Moritz Benedikt Cantor

Moritz Benedikt Cantor
Moritz Benedikt Cantor

Moritz Benedikt Cantor (* 23. August 1829 in Mannheim; † 10. April 1920 in Heidelberg) war der erste Professor für die Geschichte der Mathematik in Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Cantor studierte zunächst ab 1848 Mathematik in Heidelberg, später ab 1851 in Göttingen bei Carl Friedrich Gauß, Wilhelm Weber und Moritz Stern (1807-1894) sowie 1852 in Berlin bei Dirichlet und Jakob Steiner. Nach seiner Promotion am 6. Mai 1851 mit der Arbeit Ein wenig gebräuchliches Coordinatensystem habilitierte er sich 1853 wieder in Heidelberg mit Grundzüge einer Elementar-Arithmetik und lehrte dort seit 1860 die Geschichte der Mathematik, seit 1875 in einem regelmäßigen dreisemestrigen Kurs. Ende der 1850er Jahre traf er bei einem Aufenthalt in Paris bei dem Mathematikhistoriker und Geometer Michel Chasles, der eine Arbeit von Cantor über Mathematikgeschichte (Zenodorus) in den Comptes Rendus der Pariser Akademie veröffentlichte. 1853 wurde er Privatdozent in Heidelberg, 1863 außerplanmäßiger und 1875 Honorar-Professor. 1913 emeritierte er.

Am 23. August 1868 heiratete er Telly Gerothwohl.

Werk

Cantor ist vor allem für seine Vorlesungen über die Geschichte der Mathematik bekannt, die etwa bis Ende des 18.Jahrhunderts geht (im 4.Band, wo er nur den Überblick beisteuert, die anderen Beiträge sind von Gino Loria, Florian Cajori u.a.). In seiner Geschichte sind viele Fehler[1], teilweise korrigiert in Jahresbericht des DMV von 1922 (Ferdinand Rudio) und insbesondere von Gustaf Eneström, einem scharfen Kritiker von Cantor, der hunderte Seiten und eine eigene Rubrik in seiner Zeitschrift Bibliotheca Mathematica Korrekturen zu Cantors Vorlesungen widmete. Trotzdem gilt Cantors Werk noch heute als eines der grundlegenden (und umfangreichsten) Projekte zur Mathematikgeschichte[2].

Ein Kritikpunkt an Cantors Werk war seine Auffassung, dass das indisch-arabische Dezimalsystem schon von den Pythagoräern stammte, wozu ihm die sogenannte Geometrie II, die Boethius zugeschrieben wurde, als Beweis diente - er hielt dieses Sammelwerk des 11. Jahrhunderts noch für ein originäres Werk von Boethius. Zuerst vertrat er diese Auffassung in seinen Mathematische Beiträge zum Kulturleben der Völker. Er beschäftigte sich auch in weiteren Aufsätzen mit der Überlieferung der indisch-arabischen Arithmetik im Westen und untersuchte die Überlieferung der praktischen Aspekte der Geometrie vom Altertum ins Mittelalter (Die römischen Agrimensoren).

Cantor war ab 1859 Mitherausgeber der Zeitschrift für Mathematik und Physik, die er mit den Supplementbänden Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik (ab 1877, ab Bd.11 im Jahre 1901 unabhäng erschienen) zu einer wichtigen Zeitschrift für Mathematikgeschichte im 19.Jahrhundert ausbaute, neben Eneströms Bibliotheca Mathematica und Baldassare Boncompagni´s Bulletino. Mit Boncompagni war er befreundet und veröffentlichte auch viele Aufsätze in dessen Bulletino.

Cantor veröffentlichte auch Biographien z.B. von Karl Wilhelm Feuerbach(1910), Gauss (1899), Cardano (1903), Leonardo da Vinci (1890), Kopernikus (1899), Nikolaus von Cusa (1889).

Schriften

  • Vorlesungen über die Geschichte der Mathematik. 4 Bde. Leipzig, 1880 - 1908 (eine umfassende Darstellung der Mathematikgeschichte). Bd. 1 (1880, 2. Auflage 1894, 3. Auflage 1907) behandelt die Zeit bis 1200, Bd. 2 (1892, 2. Auflage 1900) von 1200 bis 1668, Bd.3 (1894 bis 1898, 2. Auflage 1901) von 1668 bis 1758, Bd.4 (1908), das die Zeit bis zur Dissertation von Gauss 1799 behandelt, ist ein Sammelband von Beiträgen von Cantor, Gino Loria, Florian Cajori, Viktor Bobynin, Anton von Braunmühl, Eugen Netto, Viktor Kommerell, Giuseppe Vivanti, Siegmund Günther, Carl Raimund Wallner. Zusammen hat das Werk über 3900 Seiten.
  • Mathematische Beiträge zum Kulturleben der Völker. Halle (1863)
  • Die römischen Agrimensoren und ihre Stellung in der Geschichte der Feldmeßkunst. Leipzig (1876)
  • Politische Arithmetik oder die Arithmetik des täglichen Lebens, 1898, 1903
  • Euclid und sein Jahrhundert, 1867 (über Euklid, Archimedes, Apollonius).

Literatur

  • Dauben, Scriba (Hrsg.) Writing the history of mathematics, Birkhäuser 2002
  • Publikationsverzeichnis von Maximilian Curtze, Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik, Bd.9, 1899, S.625

Weblinks

Quellen und Fußnoten

  1. Auch einige Beiträge zur Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB), zu der Cantor ab 1875 mit zahlreichen Biographien beitrug, zeigen eine gewisse Sorglosigkeit im Umgang mit Quellen. So gab er Gerüchte über den Zweiraderfinder Karl Drais wieder, er habe mit einer Kanone um die Ecke schießen wollen, indem er sie auf die Seite legte, wovon natürlich keine Rede sein kann.
  2. Dauben, Scriba (Hrsg.) Writing the History of Mathematics, 2002, Artikel Cantor, S.389

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