Nagel (Anatomie)

Nagel (Anatomie)
Fingernägel eines Menschen
Zehennägel eines Menschen

Als Nagel (lateinisch Unguis) wird bei Primaten eine gewölbte, durchscheinende Keratinplatte auf der Oberseite der Finger- oder Zehenspitze bezeichnet, die einerseits dem Schutz der Fingerkuppen, andererseits der Unterstützung der Greiffunktion dient.

Die Entsprechungen zum Nagel in der Tierwelt werden als Klauen, Hufe oder Krallen bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung und Funktion

Anatomische Darstellung des Nagels, Längsschnitt[1][2][3]
Fingernagel, Aufsicht

Die Nägel (auch als Nagelplatten bezeichnet) sind Abkömmlinge der Epidermis, die nur bei Primaten in der hier dargestellten Form vorkommen. Sie bilden sich an der Nagelwurzel aus Hornplatten. Die Nagelwurzel liegt am Grunde der Nageltasche. Das Epithel, das in der Nageltasche dorsal der Nagelplatte aufliegt, wird als Eponychium bezeichnet; das, welchem der Nagel von palmar her aufliegt, als Hyponychium. Unter dem Hyponychium liegt das Nagelbett (bindegewebig), das fest mit dem Periost der Endphalanx verwachsen ist. Im Bereich der Nagelwurzel wird das Hyponychium zur Matrix, es bildet die Substanz der Nagelplatte – der entsprechende Bereich ist auch als Nagelmond (Lunula) erkennbar. Seitlich werden die Nägel von einer Hautfalte, dem sogenannten „Nagelwall“ umgeben.[2] Als Perionychium oder Perionyx (deutsch Nagelhaut[4]) bezeichnet man den am Nagelwall dorsal der Nagelplatte direkt aufliegenden, sichtbaren Hautanteil.

Mechanisch betrachtet stellen die Nägel ein Widerlager für die sensiblen Fingerbeeren (beim Tier „Tastballen“) dar. Sie liegen dem Nagelbett (Matrix bzw. Matrixepithel) auf und sind mit diesem ausreichend fest verbunden, um sie als wirksames Kratz-, Ritz- und Zupfwerkzeug einsetzen zu können. Wie wichtig der Nagel für diese Funktionen ist, wird auch an der vorhandenen dichten sensiblen Innervierung erkennbar.

Sind die Fingernägel stark nach oben gewölbt und dabei insgesamt eher rund als länglich, so spricht man von „Uhrenglasfingernägeln“.[2]

Nagelbildung und -wachstum

Nägel bestehen aus 100 bis 150 unregelmäßig übereinander geschichteten Lagen von Hornzellen und sind normalerweise zwischen 0,05 (Nagel eines Babys) und 0,75 mm stark. Die Nagelbildung (Onychisation) ist eine Verhornung tief hinter dem Nagelfalz ohne Bildung der Zwischenstufe Keratohyalin. Die verschiedenen Nägel wachsen unterschiedlich schnell, etwa 0,5–1,2 mm pro Woche. Eine Verzögerung des Nagelwachstums tritt im Alter, bei Traumata und bestimmten krankhaften Prozessen auf.[5]

Nagelfalz

Der Nagelfalz (Syn. Nagelwall) ist der Abschnitt der Haut, der die Finger- und Zehennägel an der Seite und an der Wurzel umfasst. Diese Hauterhebung bedeckt den nicht sichtbaren Teil des Nagels und gibt diesem Halt. Der Nagelwall dient auch als Schutz vor schmerzhaften Einrissen.

Krankheiten und Schädigungen

Grübchenbildung an den Fingernägeln bei Psoriasis

Als Merkregel gilt: Betrifft eine Störung die Nagelmatrix, so wächst die Nagelläsion aus. Betrifft sie das Nagelbett, handelt es sich um eine ortsbeständige Läsion. Finger- und Zehennägel können von einer Reihe von Krankheiten geschädigt werden. Eines der mit am häufigsten und fast nur von Frauen geschilderten Probleme betrifft die zu weichen und brüchigen Nägel: Die Gründe für dieses Symptom sind, soweit bekannt, noch nicht wissenschaftlich erforscht. Jedoch ist anzunehmen, dass durch chemische Nagellackentferner die Brüchigkeit begünstigt bzw. hervorgerufen wird. Auch eine erbliche Veranlagung kann für die Brüchigkeit verantwortlich sein.

Brüchige und splitternde Nägel können Anzeichen für einen Mangel an Biotin (Vitamin H) sein. Biotin ist essentiell für die Bildung der Hornsubstanz Keratin und trägt somit wesentlich zum gesunden Wachstum von Haut, Haaren und Fingernägeln bei.

Durch Haut- oder Nagelverletzungen (unter anderem) kann es zu einem Befall durch Nagelpilz (Nagelmykose) kommen, wovon Farbe und Form der Nägel beeinträchtigt werden. Eine Behandlung etwa an den nur langsam wachsenden Fußnägeln ist langwierig. Viele systemische Erkrankungen hinterlassen auch Symptome an den Nägeln, so zum Beispiel die Psoriasis (Schuppenflechte). Sie hinterlässt als charakteristische Veränderungen Tüpfelnägel und Ölflecke und im Extremfall Krümelnägel als Zeichen einer vollständigen Nageldystrophie.

Verletzungen am Nagelbett, zum Beispiel durch Einklemmen in einer Tür oder Ähnliches, bleiben meist ein Leben lang sichtbar. Schädigungen durch übermäßige Nutzung oder Belastung (beispielsweise durch Langstreckenläufe) wachsen, wenn genügend Zeit gegeben ist, wieder aus. Bei nicht genügend Zeit für eine Ausheilung wird die Nagelwurzel dauerhaft irreparabel geschädigt und der Nagel fällt ab.

Weiße Flecken auf Fingernägeln

Weiße Flecken

Bei den weißen Flecken im Nagel handelt es sich um eine mangelnde Verschmelzung der Nagelplatten, die aufgrund der veränderten Lichtreflexion (ähnlich wie bei der Lunula) milchig-weiß erscheinen. Die unversehrte Nageloberfläche dagegen reflektiert durch ihre annähernd glatte Struktur das Licht gebündelter, wodurch die Nägel leicht spiegelnd wirken. Die mangelnde Verschmelzung hat viele verschiedene Ursachen, beispielsweise wird sie von einem Stoß[6] oder aber auch von Krankheiten oder Medikamenten verursacht. Der weitverbreitete Mythos, weiße Stellen oder Flecken auf Fingernägeln (Leukonychia punctata) seien Zeichen einer Eiweißmangelerscheinung oder durch einen Calcium- oder Magnesiummangel bedingt, ist falsch.

Niednagel am Daumen

Niednagel

Ein Niednagel (nach niederl. nijdnagel „Neidnagel“; nach dem Volksglauben, ein Niednagel entstünde, wenn man von einem neidischen Blick getroffen wird) ist ein abgelöster, aber noch festsitzender schmaler Hautstreifen zur Seite der Nägel. Dieser kann schmerzhaft einreißen und vereinzelt auch Entzündungen verursachen. Um dies zu verhindern, sollte man den Niednagel möglichst nahe am Ansatz abschneiden.

Nagelkauen

Ein beim Menschen häufiger Ausdruck von Nervosität ist das Abkauen der überstehenden Teile der Fingernägel und der Nagelhaut (Eponychium), siehe Onychophagie.

Fingernagelprobe

In der Rettungsmedizin ist die Fingernagelprobe eine Methode zur orientierenden Feststellung der peripheren Durchblutungssituation, welche einen groben Rückschluss auf die Kreislaufsituation zulässt, insbesondere bei wenig Zeit für die Untersuchung eines jeden Verletzten, etwa bei Katastrophen und Unfällen. Dabei wird der Nagel kurz ins Nagelbett gedrückt, sodass sich dieses weiß färbt. Ist die Zeit bis zur Wiedereinfärbung länger als eine Sekunde, liegt eine Mangeldurchblutung vor. Jedoch können vorausgegangene Nagelverletzungen dieses Ergebnis verfälschen.

Als Fingernagelprobe werden auch Materialprüfungen bezeichnet. Entweder wird der Nagel in das Material eingedrückt und dann auf Verformungen oder Ähnliches geachtet oder der Prüfer fährt mit dem Nagel über die Oberfläche, um anhand eines Vergleichnormals die Rautiefe zu bestimmen.

Die Fingernagelprobe ist nicht zu verwechseln mit der sprichwörtlichen Nagelprobe.

Pflege

Die Pflege der Finger- und Fußnägel bezeichnet man als Maniküre bzw. Pediküre. Regelmäßiges Säubern, Schneiden und Feilen der Fingernägel mit geeigneten Werkzeugen beugt Erkrankungen vor. Jedoch sollte man beim Feilen der Nägel darauf achten, dass man immer in eine Richtung feilt, um ein Ausfransen des Nagels zu verhindern. Im Handel sind verschiedene Nagelpflegemittel erhältlich.

Gesellschaft und Kultur

Durch lange Fingernägel zeigte in China zur Zeit der Qing-Dynastie der Träger, dass er keiner körperlichen Arbeit nachgehen musste. Dies ist auch heute noch in manchen Ländern Asiens und Afrikas (Ägypten) üblich, wobei meistens nur der Nagel des kleinen Fingers ungeschnitten gelassen wird.

Im Deutschen ist die Redewendung Unter den Nägeln brennen für Ungeduld geläufig. Sie soll daher stammen, dass die Mönche beim nächtlichen Beten bzw. Texte lesen eine kleine Kerze auf einem Daumennagel befestigten und gegen Ende der Lesung in Zeitnot gerieten, weil es unter den Nägeln brannte.

Siehe auch

Nägel eines Asiatischen Elefanten

Literatur

  • Hansotto Zaun, Dorothee Dill-Müller: Krankhafte Veränderungen des Nagels. Spitta, 2004, ISBN 3-934211-69-0.

Weblinks

 Commons: Nägel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Adolf Faller, Michael Schünke: Der Körper des Menschen. 15. Auflage. Thieme Verlag, Stuttgart 2008, S. 764 f.
  2. a b c R. Bertolini, e.a.: Systematische Anatomie des Menschen. Fischer, 1982, ISBN 3-437-00375-5, S. 586–587.
  3. Ian J. Alexander: Der Fuß. Untersuchung und Diagnostik. Springer, 1990 (Originaltitel: The foot, übersetzt von Arnd Herz), ISBN 3-540-53820-8, S. 19ff.
  4. P. Reuter: Springer Lexikon Medizin, Springer, 2004, ISBN 3540204121, S. 1667, hier online
  5. Hansotto Zaun, Dorothee Dill-Müller: Krankhafte Veränderungen des Nagels. 9. Aufl. Spitta Verlag GmbH & Co. KG, 2004, ISBN 9783934211698, S. 11.
  6. Drösser: Weiße Flecken auf den Fingernägeln signalisieren Kalziummangel. In: Die Zeit. Nr. 12, 1999.
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