- My Lai
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Das Massaker von My Lai (Son My) war ein Kriegsverbrechen amerikanischer Soldaten, das 1968 während des Vietnamkrieges in dem südvietnamesischen Dorf Son My, genannt My Lai 4, begangen wurde.
Inhaltsverzeichnis
Verlauf
Am 16. März 1968 hatte eine Gruppe von amerikanischen Soldaten der 11. Infanterie-Brigade von Task Force Barker unter Leitung des Lieutenant Colonel Frank A. Barker den Auftrag, das kleine Dorf My Lai in der Provinz Quảng Ngãi einzunehmen und nach Guerilleros des Vietcong zu durchsuchen, da die Bewohner als potenzielle Unterstützer des Vietcong galten.
Die Soldaten vergewaltigten Frauen und erschossen fast alle Bewohner des Dorfes: 503 Zivilisten, davon 182 Frauen, 172 Kinder, 89 Männer unter 60 Jahren und 60 Greise. Sogar sämtliche Tiere wurden getötet. Kaum ein Soldat verweigerte den Befehl zum Mord. Lediglich der amerikanische Hubschrauberpilot Hugh Thompson zwang die Soldaten durch die Drohung, seine Bordschützen Glenn Andreotta und Lawrence Colburn mit dem MG auf sie feuern zu lassen, elf Frauen und Kinder zu verschonen, die er in Sicherheit brachte. Für ihr Eingreifen wurde die Hubschrauberbesatzung exakt dreißig Jahre später mit der Soldier’s Medal ausgezeichnet.
Vertuschung
Unmittelbar nach dem Verbrechen versuchten führende Offiziere, das Massaker zu vertuschen. Als Hauptmann Ernest Medina am 15. März 1968 die Einheiten der Task Force Barker auf die am nächsten Tag anstehende Operation in der Provinz Quang Ngai einstimmte, sprach er verharmlosend vom „Ausflug nach Pinkville“, so der Army-Spitzname für My Lai, bei dem es darauf ankomme, seinen „gesunden Menschenverstand“ zu gebrauchen und ein Gebiet zu säubern, „in dem Charly nichts verloren hat“.
Nach offizieller Darstellung waren in My Lai rund 20 Zivilisten im Rahmen von Kampfhandlungen gegen den Vietcong unbeabsichtigt ums Leben gekommen.
Öffentliches Bekanntwerden
Die Mauer des Schweigens hielt 18 Monate, erst dann wurde das Massaker von My Lai in der Öffentlichkeit bekannt. Am 5. Dezember 1969 erschien im Life-Magazin ein ausführlicher Artikel über das Massaker. Anschließend berichteten auch Newsweek und das Time-Magazin über den Vorfall. Die Weltöffentlichkeit reagierte schockiert. Nur vier Soldaten wurden vor ein Militärgericht gestellt. Lediglich der befehlshabende Offizier William Calley wurde von einem Gericht am 31. März 1971 zu lebenslanger Haft verurteilt, die aber durch US-Präsident Richard Nixon bereits am darauffolgenden Tag in Hausarrest umgewandelt wurde, ehe er ihn 1974 vollends begnadigte.
Seymour Hersh, der Journalist, der die Umstände des Falles aufgedeckt hatte, bekam 1970 den Pulitzer-Preis für internationale Berichterstattung. Sein Bericht wurde durch schockierende Bilder des Fotografen Ron Haeberle illustriert. Dieser nahm an der Operation als offizieller Armeereporter teil, um Belege für die als „Body Counting“ bezeichnete Militärstatistik zu liefern. Die fotografierten Leichen wurden von den Offizieren als gefallene Vietcongkämpfer identifiziert. Doch Vietcong wurden im Dorf keine angetroffen und es gab auch keinen Widerstand. Dennoch war die Armee mit dem Einsatz äußerst zufrieden, denn es gab keinen toten und lediglich einen verletzten GI. Dabei handelte es sich um den Soldaten PFC Herbert Carter, der sich selbst in den Fuß geschossen haben soll, um per MedEvac vom Ort des Geschehens evakuiert zu werden. 128 tote Vietcongs gab es angeblich offizieller Verlautung auf der Gegenseite. Zeugen wie der Hubschrauberpilot Hugh Thompson, welcher den Fortgang des Massakers mit Waffengewalt verhinderte, sprach in Interviews von 400 bis 500 Leichen, die er gesehen habe. Ein Jahr hat es gedauert, bis Hersh einen Verlag fand, der bereit war, seine Geschichte und seine Bilder zu veröffentlichen. So lehnten auch das Life und Look Magazin Hersh`s Story zunächst ab. Sie wurde daraufhin zuerst am 13. November 1969 veröffentlicht, nachdem die unabhängige Nachrichtenagentur Dispatch News Service 50 Herausgeber und Zeitungen persönlich kontaktiert hatte.
Wirkung
Die Veröffentlichung markierte eine deutliche Wende in der öffentlichen Meinung zum Vietnamkrieg, sowohl in den USA wie auch in der ganzen westlichen Welt, und trug entscheidend zur Mobilisierung der Antikriegsbewegung bei.
Heute befindet sich an der Stelle ein kleines Dokumentationszentrum, in welchem die damaligen Vorgänge sachlich dargestellt werden. Neben dem ehemaligen Dorf finden sich zwei gepflegte Gebäude, eine Schule und ein Kulturzentrum. Errichtet und unterhalten werden sie von amerikanischen Vietnamkriegsveteranen.
Siehe auch
Filme
- Joseph Strick: Interviews with My Lai Veterans, 1971, 21 min (Doku)
- Walter Heynowski, Gerhard Scheumann: Am Wassergraben, 1978, 16 min (Doku)
- Oliver Stone: Pinkville (in Planung)
Literatur
- Bernd Greiner: Krieg ohne Fronten. Hamburger Edition, Hamburg 2007, ISBN 978-3-936096-80-4.
Weblinks
- Beschreibung des Massakers von Ronald Ridenhour (englisch)
- Massaker von My Lai (Deutschlandfunk)
- Doug Linder: Famous American Trials: The My Lai Courts-Martial 1970 (englisch)
- Oliver Stone verfilmt das Massaker von My Lai
- My Lai 1968: Ausflug nach Pinkville
- Ein amerikanisches Trauma
15.174369444444108.88172222222Koordinaten: 15° 10′ 27,73″ N, 108° 52′ 54,2″ O
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