Natursteinverankerung

Natursteinverankerung
Der Deutsche Pavillon der Weltausstellung 1929 in Barcelona von Mies van der Rohe war mit Natursteinplatten verkleidet
Das Shell-Haus in Berlin wurde als eines der ersten Gebäude mit Natursteinplatten in großem Umfang verkleidet

Die Naturstein-Fassadenverankerung[1] von Platten gibt es in Deutschland seit den 1930er Jahren und sie ist heute (2008) ein wesentliches Arbeitsfeld des Steinmetzhandwerks. Dabei werden nicht nur Platten mittels Edelstahlanker an Bauwerken befestigt, sondern am Bau vorher aufgemessen und mit Steinbearbeitungsmaschinen, wie Steinsägen, Steinschleifmaschinen und Steinbohrmaschinen hergestellt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Detlev-Rohwedder-Haus (ehemaliges Reichsluftfahrtministerium) wurde 1935 mit ca. 42.000 m² Natursteinplatten verkleidet

Mit dem Rückgang von Massivbauten aus Naturstein im Bauwesen zu Beginn des 20. Jahrhunderts und dem Aufkommen von Bauten aus Stahlbeton wurde als Alternative zum massiven Werkstein die Technologie des Verankerns von Natursteinplatten entwickelt. Darüber hinaus machte der Bauhausstil mit Bauformen ohne Bauzier die Verwendung von ornamentierten Werksteinen, die eine gewisse Dicke erfordern, obsolet und Schnörkellosigkeit war gefragt.
Als richtungsweisend für die neue Architektur, die mit Natursteinplatten gestaltete, gilt der Deutsche Pavillon der Weltausstellung in Barcelona (1929) von Mies van der Rohe, der mit Travertin und Serpentinit verkleidet wurde. Eines der ersten Bauwerke, bei dem in großem Umfang „dünne“ Natursteinplatten vorgehängt wurden, war das sogenannte „Disch-Haus“[2] von Bruno Paul in Köln (1929) “[3] und das Shell-Haus (1930-1931) von Emil Fahrenkamp in Berlin. Das damalige Montagesystem folgte vier Grundsätzen: „Fortlaufend fester Aufstand [der Natursteinplatten], Haftverbund mit Hintermörtelung, Verankerung als Kippsicherung, kraftschlüssiger Mörtelverbund in den Fugen.[4] Im großen Stil wurde diese Technologie am Reichsluftfahrtsministerium (1935), heute Detlev-Rohwedder-Haus, mit etwa 42.000 Quadratmetern Außenfassade umgesetzt.

Diese Verankerungs- und Versetztechnologie ist nach heutigem Erkenntnisstand unbefriedigend, da die Verankerung mit Eisenankern erfolgte und die Fassadenplatten hintermörtelt wurden. Die Eisenanker sind der alkalischen Reaktion des Mörtels ausgesetzt, was zur Korrosion führt, ferner kann Wasser über defekte Fugen eindringen und zu Frostschäden hervorrufen.[5] Des Weiteren führt die thermische Ausdehnung zu Spannungen beim großflächigen Verbund der Platten untereinander; dies kann Risse der Steinplatten und Abblösungen des Mörtels vom Untergrund verursachen. Kriegsschäden aus dem Zweiten Weltkrieg und deren unsachgemäße Sanierung in der Nachkriegszeit schädigte die Natursteinfassaden, die mit dieser Technologie verankert waren.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde weiterhin mit dieser Technologie versetzt. Am 1. Juli 1961 veröffentlichte der Deutsche Naturwerkstein-Verband Verankerungsbeispiele in denen der beratende Bauingenieur Johannes Wieczorek statische Berechnungen vornahm, die von der Landesgewerbeförderungsanstalt Bayern in Würzburg überprüft wurden und die Voraussetzung für eine Normung lieferten. Zeitnah ging die Entwicklung und Produktion von Edelstahlankern in Serie voran, die von der Firma Lutz in Wertheim vorgenommen wurde. Des Weiteren wies Professor Schaupp in seinem Werk von 1962 Die Außenwand auf die Bedeutung der Hinterlüftung hinsichtlich der Wasserdampfdiffusion und Wärmedämmung hin. Ferner verdeutlichte er die Notwendigkeit der Dehnfugen zwischen den einzelnen steinernen Platten.[6] Diese Norm, die bis heute gilt, sieht eine 3 Zentimeter dicke Platte aus Hartgestein, die an 4 Verankerungspunkten befestigt ist sowie die korrosionsbeständige Edelstahlverankerung aus V4A-Stahl grundsätzlich mit einer Hinterlüftung einer 2 Zentimeter starken Luftschicht vor. Dadurch wurde die Entkopplung der Natursteinplatten von der dahinter liegenden Wärmedämmung möglich.

Fassade der Ägyptischen Botschaft in Berlin, die durch Ornamente gestaltet ist

Anforderungen

  • Gestaltungsanforderungen: Die Außenhaut eines Gebäudes wird durch Gesteinsauswahl, Format der Platten und Wahl des Fugenschnitts zu einem gestalterischen Element des Bauens. Die Steinfassade erzeugt durch die Oberflächenbearbeitung, Textur als Ansammlung von Mineralen im Naturstein und Zeichnung des Steinmaterials (Farbe, Farbwechsel, Adern) ein gestaltetes Bild.
  • Ökonomische Anforderungen: Naturwerkstein wird mit geringem Energie- und Kostenaufwand, im Gegensatz zu anderem Baumaterial gewonnen und hergestellt; er ist nicht brennbar, ferner kann er unproblematisch entsorgt werden, da es sich um ein Naturmaterial handelt. Naturwerkstein ist in einer mittelfristigen ökonomischen Betrachtung eines der kostengünstigen Baumaterialien.
  • Technische Anforderungen: Die Verwitterungsbeständigkeit des Naturwerksteins muss gegeben sein, der Schutz des dahinterliegenden Gebäudekonstruktion und optimales Einbringen der Wärmedämmung sind zu gewährleisten. Jede Fassadenplatte muss sich einzeln aufgrund der thermischen Ausdehnung von Naturstein frei bewegen können. Deswegen sollen die Fugen an den Platten entweder offen bleiben oder lediglich mit elastischen Fugmassen geschlossen werden.
Versetztechnik von Natursteinplatten, hier aus Rochlitzer Porphyr ohne Wärmedämmung

Grundsätze der Verankerung

Die Natursteinplatten werden grundsätzlich an vier Punkten verankert. Ein Sonderfall ist die an drei Punkten verankerte Platte. In die Plattenkanten fassen die Ankerdorne mindestens 25 Millimeter tief ein. Die Bohrungen in den Plattenkanten dürfen den Abstand zu den Plattenaußenkanten von 10 Millimetern aus statischen Gründen (Ankerdornausbruchslast) nicht unterschreiten.
Der Konstruktionsaufbau heutiger Natursteinfassaden:

  • Natursteinplatten mit einer Mindestdicke von 30 Millimetern für Hartgestein und 40 Millimeter für Weichgestein
  • Luftschicht mit einem Abstand von Natursteinplatte zu Wärmedämmung mindestens 20 Millimeter (Schlagwetterseite bis zu 50 Millimeter oder im Einzelfall 0,5 Zentimeter)
  • Wärmedämmung nach Anforderung der geltenden Wärmeschutzverordnung
  • Befestigungsuntergrund aus Beton und Mauerwerk mit einer Mindestfestigkeit von 12 N/mm²

Sind diese Voraussetzungen gegeben und die entsprechend dimensionierten Standardanker aus V4A-Stahl bestimmt, ist keine statische Berechnung erforderlich, sondern die Anforderungen einer sogenannten typengeprüften Verankerung sind erfüllt.

Ankertypen und Verankerungstechnik

Es gibt die sogenannten Einmörtelanker, die in Bohrlöcher im Beton und Mauerwerk mit hochwertigen schnellabbindenden Zementmörteln eingemörtelt werden. Des Weiteren wird mit Dübelankern im Bauuntergrund oder auf V4A-Schienenunterkonstruktionen befestigt. Die sogenannten Hinterschnittverankerung, wobei in die Plattenrückseiten und nicht in in den Plattenkanten verankert wird, ist ein Sonderfall. Dies gilt auch für die Schweißanker, bei denen die Edelstahlanker an Stahlplatten im Beton angeschweißt werden.

Grundsätzlich erfüllen die Ankerdorne der Halteanker in senkrechten Fugen, die in die Platten im oberen Fünftel der Plattenseite einfassen, eine Haltefunktion. Die Trageanker, die im unteren Fünftel der Plattenseite einfassen, erfüllen eine Doppelfunktion, eine Trage- und Haltefunktion. Letztere tragen auch das Eigengewicht der einzelnen Platten. Wird in der Vertikalfuge verankert, kommen nur Trageanker zum Einsatz. Weitere Ankertypen sind die Pfeiler- und Schraubanker. Darüber hinaus gibt es für spezielle Anwendungen und großformatige Platten Sonderanker.

Literatur

  • Heinrich Rhein: Naturwerkstein-Fassaden. Versetztechnik und Grundlagen der Bemessung. In: Bildungszentrum für das Steinmetz- und Bildhauerhandwerk. Das Handbuch für die tägliche Arbeit mit Naturwerkstein. 2., überarb. Auflage, Ebner Verlag. Ulm 1994.
  • Alfred Stein: Bemessung von Natursteinfassaden. ISBN Konstruktion und Bemessung nach DIN 18516. Callwey-Verlag. München 200. ISBN 3766714074
  • 100 Jahre Verbände der Naturwerksteinindustrie, Naturwerkstein, Anspruch und Verpflichtung, hrsg. v. Deutschen Naturwerksteinverband e. V., Marktheidenfeld 2000.

Weblinks

  • Verwendbarkeitsnachweis für Naturstein Download

Einzelnachweis

  1. Verankerungen bzw. Befestigung von massiven Bauteilen aus Naturstein sind bereits im Antiken Griechenland vorgenommen worden, wobei auskragende und statisch beanspruchte Bauteile mittels eiserner Anker gesichert und eingebleit wurden
  2. Abbild des Disch-Haus: Online verfügbar disch-haus.de
  3. Deutscher Naturwerksteinverband: 100 Jahre Verbände. S. 15 (siehe Literatur)
  4. Deutscher Naturwerksteinverband: 100 Jahre Verbände. S. 19 (siehe Literatur)
  5. Sanierung der Fassade des Shellhauses: Online verfügbar: at.fischer.de
  6. 100 Jahre Verbände der Naturwerksteinindustrie. S. 23 (siehe Literatur)

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