- Mehrspurrekorder
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Als Mehrspurrekorder werden Audiorekorder zum Aufzeichnen von Ton beziehungsweise Schall bezeichnet, die mindestens zwei voneinander unabhängige Aufnahmespuren besitzen. So kann jede Tonspur einzeln aufgenommen werden, ohne bereits aufgenommene Spuren zu verändern. Außerdem können alle Spuren gemeinsam abgespielt werden.
Inhaltsverzeichnis
Beschreibung
Mehrspurrekorder finden Anwendung im Tonstudiobereich oder "Homerecording". Auch Overdubs, beispielsweise nach Konzertmitschnitten, werden mit Hilfe von Mehrspurgeräten eingespielt, um gegenüber dem Studio-Album fehlende Begleitstimmen noch hinzuzufügen oder fehlerhafte Passagen zu korrigieren. Mehrspurgeräte werden auch zur Produktion von Hörspielen eingesetzt, lassen sich doch hervorragend nachträglich Geräusche zeitsynchron zur gesprochenen Handlung aufzeichnen.
Die Technik der Mehrspuraufnahme ermöglicht es Künstlern wie z. B. Prince, einzelne Titel oder sogar ganze Alben komplett allein einzuspielen, da die Instrumente nacheinander aufgenommen werden können. Auch müssen nicht alle Musiker gemeinsam ihren Part einspielen, sondern können zeitversetzt und sogar an verschiedenen Orten ihren Teil vom Stück aufnehmen.
Waren bis in die 90er Jahre hinein vor allem Tonbandgeräte in der Lage, mehrere Spuren unabhängig voneinander analog aufzunehmen, sind sie heutzutage (2008) von digitalen Systemen weitgehend verdrängt worden. Dazu zählen Minidisc-Mehrspurrekorder, Festplattenrekorder und Computersysteme für digital Audio (DAW = Digital Audio Workstation), die auch auf Festplatten aufnehmen, im Gegensatz zum Festplattenrekorder aber umfangreiche Funktionen zur Bearbeitung, Abmischung und oftmals sogar zum Mastering beinhalten. Die technische Qualität der digitalen Computersysteme verbessert sich besonders im professionellen Bereich ständig. Der momentane Audiostandard der CD von 44,1 kHz Samplingrate bei 16 Bit Auflösung (Redbook-Format) für Audio- und CD-Produktionen wird sich wahrscheinlich in den nächsten Jahren auf andere, höher auflösende Formate verändern.
Im Homerecordingbereich waren lange Zeit Vierspurgeräte der Standard, die mit herkömmlichen Musikkassetten betrieben werden können. Heute sind eher acht Spuren das Minimum, weil die Preise gefallen sind, im professionellen Bereich sind 64 und mehr Spuren üblich.
Geschichtliches
Die ersten Mehrspurrekorder entstanden in den 1950er Jahren, boten jedoch lediglich die Möglichkeit, in Echtzeit Tonsignale auf zwei Spuren aufzunehmen, die dann später in der Abmischung nach Mono geregelt wurden. Erst Anfang der 1960er Jahren entstanden Geräte, die es erlaubten, die beiden Spuren unabhängig voneinander zu bespielen. So wurde beispielsweise auf einer Spur zunächst nur die Musik aufgenommen, um dann später auf der zweiten Spur unabhängig den Gesang hinzuzufügen.
Die ersten 4-Spur-Rekorder entstanden um 1964. Sie erlaubten einen deutlich kreativeren Umgang der Künstler mit dem Medium, der fortan auch immer intensiver genutzt wurde. Aufwändige Musik-Produktionen wie "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" der Beatles wären ohne die 4-Spur-Technik nicht möglich gewesen. Trotzdem war die Technik noch nicht ausgereift. In der Regel wurden die grundlegenden Instrumente eines Liedes "live" auf vier Spuren aufgenommen, die dann im nächsten Arbeitsschritt auf ein oder zwei Spuren „heruntergemischt“ wurden, um dann weitere Instrumente aufnehmen zu können. Auf diesem Wege waren deutliche Klangeinbußen bei jeder Kopiergeneration unumgänglich (sogenannter Generationsverlust).
1967 wurden die ersten 8-Spur-Maschinen gebaut. Sie ermöglichten es erstmals, das komplette Arrangement eines Liedes auf einem einzigen Tonband – ohne zwischenzeitliches Abmischen – aufzunehmen (einfache Instrumentierung vorausgesetzt).
Anfang der 1970er Jahre entstanden die ersten 16-Spur-Rekorder, die schon komplexere Arrangements aufnehmen konnten. Eine breite öffentliche Wahrnehmung erfuhr diese Technik durch das 1973 veröffentlichte Album Tubular Bells von Mike Oldfield, in dem dieser fast alle Spuren der überwiegend reich instrumentierten Stücke selbst einspielte.
Seitdem hat sich die Zahl der verfügbaren Audiospuren stets erhöht. Für eine durchschnittliche Musikproduktion werden in der Regel 24 Spuren verwendet. Professionelle Bandmaschinen lassen sich meist synchronisieren, so können bei erhöhtem Bedarf an Tonspuren beispielsweise zwei Bandmaschinen mit je 24 Spuren zusammen betrieben werden. Dennoch werden auch Geräte mit 64 und mehr Spuren angeboten.
Beispiele der Spurbelegung von Mehrspurrekordern
2 Spuren
- Spur 01: Musik
- Spur 02: Gesang
4 Spuren
- Spur 01: Schlagzeug
- Spur 02: Bass
- Spur 03: Gitarren
- Spur 04: Gesang
8 Spuren
- Spur 01: Schlagzeug links
- Spur 02: Schlagzeug rechts
- Spur 03: Bass
- Spur 04: Rhythmus-Gitarre
- Spur 05: Lead-Gitarre
- Spur 06: Gesang
- Spur 07: Chor
- Spur 08: Click
16 Spuren
- Spur 01: Bassdrum
- Spur 02: Snare
- Spur 03: Hi-Hat
- Spur 04: Low Tom
- Spur 05: Middle Tom
- Spur 06: High Tom
- Spur 07: Overhead links
- Spur 08: Overhead rechts
- Spur 09: Bass
- Spur 10: Rhythmus-Gitarre
- Spur 11: Lead-Gitarre
- Spur 12: Gesang
- Spur 13: Gesang (2. Stimme)
- Spur 14: Chor links
- Spur 15: Chor rechts
- Spur 16: Click
Der kreative Vorteil, der sich durch Verwendung von immer mehr Spuren ergibt, zeigt sich am deutlichsten bei der Aufnahme eines Schlagzeugs. Ein Schlagzeug besteht aus einer Vielzahl von Klangquellen (Bassdrum, Snare usw.), die bei Verwendung von z.B. acht Spuren nicht getrennt voneinander aufgenommen werden können. Bei acht Spuren ist es erforderlich, schon bei der Aufnahme festzulegen, wie laut beispielsweise die Hi-Hat sein soll. Deren Lautstärkepegel lässt sich nachträglich nicht mehr ändern. Erst bei 16 Spuren bietet sich die Möglichkeit, fast alle Klangquellen eines Schlagzeugs getrennt voneinander aufzunehmen, deren Lautstärke auch später noch verändert werden kann.
Literatur
- Roland Enders: Das Homerecording Handbuch. 3. Auflage, Carstensen Verlag, München, 2003, ISBN 3-910098-25-8
- Wolfgang Junghans: Tonbandgeräte-Praxis. 10. Auflage, Franzis Verlag, München, 1970
- Hubert Henle: Das Tonstudio Handbuch. 5.Auflage, GC Carstensen Verlag, München, 2001, ISBN 3-910098-19-3
Siehe auch
Kategorien:- Elektroakustik
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