- Mikrolithen
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Mikrolithen (aus griech. mikrós = klein, kurz, gering und griech líthos = Stein) sind steinzeitliche Kleinstgeräte (< 3 cm bis wenige mm lang und max. < 1 cm breit), meist aus gut spaltbarem Feuerstein, Obsidian oder Quarz, die als Teil von Kompositgeräten (z. B. Harpunen, Sägen, Bohrer etc) oder als Pfeilspitzen verwendet wurden und in rezenten Jäger-Sammler-Kulturen noch werden, wobei mitunter Glassplitter statt Stein Verwendung finden.
Inhaltsverzeichnis
Ursachen der Entstehung
Als Grund für ihre Entstehung im Rahmen der steinzeitlichen Gerätetechologie nimmt man auch Umweltgründe an, als sich etwa im europäischen Mesolithikum bedingt durch das Ende der Eiszeit große Waldgebiete entwickelten, welche die Bewegungsfreiheit der Menschen einengten und sie zwangen, mit den vorhandenen Rohstoffen sparsamer umzugehen und auch Nahrungsquellen zu nutzen, die sie bisher verschmäht hatten wie Muscheln und Schnecken (die großen Schalenhaufen sind für mesolithische Fundstellen typisch) oder sich die Aleuten auf die gleichnamigen kargen Inseln ausbreiteten. Auch die Aridisierung Nordafrikas ab etwa dem dritten vorchristlichen Jahrtausend, die als globales Phänomen des späten Holozäns jedoch auch in anderen Teilen der Welt ihre Spuren hinterließ, dürfte hierher gehören. Ähnliche klimatische Vorgänge dürften sich auch während der Höhepunkte der letzten großen Eiszeit (in Mittel- und Westeuropa (Würmeiszeit) zwischen 60.000 und 12.000 BP zugetragen haben, die mit einer starken Trockenperiode in den subtropischen und tropischen Gebieten einher ging.
Vorkommen
- Afrika
Mikrolithen sind typisch für das afrikanische Late Stone Age (synonym Upper Paleolithic), wo sie sich vermutlich zentralafrikanisch direkt aus den Abschlagtechiken des Middle Stone Age entwickelt haben, ohne die Zwischenstufe einer Klingenindustrie wie in Europa. (Die Unterteilung in altes, mittleres und junges Paläolithikum gilt im Prinzip nur für Europa, für Afrika hat sich die Einteilung in Lower, Middle, Late/Upper Paleolithic und Epipaleolithic durchgesetzt). Insgesamt finden sie sich in allen Regionen Afrikas, wenn auch teils zu unterschiedlichen Zeiten. In Südafrika treten sie etwa vor 40.000 Jahren auf. Im nordafrikanischen Capsien (9000 - 3000 v. Chr.) sind sie besonders häufig. Im subsaharischen Afrika finden sich aber auch Mikrolithen, die etwas größer und deutlich älter sind. Die Mikrolithen der Howieson's Poort Industrie sind etwa 95.000 - 80.000 Jahre alt (nach einer anderen Datierung der Cambridge History of Africa 70.000 - 60.000), und in Zaire reicht eine ununterbrochene Reihe mikrolithischer Industrien in der Höhle von Matupi 32.000 bis 40.000 Jahre zurück.
- Europa
In Europa treten Mikrolithen allerdings auch schon seit dem Aurignacien (frühestens 45.000 bis 25.000 bzw. 15.000 BP) vor allem aber im späten Magdalenien (ca. 17.000 - 11.000 BP = Jahre vor der Gegenwart: Before Presence) des Jungpaläolithikums auf. In Südrussland gab es sie vor 25.000 Jahren, in Norddeutschland vor 13.000 Jahren. Vor allem finden sie sich aber im europäischen Mesolithikum, wo man die Mikrolithenindustrien in drei Perioden unterteilt: die Maglemose-Kultur (cva. 8000 - 5600 BP), die Kongemose-Kultur (7600 - 6500 BP) und die Ertebølle-Kultur (6500 - 5200 BP).
- Nordamerika
Auch in den Kulturen der Eskimos und Aleuten des arktischen Stadiums III gibt es eine ausgeprägte Mikroklingenindustrie. Das Stadium III spaltete sich zwischen 2500 und 1900 v. Chr. vom paläoindianischen Stadium II ab, und die Eskimos wurden im Norden an Stelle der Paläoindianer nun zum bestimmenden Element. Diese arktische Kleingeräteindustrie umfasst vor allem hochentwickelte Mikroklingen, die als Schneiden für aus mehreren Teilen zusammengesetze Knochen-, Elfenbein- und Holzgeräte dienten. Die Kulturtradition könnte, wie anthropologische Befunde etwa der Aleuten nahelegen, ihre Wurzeln durchaus in Ostsibirien gehabt haben und dehnte sich rasch bis nach Grönland aus. Aus der arktischen Kleingerätetradition gingen während der Ausbreitung nach Osten mehrere Untertypen hervor: vor allem die Independence-I-Kultur (Kanada und Grönland), die Prä-Dorset-Kultur (Kanada) und die Sarqaq-Kultur [1] in Grönland.
- Asien
Im Jungpaläolithikum sind Mikrolithen in Nordchina sogar schon für den Homo erectus nachgewiesen, der sich dort bis vor etwa 40.000 bis 10.000 Jahren hielt, wie neuere anthropologische Befunde zeigen und dem man bisher derartig komplexe feinmotorische Leistungen bisher nicht zugetraut hatte, zumal seine Gerätekomplexe sonst relativ groß und eher grob und meist in Kerntechnik und nicht in Abschlagtechnik gefertigt sind. Die mikrolithischen Funde sind in diesem Zusammenhang sogar besonders zahlreich und gehen vielen Fundstellen in die Tausende, zeigen jedoch auch eine große regionale und temporale Variationsbreite.
Auch im übrigen Ost- und Zentralasien finden sich im ausgehenden Paläolithikum und im Neolithikum zahlreiche mikrolithische Werkzeuge, meist vom Klingentyp, die selten sekundär retuschiert sind. In Sibirien, der Mongolei und Mandschrei gab es sie offenbar besonders lang bis tief ins dortige Neolithikum hinein. Mit dem Beginn der Keramik und des Steinschliffes um etwa 3000 v. Chr. in diesen Gebieten klingt diese Gerätetradition aus. Ab etwa 4000 v. Chr. treten geometrische Mikrolithen auf Sulawesi (Celebes) auf.- Australien
Die australische Small-Tool-Tradition stammt aus der Zeit zwischen 4000 und 3000 v. Chr. So wurden etwa in der Kenniff-Höhle [2] in Queensland geometrische Mikrolithen gefunden, die man stratigraphisch anhand der Schichtfolge auf 5000 bis 2500 v. Chr. datieren konnte.
Typen und Herstellung
Man unterscheidet die europäisch nur im Mesolithikum vorkommenden geometrischen (z. B. trapezförmige) von den nicht geometrischen Mikrolithen.
Geometrische Mikrolithen wurden mit Hilfe der sog. Kerbtechnik (Kerbbruchtechnik) aus sog. Mikroklingen gefertigt. Durch seitliche Einkerbungen an einer Klinge wird diese gezielt gebrochen. Anschließendes Retuschieren (Modifikation von Abschlägen oder Klingen aus Feuerstein durch leichten Druck oder Schlag, so dass scharfe Kanten oder stumpfe Enden bzw. Zähnungen entstehen) bringt die Bruchstücke in die gewünschte Form. Ein Kerbrest (Mikro-Stichel) bleibt als typisches Abfallstück zurück. Derartige Kerbreste findet man in Nordafrika vor allem im Ibéromaurusien (15.500 - 12.000 BP), in Europa finden sie sich als eher zufälliges Restprodukt schon im Gravettien bzw. dem zeitgleichen Pavlovien (Tschechien) (26.000 - 19.000 BP). Der Form nach unterscheidet man dreieckige, viereckige, Segmente und Trapeze. Wie alle Mikrolithen wurden sie in Kombinationsgeräte als Spitzen oder Zähne eingesetzt, teilweise quer geschäftet und mit Harz befestigt. Der Form nach gibt es starke regionale Unterschiede.
Nicht geometrische Mikrolithen wurden aus sehr kleinen Klingen (Lamellen) hergestellt und retuschiert. Besonders häufig sind hier die sog. einfachen Mikrospitzen. Sie sind so definiert, dass der Winkel an ihrer Spitze nicht größer als 45° sein darf. Es gibt nur eine Retusche am Ende, nicht jedoch am Rücken. Sie kommen ab dem späten Jungpaläolithikum vor, waren einfach herzustellen und fanden meist als Pfeilspitzen Verwendung.
Eine zweite Variante ist die technisch anspruchsvollere Sauveterrespitze. Sie ist symmetrisch, sehr spitz und hat manchmal zwei Spitzen. Sauveterrespitzen waren in ganz Europa verbreitet.
Die dritte Variante wird als Mikrorückenspitze bezeichnet und umfasst alle auf dem Rücken retuschierten Spitzen des Mesolithikums, die nicht dem ersten oder zweiten Typ angehören. Als vierter Typus findet sich schließlich die Dreieckspitze, deren Form dadurch entsteht, dass die Basis quer retuschiert wird, so dass ein Dreieck mit einem 90°-Winkel entsteht.Literatur
- Clark, D. (Hrsg.): The Cambridge History of Africa. Vol. 1: From the Earliest times to c. 500 BC, S. 297f, 302ff, 315, 477. Cambridge Univ. Press, Cambridge 1989. ISBN 0-521-22215-X
- Coe, M.D. (Hrsg.), D. Snow, Elizabeth Benson: Weltatlas der alter Kulturen: Amerika vor Kolumbus. Geschichte, Kunst, Lebensformen, 2. Aufl., S. 46f. Christian Verl., München 1985. ISBN 3-88472-091-0
- Cunliffe, B. (Hrsg.): Illustrierte Vor- und Frühgeschichte Europas, S. 107ff. Campus Verl., Frankfurt/M 1996. ISBN 3-593-35562-0
- Encyclopedia Britannica, 15. Aufl. 1993, Bd. 14, S. 242, Bd. 16, S. 65. ISBN 0-85229-571-5
- Feustel, R.: Technik der Steinzeit, Archäolithikum-Mesolithikum. Böhlau, Weimar 1985.
- Hahn, J.: Erkennen und Bestimmen von Stein- und Knochenartefakten. Einführung in die Artefaktmorphologie, 2. Aufl. Archaeologica Venatoria e.V., Institut für Urgeschichte der Universität Tübingen, Tübingen 1993. ISBN 3-921618-31-2
- Hoffmann, E.: Lexikon der Steinzeit. C.H.Beck, München 1999. ISBN 3-406-42125-3
- Sherratt, A. (Hrsg.): Die Cambridge Enzyklopädie der Archäologie, S. 161, 336, 361f. Christian Verl., München 1980. ISBN 3-88472-035-X
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