Nationalanarchismus

Nationalanarchismus

Nationalanarchismus ist eine seit 1998 vorkommende, randständige politische Idee, die Nationalismus und Anarchismus verbinden soll. Sie wird meist als Teil einer Querfrontstrategie im Rechtsextremismus betrachtet.

Vertreter und Position

In Deutschland propagiert Peter Töpfer seit etwa 1998 im Internet eine „nationale Anarchie“ als politisches Ziel, das den „rationalen Kern“ von Nationalismus und Anarchismus vereinen soll. Es gebe keine gemeinsame Organisationsform, jeder Nationalanarchist spreche für sich. Sie verträten eine radikale Alternative zur Globalisierung, die Multikulturalität nicht innerhalb, sondern zwischen ethnisch homogenen Völkern herstellen wolle.[1] Dieses Ziel verfolgen auch Troy Southgate in Großbritannien[2] oder Hans Cany in Frankreich.

Töpfer ist seit 1995 als Mitherausgeber der Zeitschrift „Sleipnir“ u.a. wegen Verbreitung von Holocaustleugnung[3] und seit 1998 als regelmäßiger Teilnehmer an NPD-Demonstrationen bekannt. Sein Versuch, mit der schwarz-roten Farbsymbolik[4] einen anarchistischen Flügel bei rechtsextremen Nationalisten zu propagieren, stieß dort auf Ablehnung. Seither wirbt Töpfer im Internet weiter für ein strategisches Bündnis von Rechtsextremisten mit „deutschen Anarchisten“ und unterstützt dazu aktiv rechtskräftig verurteilte Holocaustleugner wie Horst Mahler und befreundete Neonazis wie Christian Worch.[5] Er organisierte mehrere sogenannte Querfronttreffen, etwa mit Karl Nagel, ehemaliger Kanzlerkandidat der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands. Eins dieser Treffen im August 2001 wurde polizeilich aufgelöst, dabei wurde Töpfer verhaftet.[6] Er arbeitete mit Michael Koth vom „Kampfbund Deutscher Sozialisten (KDS)“ zusammen, einer neonazistischen Querfrontorganisation, die aus nationalistischer Sicht die DDR verherrlicht.[7] Gemeinsame Aktivitäten bezeichnen Töpfer und Koth als Bündnis nationale Linke im nationalen Widerstand und AG Antifaschismus im nationalen Widerstand.[8]

Einordnung

Anarchismus und Nationalismus sind im 19. Jahrhundert als einander ausschließende Weltanschauungen entstanden. Denn die anarchistischen Prinzipien Egalitarismus, Ablehnung von Herrschaft und Zwang setzen die prinzipielle Gleichheit der Individuen voraus und richteten sich daher gegen alle Ideologien, mit denen die ethnische Homogenisierung und der Ausschluss bestimmter Menschengruppen begründet werden. Dort, wo anarchistische Bewegungen politischen Einfluss gewannen, wandten sie sich entschieden gegen Faschismus und Rassismus, z. B. im Spanischen Bürgerkrieg 1936. Ebenso wenden sich heutige Anarchisten gegen Nationalismus.[9]

Deswegen kritisieren Beobachter wie Ralf Fischer, dass Nationalanarchisten ihre Ideologie als Unterströmung des Anarchismus ausgeben. Die nationale Anarchie deute die Anarchie zur Befreiung von Multikulturalität um. Der Nationalanarchismus sei in Wirklichkeit eine Spielart von Rassismus. Es handele sich dabei größtenteils um ein Internetphänomen. Vertreter der Strömung seien bereits vorher als Rechtsextreme aufgefallen.[10]

Der deutsche Anarchismusforscher Jochen Schmück führt in seiner „Datenbank des deutschsprachigen Anarchismus“ auch Publikationen von Karnevalisten und Nationalisten auf und begründet dies wie folgt:

„Und so finden sich dann in unserer Pressedokumentation neben den 99 Prozent echten anarchistischen und libertären Zeitschriften auch einige seltsame „Sumpfblüten“ von Pseudo-Anarchisten. Ich denke da z.B. an eine Faschingszeitung […] Aber auch an die Blätter der Anarcho-Stalinisten oder der sog. Nationalanarchisten. Denn auch das gehört zur Dokumentation der Wirkungsgeschichte des deutschsprachigen Anarchismus mit dazu, dass das Label „anarchistisch“ auch von Nicht- oder Anti-Anarchisten aus taktischen oder sonstigen Gründen übernommen wird.[11]

Der Verfassungsschutz des Landes Brandenburg ordnete Töpfers Aktivitäten 2002 als rechtsextreme Querfrontstrategie mit Bezügen zur Holocaustleugnung ein:[7]

„Ein weiterer Vertreter der “Querfrontstrategie” ist der “bekennende Nationalanarchist” Peter Töpfer aus Berlin. Er ist mitverantwortlich für eine Website mit dem bezeichnenden Namen www.querfront.de. Mitte bis Ende der 90er Jahre gab er zusammen mit Andreas Röhler im “Verlag der Freunde” die Publikation “Sleipnir” heraus, in der Beiträge verschiedenster Autoren, gleich welche politische Position sie vertraten, abgedruckt wurden – häufig ohne deren Zustimmung. Das Konzept von “Sleipnir” war die grenzenlose Meinungsfreiheit. Häufig fanden sich Artikel im Heft, in denen der Holocaust geleugnet wurde. Die “Querfront”-Redaktion geht vorsichtiger zu Werke. Bislang ist es ihr aber nicht gelungen, “aus der politischen Sackgasse herauszukommen” und rechtsextremistische Auffassungen akzeptabler zu machen.“

Soziologe Thomas Pfeiffer ordnet Töpfers Ideologie ebenfalls als Querfrontversuch mit einer Nähe zur Neuen Rechten ein:[12]

„Eine gewisse Renaissance erlebt die Querfront-Strategie auch in Kreisen, die anarchistische und rechtsextremistische Ansätze zusammenführen möchten und sich daher als „nationalanarchistisch“ verstehen. Zu ihrer Belebung hat insbesondere der frühere Mitherausgeber der neurechten Zeitschrift 'Sleipnir' (vgl. 7.2.1), der Berliner Peter Töpfer, beigetragen. Mittlerweile tauchen nationalanarchistische Gedanken auch auf mehreren Internet-Seiten aus diesem Umfeld auf.“

Roger Griffin zählt die Ideologie des Briten Troy Southgate, der sich ebenfalls als Nationalanarchist bezeichnet[13], zum Spektrum Querfront und kategorisiert dieses insgesamt als „Metapolitisierung des Faschismus“.[14]

Einzelnachweise

  1. Webseiten Peter Töpfers
  2. zu Southgates Eigendarstellung: Interview im Englischen; Interview with National Anarchist, Troy Southgate in extreme politics, abgerufen 11. Dezember 2009
  3. Innenministerium NRW: Sleipnir - Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik
  4. Nunzio Pernicone, Italian Anarchism, 1864-1892, p. 93 zitiert nach Anarchist FAQ: The earliest recorded use of the red-and-black colours was during the attempted Bologna insurrection of August 1874 where participants were „sporting the anarchists' red and black cockade.“ [Nunzio Pernicone, Italian Anarchism, 1864-1892, p. 93] In April 1877, a similar attempt at provoking rebellion saw anarchists enter the small Italian town of Letino „wearing red and black cockades“ and carrying a „red and black banner.“ These actions helped to „captur[e] national attention“ and „draw considerable notice to the International and its socialist programme.“ [Nunzio Pernicone, Op. Cit., pp. 124-5 and pp. 126-7] Significantly, another historian notes that the insurgents in 1874 were „decked out in the red and black emblem of the International“ while three years later they were „prominently displaying the red and black anarchist flag.“ [T. R. Ravindranathan, Bakunin and the Italians, p. 208 and p. 228] , abgerufen 6. Dezember 2009
  5. Peter Nowak: „Schwarzrote Fahne“, in: Blick nach Rechts 25/16. Dezember 1999 (für Nichtmitglieder kostenpflichtig)
  6. Amtsgericht Rotenburg an der Fulda, Aktenzeichen: 53a GS 36/01]
  7. a b Verfassungsschutzbericht Land Brandenburg 2002, S. 29 (pdf)
  8. Stressfaktor, Februar 2005: Peter Töpfer, Querfrontler aus Lichtenberg
  9. The Pierre J. Proudhon Memorial Computer Infoshop.org (Dezember 1998): Are anarchists opposed to National Liberation struggles?
  10. Ralf Fischer: Nationaler Anarchismus? Anarchismus von Rechts! (pdf)
  11. „ALLES BLEIBT ANDERS“: Interview mit Jochen Schmück zum zehnjährigen Bestehen der DadA-Website (1. Mai 2006)
  12. Thomas Pfeiffer, Verfassungsschutz NRW (25. April 2003): Die Neue Rechte in Deutschland, S.66
  13. Troy Southgate: Transcending the Beyond from Third Position to National-Anarchism
  14. Roger Griffin: Fascism’s new faces (and new facelessness) in the 'post-fascist’ epoch

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