[7]

Vermögen

Mathias Mulich hatte Grundbesitz von seinem Vater in Nürnberg geerbt. In Lübeck erwarb er 13 Hausgrundstücke, die aber teilweise auch wieder veräußerte. Mulich war mit den mächtigen Lübecker Ratsfamilien Castorp[8] und Kerckring[9] verschwägert und wurde nicht zuletzt daher 1515 in die mächtige Zirkelgesellschaft aufgenommen. Trotz dieser Zugehörigkeit zum Patriziat wurde er nicht Mitglied des Rates der Stadt. Es wird vermutet, das er so auch seinen unabhängigen Finanz- und Handelsinteressen mit den politischen Gegnern der Stadt den Vorzug gab.[10] Er war Erbe seines vorverstorben Bruders Paul Mulich. Das Vermögen von Mathias Mulich bei seinem Tod schätzt Dollinger auf mehr als 25.000 Mark. Damit dürfte er nach damaligem Geldwert zu den absolut reichsten Bürgern Lübecks gehört haben. Mathias Mulich wurde in der Katharinenkirche begraben, sein Grab hat sich nicht erhalten.

Der Erbgang auf die - immer von zwei Lübecker Bürgermeistern vertretene - Stiftung Heiligen-Geist-Hospital war bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts immer wieder Grund für Ausarbeitungen und gutachtliche Stellungnahmen der Lübecker Ratsjuristen.[11]

Portrait

In der kunstgeschichtlichen Literatur wird von einem 1522 entstandenen Porträt des Mathias Mulich aus der Hand des in Lübeck tätigen Niederländers Jacob van Utrecht berichtet, dessen Verbleib aber unbekannt ist.[12] Mulich und auch zwei weitere im selben Jahr porträtierte Patrizier waren wie Jacob van Utrecht Mitglieder der Leonhardsbruderschaft in Lübeck.

Literatur

  • Jörgen Bracker (Hrsg.): Die Hanse — Lebenswirklichkeit und Mythos, 2 Bde., Hamburg 1989. In: Katalog der Ausstellung des Museums für Hamburgische Geschichte in Hamburg 24. August - 24. November 1989. Textteil in 4. Auflage, Schmidt-Römhild, Lübeck 2006.
  • Philippe Dollinger: Die Hanse, 2. Auflage Stuttgart 1976 ISBN 3520371022.
  • Antjekathrin Graßmann (Hrsg.): Lübeckische Geschichte, 1989, ISBN 3-7950-3203-2.
  • Günter Meyer: Zur Geschichte der Kupfermühle in Oldesloe, gegründet 1515 von Matthias Mulich. In: Das Gedächtnis der Hansestadt Lübeck, Lübeck 2005, S. 287-300, ISBN 3-7950-5555-5.
  • Günter Meyer: Mathias Mulich in: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck, Band 12 Neumünster 2006, S. 321 ff., ISBN 3529025607.
  • Claus Nordmann: Nürnberger Großhändler im spätmittelalterlichen Lübeck, 1933.
  • Fritz Rörig: Das Einkaufsbüchlein der Nürnberg-Lübecker Mulichs auf der Frankfurter Fastenmesse 1495, in: Wirtschaftskräfte im Mittelalter (hrsg. v. Paul Kaegbein), Weimar 1959, S. 288–350.
  • Hildegard Vogler: Das Triptychon des Hinrich und der Katharina Kerckring von Jacob van Utrecht, Lübeck 1999.
  • Carl Friedrich Wehrmann: Briefe an Matthias Mulich, geschrieben im Jahre 1523, in: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde (ZVLGA) 2, 1867, S. 296-347 (online).

Einzelnachweise

  1. Aus der Bestätigung eines Zehnten an die Erbengemeinschaft durch Kaiser Friedrich III. am 23. Oktober 1473 in Trier. Nach Joseph Chmel bei Regesta Imperii
  2. Dollinger, S. 234 ff.
  3. Dollinger, aaO.
  4. Meyer, S. 290
  5. Diese Verlagerung der Handels- und Finanzwege auf den Messeplatz Frankfurt und die süddeutschen Städte war nicht zuletzt Folge der politischen Unsicherheit (Zerfall Burgunds) und wirtschaftlichen Rezession in Brügge aufgrund der Rosenkriege und der damit in Zusammenhang stehenden Bankenzusammenbrüche, nicht zuletzt der Banca dei Medici selbst. Vgl. Michael North: Oberdeutsche Konkurrenz in: Die Hanse - Lebenswirklichkeit und Mythos S. 161–164
  6. Dollinger, S. 235 unter Hinweis auf Rörig und Nordmann
  7. Meyer, aaO
  8. Vgl. Hinrich Castorp
  9. Siehe auch: Jacob_van_Utrecht#Geschichte_des_Kerckringaltars
  10. Dollinger, aaO; Graßmann, Lübeckische Geschichte, S. 210
  11. Meyer, aaO S. 295 ff
  12. Vogler, S. 19 mit Fußnote auf S. 35

Weblinks


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