Musketiere der Garde

Musketiere der Garde

Die Musketiere der Garde (französisch: mousquetaires de la garde) waren eine Haustruppe der französischen Bourbonen. Der Verband, dessen Auftrag und Ausrüstung den Dragonern entsprach, bestand mit Unterbrechungen von 1622 bis 1815. Berühmtheit erhielten sie durch den Roman Die drei Musketiere von Alexandre Dumas sowie dessen Fortsetzungen und Verfilmungen.

Inhaltsverzeichnis

Formationsgeschichte

Ludwig XIII. und Kardinal de Richelieu vor La Rochelle

Die Einheit wurde 1622 durch Bewaffnung einer Kompanie Chevaulegers mit den damals neuen Musketen gebildet und setzte sich vor allem aus Adeligen zusammen.[1] Capitaine war Ludwig XIII. selbst. Das Kommando führte zunächst capitaine lieutenant Jean de Bérard de Montalet, ab 1634 dann Jean-Armand du Peyrer, Comte de Tréville.[2] (Der Titel capitaine lässt sich in diesem Zusammenhang mit Hauptmann bzw. Rittmeister nur unzureichend übersetzen, denn es handelte sich um einen formellen Ehrentitel ähnlich einem Ehrenoberst). Dem Kommandeur waren ein Fähnrich, ein Leutnant, ein Unteroffizier und zwei brigadiers beiseite gestellt.[3] Die Musketiere begleiteten den König nur außerhalb des Palastes und verrichteten ihren Dienst zu Fuß und zu Pferd, während andere Haustruppen den Monarchen innerhalb des Palastes bewachten. Zum Schutz des Kardinals Richelieu stellte man eine weitere Kompanie auf, die jedoch zunächst nicht zu den königlichen Haustruppen zählte[3]. Da Richelieus absolutistische Reformen die Vorrechte des Adels zugunsten des Königs beschnitten, zog er sich zwangsläufig den Hass des Adels (und damit der Musketiere als Adelsgarde) zu. Der Kardinal, der seinen ältesten Bruder Henri in einem Duell verloren hatte, erwirkte zudem 1626 das Verbot solcher Zweikämpfe und ließ es bei Androhung der Todesstrafe unerbittlich durchsetzen, was die Musketiere als Beschneidung der Privilegien ihrer Klasse und Kriegserklärung verstanden. De Tréville beteiligte sich 1642 sogar an der gescheiterten Cinq-Mars-Verschwörung zur Ermordung Richelieus[4]. Diese teilweise durchaus gewaltsam ausgetragenen Konflikte lieferten den Hintergrund für die Romane von Dumas. Richelieus Nachfolger Mazarin sorgte nach dem Tod des Königs 1646 für die Auflösung der königlichen Musketierkompanie, doch 1657 wurde sie in Stärke von 150 Mann mit einem capitaine lieutenant, einem Leutnant, einem Kornett, einem Fähnrich und zwei Unteroffizieren neu aufgestellt.[3] 1660 wurden die Wachen des Kardinals in die königlichen Haustruppen als 2. Kompanie der Musketiere der Garde übernommen, leisteten aber beim König erst ab 1663 Dienst, und zwar zu Fuß.[3] Aufgrund der Zwitterstellung zwischen Infanterie und Kavallerie führten die Musketiere bis 1663 Fahne, Trommeln und Pfeifen beim Dienst zu Fuß, während beim Dienst zu Pferd Standarten und Trompeten verwendet wurden; dann ersetzten berittene Trommler und Hautboisten die Trompeter.[5] 1663 zählte jede Kompanie 300 Musketiere. 1664 löste man die zweite Kompanie auf, um sie sogleich nach Muster der ersten neu aufzustellen. Capitaine beider Kompanien war der König.[5] Die 1. Kompanie ritt ab 1665[6] Schimmel oder Apfelschimmel (daher der Beiname Graue Musketiere oder mousquetaires gris), die 2. Kompanie Rappen (Schwarze Musketiere oder mousquetaires noirs)[5]. 1667 wurde d’Artagnan capitaine lieutenant der 1. Kompanie. 1668 sank die Sollstärke auf je 250 Musketiere je Kompanie; hinzu kamen noch jeweils 44 Offiziere und Unteroffiziere, 6 Trommler, 4 Hautboisten, ein Apotheker sowie neun Chirurgen.[5] Im Kriegsfall dienten zusätzlich noch zahlreiche adelige Freiwillige bei den Musketieren,[5] so dass diese faktisch auf Regimentsstärke anwuchsen. Gleich dem König gehörte der Dauphin beiden Kompanien an.[5] Die aus den Tagen Richelieus herrührende sprichwörtliche Rivalität beider Kompanien war noch so stark, dass der Thronfolger zur Meidung von Eifersucht abwechselnd die Uniformen der beiden Kompanien trug.[5] 1775/1776 wurden die Musketiere der Garde aus Sparsamkeitsgründen aufgelöst, um ausgerechnet 1789 neu aufgestellt zu werden. Die Republik löste die Musketiere wieder auf.[5]

Die Bourbonen stellten am 15. Juni 1814 beide Kompanien in Stärke von insgesamt 200 Musketieren und 56 Chargen wieder auf, um sie noch im gleichen Jahr in Saint Pol wieder zu verabschieden. Hatten sich die Musketiere des Ancien Régime die Achtung der Linientruppen redlich errungen, so schlug den Musketieren der Restauration wie dem gesamten maison du roi vom Rest der Armee und den Alliierten tiefe Abneigung entgegen. Unter den insbesondere aus zurückgekehrten, adeligen Emigranten rekrutierten königlichen Garden befanden sich nur wenige Soldaten mit Kampferfahrung, so dass sie Ludwig XVIII. keinen echten Rückhalt bieten konnten.[7] Nach Napoleons zweiter Abdankung stellte sie der König daher zwar erneut auf, löste sie zum 31. Dezember 1815 jedoch endgültig auf.[6]

Einsätze

Neben dem Eskortendienst für den Monarchen leistete die 1. Kompanie von Anfang an auch regulären Gefechtsdienst.[1] Die 2. Kompanie erhielt ihre Feuertaufe erst 1663 in Lothringen.[5] 1667 führten die Musketiere bei Valenciennes zu Fuß den Angriff der Franzosen an.[5] Im 18. Jahrhundert fochten die Musketiere mit Auszeichnung 1734 bei Guastalla und Phillipsburg und 1745 bei Fontenoy [5]

Uniformentwicklung

Inspektion der Musketiere (revue des mousquetaires); Ölgemälde von 1729

Seit dem 17. Jahrhundert war ein vom König gestellter, breiter, mantelartiger Überwurf (Kasack) in blau charakteristisches Element der Paradeuniform der Musketiere der Garde, deren Erscheinungsbild sonst dem Stil der Zeit folgte. Die Uniform war ganz rot mit reichem Tressenbesatz (1. Kompanie gold, 2. silbern).[8] Den schwarzen Hut zierten weiße Plumage und Kokarde.[8] Der aufwendig bestickte, blaue Kasack zeigte vorne und hinten ein weißes Kreuz mit roten (1. Kompanie) bzw. gelben (2. Kompanie) Flammen in den Winkeln des Kreuzes und nahm in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Form einer Superweste an.[8] Während der Restauration folgte die Uniform mit gleicher Farbgebung lose dem Vorbild der napoleonischen Kürassiere, wobei die Superweste an Stelle des Kürass trat. Die Hosen waren nun weiß. Rock und Sattelzeug waren reichst bestickt, Bandeliers und Koppel aus Tresse in der Kompaniefarbe.[9] Die 1. Kompanie trug ein Art Kürassierhelm aus Weißmetall mit vergoldetem Zierrat, weißem Stutz und schwarzem Roßhaarschweif; bei der 2. Kompanie krönte den Helmkamm zusätzlich eine schmale Raupe.[9]

Nachwirkung in Literatur und Film

D'Artagnan und die drei Musketiere; Illustration von 1894

Die Musketiere der französischen Könige waren militärgeschichtlich von überschaubarer Bedeutung, doch durch Alexandre Dumas’ Romane und deren Verfilmungen gelangten sie zu enormer Popularität. Im Mittelpunkt von deren Handlung steht das undisziplinierte und turbulente Leben mehrerer Musketiere, die sich der Obrigkeit teilweise vehement widersetzten.

Die aus dem Übergang vom Spätfeudalismus zum Absolutismus resultierenden Widersprüche als Ursache dieser Konflikte werden aber zugunsten eines romantisierenden Geschichtsbildes ausgeblendet, was dem Unterhaltungswert jedoch keinen Abbruch tut.

Siehe auch

Literatur

  • Liliane und Fred Funcken: Historische Uniformen. Band 1. Mosaik-Verlag, München 1976.
  • Liliane und Fred Funcken: Historische Uniformen. Band 5. Mosaik-Verlag, München 1980.
  • Philip Haythornthwaite: Uniformen und Schlachten 1815–1850. Heyne-Verlag, München 1976.
  • Richard Knötel und Herbert Sieg: Farbiges Handbuch der Uniformkunde. Band 2. Stuttgart 1994.

Weblinks (Farbtafeln)

Einzelnachweise

  1. a b Liliane und Fred Funcken: Historische Uniformen, Bd. 1, München 1976 S. 24ff
  2. histoiredumonde.net abgerufen am 4. Mai 2008
  3. a b c d Liliane und Fred Funcken: Historische Uniformen, Bd. 1, München 1976 S. 24
  4. Tanja Kinkel, Meister der Intrige, ARTE-Magazin, Dezember 2007 abgerufen am 6. Mai 2008
  5. a b c d e f g h i j k Liliane und Fred Funcken: Historische Uniformen, Bd. 1, München 1976 S. 26
  6. a b Liliane und Fred Funcken: Historische Uniformen, Bd. 5, München 1980, S. 18
  7. Philip Haythornthwaite: Uniformen und Schlachten 1815-1850, München 1976, S. 18f
  8. a b c Richard Knötel/ Herbert Sieg: Farbiges Handbuch der Uniformkunde, Bd. 2, Stuttgart 1994, S. 23f
  9. a b Liliane und Fred Funcken: Historische Uniformen, Bd. 5, München 1980, Farbtafeln S. 19 u. 21

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