Mutterfluch

Mutterfluch

Mat (russisch Mат, Mатерщи́на oder Mа́терный язы́к/ Materschtschina oder Materny jasyk) bezeichnet eine derbe russische Vulgärsprache. Die Besonderheit dieser russischen Vulgärsprache im Vergleich zu anderen slawischen Sprachen, in welchen auf die gleichen oder sehr ähnliche Wörter zurückgegriffen wird, besteht lediglich in der starken Tabuisierung. Ausländer sollten Mat-Ausdrücke nicht verwenden, da sie Wirkung und Folgen nur schwer einschätzen können.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Der Begriff bedeutete ursprünglich soviel wie „lautes Geschrei“ (worauf die Redewendung „орать благим матом“ schließen lässt).

Der Mat gehört zur russischen Umgangssprache, es handelt sich dabei jedoch nicht um gewöhnliche Schimpfwörter, sondern um eine weitgehend tabuisierte Vulgärsprache. Diese Sprache wird einerseits unter engen Freunden oder im Familienkreis (jedoch selten geschlechts-, noch seltener generationsübergreifend) gesprochen, dann gilt sie als Zeichen für Intimität und Vertrauen. Andererseits hört man den Mat von Betrunkenen, Jugendlichen, Mitgliedern der sozialen Unterschicht und Menschen, die vergessen haben, dass sie nicht alleine sind. Der Gebrauch von Mat gilt allgemein als Zeichen von Ungezogenheit, Anstandslosigkeit, Rücksichtslosigkeit und Unreife.

Wenn ein Ausländer Mat verwendet, wird er bei Russen zunächst Unsicherheit, dann Unwillen hervorrufen. Die Benutzung von Mat durch Ausländer wird als Mangel von Sprachgefühl angesehen. Im geschäftlichen Gespräch, bei der Unterhaltung mit unbekannten Menschen ist der Mat Tabu. Es ist sogar strafbar, den Mat in öffentlichen Einrichtungen zu verwenden.

Öffentlicher Gebrauch seit den 1980ern

Seit der Zeit von Glasnost und Perestroika sind einige russische Filme auf den Markt gekommen, in denen Mat gesprochen wird. Solche Filme haben je nach Häufigkeit der Mat-Verwendung eine Altersfreigabe von 16 oder 18 Jahren, werden also Filmen mit Gewalt, Blutvergießen oder expliziten sexuellen Handlungen gleichgestellt. Der Mat hat damit einen ganz anderen Status als der Gebrauch von Schimpfwörtern im deutschsprachigen Raum.

Während Mat in der Literatur früher selten verwendet und dann meist durch Punkte oder Auslassungen „unkenntlich“ gemacht wurde, ist er in den letzten Jahren durchaus auch in dem Massenpublikum zugänglichen Werken vertreten, z.B. bei Eduard Limonow, Wiktor Pelewin oder Wladimir Sorokin.

In einigen Spielarten des Punkrock und Heavy Metal gehört Mat inzwischen zur Normalität, was sich in den Texten von Bands wie Graschdanskaja Oborona, Sektor Gasa oder Leningrad widerspiegelt. Auch das Popduo t.A.T.u. protestierte 2003 mit T-Shirts mit der Aufschrift Chui woine (etwa „fick den Krieg“) gegen den Irak-Krieg und löste damit einen Skandal aus.

Ein Phänomen der letzten Jahre ist die extensive Verwendung des Mats in der relativen Anonymität des Internets, in Weblogs wie LiveJournal und auf speziellen Websites, deren Macher sich der Gegenkultur (russ. Контркультура) zurechnen[1][2], hier oft in Verbindung mit speziellem, oft sexistischem, homophobem oder antisemitischem Slang bzw. absichtlicher Falschschreibung vieler Wörter[3][4].

Schlüsselwörter

Der russische Mat greift auf vier Schlüsselbegriffe zurück, die durch Präfixe und Suffixe eine schier endlose Vielzahl an Substantiven, Adjektiven und Verben ergeben:

  • Chui (russisch  хуй?/i) — Schwanz (der wahrscheinlichste Ursprung ist von proto-slawisch hvoj: Nadel, etwas Stechendes (vgl. хвоя = Nadeln (eines Baums)))
  • Pisda (russisch  пизда?/i) — Fotze (ursprünglich: weibliches Harn-Ausscheidungsorgan, vgl. пи́сать = pinkeln)
  • Jebat′ (russisch  ебать?/i) — ficken (von proto-slawisch jebti: schlagen)
  • Bljad′ (russisch блядь) — Nutte (vgl. блуд: Laster, Unzucht, блудница = Nutte, Sünderin)

Diese Begriffe und ihre abgeleitete Formen können, je nach Zusammenhang, viele verschiedene Bedeutungen annehmen, die mit der Ursprungsbedeutung häufig nichts zu tun haben, z.B. пиздеть (pisdet′) = „lügen“ oder pisdez = etwa „Untergang“, „Katastrophe“, „alles im Arsch“. Es existiert auch eine Vielzahl von Redewendungen, die auf Mat-Schlüsselbegriffen aufbauen, unter anderem der weit über die Grenzen des russischen Sprachraums hinaus berüchtigte „Mutterfluch“  ёб твою мать?/i (job twoju mat; zu Deutsch „ficke deine Mutter“, kann aber, da job auch eine alte Vergangenheitsform von jebat′ darstellt, ebenso als „ich habe deine Mutter gefickt“ übersetzt werden, würde man ein ja (russisch я, also „ich“) an den Anfang dranhängen).

Im engeren Sinne zählen nur diese vier Schlüsselbegriffe sowie die aus ihnen abgeleiteten Wörter und Redewendungen zum Mat. Es gibt jedoch eine Reihe weiterer Schimpfwörter im Russischen, die manchmal ebenfalls fälschlich dem Mat zugeschrieben werden, weil sie als mehr oder weniger unanständig gelten und daher – zumindest nach Ansicht der etwas prüderen Fraktion – ebenfalls tabuisiert gehören. Dies sind beispielsweise die folgenden Begriffe:

  • Cher (russisch хер) — Schwanz – Verwendung ist nahezu identisch wie die von Chui; wo Letzteres eingesetzt ist, ohne sich konkret auf den 'Schwanz' zu beziehen, kann man auch Cher einsetzen, ohne dass der Sinn im Geringsten verfälscht wird. (Eigentlich ist Cher die lautmalerische Bezeichnung des russischen Buchstaben H, welche früher auch gleichbedeutend mit dem Wort Kreuz aufgrund der optische Ähnlichkeit verwendet wurde; somit handelt es sich um ein Ersatzwort, um das eigentliche Wort nicht auszusprechen und eine Art Eigenzensur durchzuführen, jedoch hat sich im Laufe der Zeit die eigentliche Bedeutung verloren und die Bedeutung der Wörter hat sich im volkstümlichen Gebrauch an Chui angeglichen.)
  • Pidor oder Pidaras (russisch пидор bzw. пидарас, in unterschiedlichen Schreibweisen) — verächtlich für Homosexuelle, „Schwuchtel“ (abgeleitet von педераст = Päderast)
  • Drotschit′ (russisch дрочить) — wichsen
  • Gandon oder Gondon (russisch гандон bzw. гондон) — Kondom
  • Suka (russisch сука) — bedeutet dasselbe wie 'bitch' im Englischen und bezeichnet eine Schlampe/Hure/Nutte. Seine eigentliche und völlig anständige Bedeutung ist „Hündin“. Diesbezüglich gibt es auch den Ausdruck „Hurensohn“ (Сукин сын/Sukin sin).

Siehe auch

  • Fuck im angelsächsischen Sprachraum

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Padonki.org
  2. Udaff.com
  3. Жаргон падонков in der russischen Wikipedia
  4. das russische-deutsche Wörterbuch des Padonok-Slangs

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