Urgeschichte Baden-Württembergs

Urgeschichte Baden-Württembergs

Aufgrund der großen klimatischen Veränderungen durch Mindel-, Riss- und Würmeiszeit war das Gebiet zwischen Alpen und dem Main nicht ständig bewohnt. Die Funde aus der Altsteinzeit stammen aus Perioden zwischen den Eiszeiten, in denen das Klima gemäßigt bis mediterran war oder zumindest im subarktischen Zeitbereich einer beginnenden oder endenden Eiszeit. Für das Mittelpaläolithikum geht man in Südwestdeutschland von einer mittleren Population von 1.000 Personen aus. Die Zeitangaben sind dabei gerundete Werte.

Erhaltungsbedingt liegen die meisten Fundstellen in Höhlen und sind daher landschaftlich im Bereich der Schwäbischen Alb konzentriert. Freilandfundstellen liegen beispielsweise am Federsee (Schussenquelle), im unteren Remstal (Kleinheppach) und im Breisgau.

Inhaltsverzeichnis

Paläolithikum (Altsteinzeit)

Die meisten Funde der Altsteinzeit finden sich im Bereich der Schwäbischen Alb. Weitere Funde wurden im Mittleren Neckarraum und am Oberrhein an der Grenze zur Schweiz gemacht.

Altpaläolithikum (um 600.000 Jahre v. Chr.)

Die ältesten Zeugnisse von der Besiedlung durch den Menschen sind schon 600.000 Jahre alt und gehören zu den ältesten Fossilien der Hominini innerhalb von Europa. In Mauer bei Heidelberg wurde 1907 der Unterkiefer von Mauer gefunden, das Typusexemplar des Homo heidelbergensis, aus dem später der Neandertaler hervorging.

Mittelpaläolithikum (250.000 Jahre v. Chr.)

Ein weiterer Fund ist 350.000 Jahre jünger als der Unterkiefer von Mauer; er wurde 1933 in Steinheim an der Murr (Landkreis Ludwigsburg) gemacht. Damit steht dieser „Steinheimer Mensch“ entwicklungsgeschichtlich zwischen Homo heidelbergensis und dem Neandertaler. Es handelte sich wahrscheinlich um eine Frau. Aufgrund der Fülle an essbaren Pflanzen dürfte das Sammeln von Pflanzen und Kleintieren gegenüber dem Jagen von Großwild überwogen haben. Die Benutzung von Grabstöcken und Faustkeilen wird vermutet, ist aber für diesen Fund nicht schlüssig nachgewiesen.

Etwa zeitgleich dürfte die Fundstelle in den Travertinbrüchen von Bad Cannstatt sein. Menschenreste sind hier nicht nachgewiesen.

Um 100.000 Jahre v. Chr.

Zu den ältesten Werkzeugen gehören die Funde von Böckingen (Stadtteil von Heilbronn). Es handelt sich um Faustkeil-Abschläge, die unter anderem vermutlich zum Zerkleinern und Abhäuten von Großwild bestimmt waren. Menschenfunde gab es nicht, aufgrund des Alters wird jedoch angenommen, dass die Funde dem Neandertaler zuzuordnen sind.

Um 60.000 Jahre v. Chr.

Erste Siedlungsspuren einer Jägergruppe im Lonetal in der Bocksteinhöhle, 6 km von der Vogelherdhöhle entfernt, die mit ihren, durch Werkzeuge hergestellten, Jagdwaffen Pferde, Wollnashörner und Mammuts erlegten. Aufgrund des Alters ist davon auszugehen, dass die Funde dem Neandertaler zuzuordnen sind.

Jungpaläolithikum (ca. 40.000 Jahre v. Chr.)

Das früheste Zeugnis von künstlerischer Betätigung ist eine rund 35.000 Jahre alte Flöte aus Schwanenflügelknochen, die in einer Höhle bei Blaubeuren auf der Schwäbischen Alb gefunden wurde.

Die ältesten Kunstschnitzereien stammen aus der Vogelherdhöhle bei Stetten (Landkreis Heidenheim); sie sind rund 32.000 Jahre alt. Hier wurden zahlreiche Werkzeuge wie Schaber und Faustkeile gefunden. In diese Zeitrechnung reicht auch das dort gefundene vollplastische Wildpferd, das damit die weltweit älteste nachweisbare Plastik darstellt.

Auf Grund dieser sehr frühen Datierung ist die Gewissheit abhanden gekommen, dass es sich hierbei um Erzeugnisse des anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens) und nicht des Neandertalers handelt.

Gravettien

Zu den bekanntesten Relikten aus dieser Zeit zählt die im Jahre 1908 bei Ausgrabungen in der Wachau entdeckte Venus von Willendorf. Dieses rund 25.000 Jahre alte Steinkunstwerk zeigt eine Frau mit sehr großen Brüsten und wird deshalb gemeinhin als Fruchtbarkeitssymbol gedeutet. Aufgrund der Datierung des Fundes ist davon auszugehen, dass der Fund dem anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens) zuzuordnen ist.

Solutréen

(entfällt in Süddeutschland aufgrund des Kältemaximums)

Mittelsteinzeit (Mesolithikum)

Die Mittelsteinzeit beginnt mit dem Ende der letzten Eiszeit vor rund 10.000 Jahren. Dadurch verbesserten sich die Bedingungen für pflanzliche Nahrung erheblich. Somit wurden aus reinen Jägern wieder mehr Sammler und vor allem Fischer.

8.000–6.000 Jahre v. Chr. (Frühe Mittelsteinzeit)

Herstellung kleinster Abschläge (Mikrolithen). Diese Mikrolithen wurden in Speerspitzen eingesetzt. Verbesserung der Festigkeit von Steinen durch Tempern im Feuer bei 270-300 °C. Herstellung von Ketten aus Fischzähnen und Schmuckschnecken. Die wichtigsten Fundregionen sind das Rems-Murr Gebiet, das Oberrheintal, das Gebiet um den Bodensee und den Federsee.

Aufgrund von Forschungen in verschiedenen Höhlen der Schwäbischen Alb durch Wolfgang Taute wurde das süddeutsche Mesolithikum - als Beuronien bezeichnet - in mehrere Stufen gegliedert, die durch die vorherrschenden Mikrolithen-Formen definiert werden.

In den 1990er Jahren konnten im Laufe mehrerer archäologischer Ausgrabungen in der Flur Siebenlinden im Neckartal bei Rottenburg insgesamt drei Mittelsteinzeitliche Fundstellen erforscht werden. Die Plätze gehören in die frühe Nacheiszeit, etwa 8000 bis 7700 v. Chr. Hier haben sich in der Aue ausnahmsweise mesolithische Freilandplätze so gut erhalten, dass sich Feuerstellen, Standorte der Zelte und Arbeitsplätze nachweisen lassen.

Zahlreiche Funde der Schwäbischen Alb, die die ältere Forschung bis in die 1960er Jahre als „grobgerätiges Mesolithikum“ (oder Campignien) bezeichnet hatte, werden heute als natürliche Frostsprenglinge oder als Halbfabrikate einer neolithischen Rohmaterialgewinnung angesehen.

6.000–4.500 Jahre v. Chr. (Späte Mittelsteinzeit)

Aufgrund des Klimawechsels vom Kontinental- zum Atlantikklima ändert sich die Vegetation. Haselnusssträucher werden von Eichenmischwäldern abgelöst, die es den Jägern schwerer machen, Großwild zu erjagen. Hirsch, Wildschwein und anderes Großwild decken nur noch zu 20-30 % den Nahrungsbedarf. 40-50 % nehmen pflanzliche Produkte wie Nüsse, Wildobst und Eicheln ein. Die Steinabschlagtechnik wird verfeinert und die Speerspitzen werden aus trapezförmigen Mikrolithen hergestellt.

Von Bedeutung sind die Grabungen in der Federseeregion, wo in den Jahren 1988 und 1989 beim Henauhof in der Nähe von Bad Buchau (Kreis Biberach) Ausschnitte eines mittelsteinzeitlichen Siedlungsplatzes mit sieben Feuerstellen untersucht wurden. Sie erbrachten ein umfangreiches, für die späteste Mittelsteinzeit charakteristisches Fundgut. Durch die Radio-Carbon-Methode konnte der Platz in die zweite Hälfte des 6. vorchristlichen Jahrtausends datiert werden. Damit kann eine Überlappung von spätester Mittelsteinzeit und der ältesten jungsteinzeitlichen Kultur, der Bandkeramik, in Südwestdeutschland, also ein zeitliches Nebeneinander endmittelsteinzeitlicher Wildbeuter und bandkeramischer Bauern über mehrere Jahrhunderte hinweg, angenommen werden.

Jungsteinzeit (Neolithikum)

5.500–2.000 Jahre v. Chr.

Auftauchen der ersten Bauernkultur mit Rind, Schwein, Schaf und Ziegen, wobei sich die Menschen ab etwa 5500 v. Chr. vor allem auf den fruchtbaren Lössflächen entlang der Flussläufe niederließen. Als Getreide wird Gerste und Einkorn angebaut. Durch den Anbau und die Haustiere werden die Menschen sesshaft und bauen Langhäuser. Die Anstöße dazu kamen über Ungarn und Österreich aus dem Vorderen Orient. Durch die günstigeren Nahrungsbedingungen steigt die Bevölkerung stark an. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Neolithischen Revolution so wie 6000 Jahre später von der industriellen Revolution als einem markanten Umbruch der Gesellschaft. Die Töpferei wird weiterentwickelt. Nach ihr werden dann auch Kulturstufen benannt, wie zum Beispiel die erste neolithische mit der Bandkeramik.

Auf die Linearbandkeramik folgte die Stichbandkeramik, eine archäologische Kulturgruppe, die sich kontinuierlich aus der Kultur der Linearbandkeramik entwickelte. Die Verzierungen auf den Gefäßen wurden nun nicht mehr geritzt, sondern setzten sich aus einzelnen Stichen zusammen. Ein bekannter Fundort aus dieser Zeit ist Regensburg-Harting.

In Niederbayern und Böhmen bis zum Pilsener Becken bildete sich im Anschluss an die Stichbandkeramik die sogenannte Oberlauterbacher Gruppe, eine regionale Entwicklung mit einer einzigartigen Gefäßverzierung. Aus dieser Zeit sind kaum noch Gräber bekannt. Wichtige ergrabene Siedlungen dieser Zeit sind Kothingeichendorf und Geiselhöring.

Bereits in die Kupferzeit, nach anderen Chronologieschemata ins Jungneolithikum datierend, gehört die Münchshöfener Kultur, benannt nach dem gleichnamigen Fundort Münchshöfen bei Straubing. Diese Kultur ist stark von Böhmen und Mähren beeinflusst. Typisch in der Keramik sind große Fußschalen, sogenannte Pilzschultergefäße und eine flächige geritzte Verzierung der Gefäße. Auch aus dieser Kulturgruppe sind kaum Gräber bekannt.

Vorrömische Eisenzeit

Hallstattzeit, namengebend das Gräberfeld von Hallstatt in Österreich.

La-Tène-Zeit, so benannt nach einer Fundstelle am Neuenburgersee in der Schweiz, ab um 550 v. Chr., die Bevölkerung wird als keltisch bezeichnet. Verweise auf Oppida mit Beispielen.

Der Raum zur Zeit der Antike und im frühen Mittelalter

In der Antike wurde der Raum zwischen Alpen, Donau und Rhein Teil des Römischen Reiches. Die beiden Söhne des Augustus, Drusus und Tiberius, eroberten 15 v. Chr. das Gebiet südlich der Donau.

Es entstanden die römischen Provinzen Raetia, Noricum und Pannonien. Zahlreiche Städte wie Augsburg, Regensburg, Kempten im Allgäu, Passau, Straubing gehen auf römische Gründungen zurück. Die neue Nordgrenze des Römischen Reichs an der Verbindungslinie zwischen Rhein und Donau wurde ab Ende des 1. Jahrhunderts mit einer Befestigungsanlage, dem Limes, gegen anstürmende germanische Gruppen gesichert.

Diese Anlage wurde in der Folgezeit immer weiter verstärkt, konnte aber ab dem 4. Jahrhundert]nicht mehr den fortwährenden Angriffen der einzelnen germanischen Gruppen standhalten. Zunehmend siedelten sich Germanen nun auch auf dem Gebiet südlich der Donau an.

Im frühen Mittelalter vollzog sich die Ethnogenese der Bajuwaren und die Einwanderung der Alemannen, wobei der Lech später die Grenze der beiden entstehenden Stammesherzogtümer bildete. Baiern und Schwaben wurden unter den Merowingern in den Herrschaftsbereich des Frankenreichs eingegliedert. Die Mainregion wurde fränkisch besiedelt und entwickelte sich allmählich zu einem Kerngebiet der Franken, so dass der geographische Begriff Franken später nur mehr für die Region um den Main verwendet wurde.

Die Region westlich des Lechs konnte den ständigen Alemanneneinfällen nicht mehr standhalten und wurde nach dem Fall der bisherigen Iller-Grenze, der teilweisen Vertreibung, aber auch allmählichen Assimilation der dortigen romanischen Bevölkerung in die jenseits des Lechs gelegenen Gebiete Rätiens Teil des Siedlungsraums der Alemannen.

Ab etwa um 500 n. Chr. wurde von den Römern auch die Donaugrenze aufgegeben. Soziale Beziehungen in den Römerstädten an der Donau wurden jedoch zum Teil durch kirchliche Machtstrukturen noch aufrechterhalten (→ Heilige Severin). Um 551 n. Chr. werden die Bajuwaren erstmals namentlich genannt (→ Jordanes). Ihre Ethnogenese vollzog sich demnach im Laufe des 6. Jahrhunderts, weitgehend aus der bereits ansässigen Bevölkerung, der romanisierten Bevölkerung entlang der Donau und vereinzelten Einwandergruppen (→Thüringer, Ostgoten, Langobarden und Slawen). Das Herzogtum der Bajuwaren entstand in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts und entwickelte später nur kurzzeitig ein eigenes Herzogtum. In diese Zeit fällt eine umfangreiche Rodungstätigkeit, die das Gesicht der Landschaft völlig veränderte.

Siehe auch

Literatur

  • H. Eberhardt/E. Keefer/C.-J. Kind/H.Rensch/H. Ziegler, Jungpaläolithische und mesolithische Fundstellen aus der Aichbühler Bucht. Fundber. Bad.-Württ. 12, 1987, 1-51
  • J. Hahn/C.-J. Kind/K. Steppan, Mesolithische Rentier-Jäger in Südwestdeutschland? Der mittelsteinzeitliche Freilandfundplatz Rottenburg 'Siebenlinden I' (Vorbericht). Fundber. Bad.-Württ. 18, 1993, 29-52
  • C.-J. Kind, Das Felsställe Eine jungpaläolithisch-frühmesolithische Abri-Station bei Ehingen-Mühlen, Alb-Donau-Kreis. Forsch. u. Ber. Vor- u. Frühgesch. Bad.-Württ. 23, Stuttgart 1987
  • C.-J. Kind, Ulm-Eggingen. Die Ausgrabungen 1982 bis 1985 in der bandkeramischen Siedlung und der mittelalterlichen Wüstung. Forsch. u. Ber. Vor- u. Frühgesch. Bad.-Württ. 34, Stuttgart 1989
  • C.-J. Kind, Die letzten Wildbeuter. Henauhof Nord II und das Endmesolithikum in Baden-Württemberg. Materialh. Arch. Bad.-Württ. 39, Stuttgart 1997
  • C.-J. Kind, Das Mesolithikum in der Talaue des Neckars. Die Fundstellen von Rottenburg Siebenlinden 1 und 3. Forsch. u. Ber. Vor- u. Frühgesch. Bad.-Württ. 88, Stuttgart 2003
  • J. Nakott, Menschen wie wir, National Geographic Deutschland, Dezember 2002, Spezialausgabe
  • R. Noll (Hrsg.), Eugippius, Das Leben des Heiligen Severin. Schriften und Quellen der Alten Welt. Berlin 1963
  • T. Mommsen, T. (Hrsg.), Jordanis, De origine actibusque Getarum. Monumenta Germaniae Historica Auct. ant. 1882
  • H. Müller-Beck (Hrsg.),Urgeschichte in Baden-Württemberg. Stuttgart: Konrad-Theiss Verlag 1983. ISBN 3-8062-0217-6

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