Bruno Paul

Bruno Paul
Paul in seinem Atelier
Ehrengrab, Potsdamer Chaussee 75, in Berlin-Nikolassee

Bruno Paul (* 19. Januar 1874 in Seifhennersdorf; † 17. August 1968 in Berlin) war als Architekt ein Wegbereiter der modernen Zweckarchitektur, außerdem satirischer Zeichner, erfolgreicher Möbeldesigner und Inneneinrichter. Er wirkte über lange Jahre als Hochschullehrer und beeinflusste dabei bedeutende Künstler wie Ludwig Mies van der Rohe, Adolf Meyer, George Grosz und Hannah Höch.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach dem Abitur besuchte Bruno Paul zunächst auf Wunsch seines Vaters das Friedrichstädter Lehrerseminar in Dresden. Erst als der Vater vom künstlerischen Talent seines Sohns überzeugt war, konnte Paul von 1892 bis 1894 Malerei an der Kunstakademie Dresden studieren[1]. Bei Paul Hoecker an der Akademie der Bildenden Künste München setzte er seine künstlerische Ausbildung fort. Zusammen mit Bernhard Pankok, Richard Riemerschmid und Hermann Obrist gründete er 1897 die Münchner Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk. Im selben Jahr veröffentlichte die im Jahr zuvor gegründete satirische Wochenzeitschrift „Simplicissimus“ die ersten Zeichnungen von Bruno Paul. 1903 zeichnet er das berüchtigte Plakat für das münchner politische Cabarett Die Elf Scharfrichter. Seine Lehrtätigkeit begann 1906, als er zum Leiter der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin ernannt wurde. 1907 war er Mitbegründer des Deutschen Werkbundes. 1910 übertrug man ihm die künstlerische Leitung der Deutschen Abteilung auf der Weltausstellung in Brüssel. Seit 1911 arbeitete er mit den Deutsche Werkstätten Hellerau zusammen. 1919 wurde er in die Preußische Akademie der Künste berufen.

Ebenfalls 1919 hatte er die programmatische Schrift „Erziehung der Künstler an staatlichen Schulen“ herausgegeben. 1924 wurde Bruno Paul, der zu diesem Zeitpunkt schon ein umfangreiches Gesamtwerk vorweisen konnte, Direktor der Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst („VS“, heute Universität der Künste) in Berlin.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verlor er 1933 alle seine Ämter, konnte aber anonym als Architekt und Designer weiterarbeiten. Paul entwarf 1935 für Karl Schmidt-Hellerau das Anbaumöbelprogramm „Die wachsende Wohnung“, das auch nach dem Zweiten Weltkrieg bis circa 1958 in den Deutsche Werkstätten Hellerau produziert wurde. 1937 schloss man ihn aus der Preußischen Akademie der Künste aus. Trotzdem wurde Paul von Adolf Hitler geschätzt, sodass er ihn in der Endphase des Zweiten Weltkriegs in die Gottbegnadeten-Liste der wichtigsten Architekten aufnahm, was ihn vor einem Kriegseinsatz, auch an der Heimatfront bewahrte.[2]

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges arbeitete er zunächst in Frankfurt am Main und Hanau, zog 1951 nach Düsseldorf, wo er hauptsächlich im Ingenieur- und Brückenbau tätig war und kehrte 1957 nach Berlin zurück. Dort starb er 1968. 1955 hatte die Akademie der Künste ihn rehabilitiert.

Paul wurde auf dem Waldfriedhof Zehlendorf in Berlin-Nikolassee beigesetzt. Die Grabstätte gehört zu den Ehrengräbern des Landes Berlin.

Werk

Karikatur, Design

Villa Traub in Prag

Zwischen 1897 und 1906 entstanden für den „Simplicissimus“ 492 Karikaturen, die letzten fünf unter dem Pseudonym Ernst Kellermann, die im Lauf der Jahre immer bissiger wurden. Mit seiner Berufung nach Berlin gab er diese Tätigkeit, die ihm als preußischem Professor hätte Probleme bereiten können, vollständig auf. Parallel zu seiner Arbeit als Karikaturist hatte sich Bruno Paul auch eine Position als gefragter Möbelentwerfer und Innenarchitekt erarbeitet. Er entwarf kostspielige Einzelanfertigungen für das Luxussegment, aber auch typisierte Möbel für die serielle Fertigung. Sein Arbeitszimmer wurde auf der Weltausstellung in St. Louis 1904 mit einem Grand Prix ausgezeichnet. In der Folge gestaltete er unter anderem den Wartesaal im Nürnberger Hauptbahnhof – ein Auftrag der Bayerischen Staatsregierung – sowie die Ausstattung und Inneneinrichtung für den Doppelschrauben-Schnellpostdampfer Kronprinzessin Cecilie, ein Transatlantikliner des Norddeutschen Lloyd, der zu den ehrgeizigsten und erfolgreichsten deutschen Passagierschiffprojekten des 20. Jahrhunderts zählt. Neben Paul waren unter anderem der langjährige künstlerische Leiter des Lloyd, Johann Georg Poppe, Joseph Maria Olbrich und Richard Riemerschmid an diesem Auftrag beteiligt.[3] Im Anschluss an diese Arbeit wurde Poppe von Bruno Paul als Hausarchitekt des Lloyd abgelöst. In der Zeit bis 1909 war Paul für die Ausstattung von drei weiteren Schiffen, darunter den Schnelldampfer Prinz Friedrich Wilhelm, verantwortlich. Das einst im Speisesaal dieses Schiffes aufgestellte und von Paul entworfene Einbauklavier, das der Klavierbauer Ibach ausführte, hat sich bis heute erhalten.

Architektur

Das Kathreiner-Hochhaus in Berlin
Villa Sternberg in Soest, innen wie außen der besterhaltene Bau Bruno Pauls in der Stadt.
Neoklassizistische Prachtvilla 1913: das Frankfurter Nellinistift
Villa Gans auf einer Briefmarke der Deutschen Reichspost (1939)

Als Architekt stand Bruno Paul der so genannten „Neuen Sachlichkeit“ nahe. Diese Strömung in der Architektur grenzte sich einerseits vom Expressionismus ab, andererseits, erkenntlich an der Verwendung des Wortes „neu“, von einer ihr vorausgehenden Bewegung zu Einfachheit und Zweckmäßigkeit, die 1906/1907 in Deutschland mit der Abkehr vom Jugendstil verbunden war. Die Neue Sachlichkeit wurde besonders durch die Architekten der Bauhaus-Schule berühmt, zu ihr gehören aber auch zahlreiche Bauten und städtebauliche Projekte anderer Werkstätten.

Eine erste Arbeitsprobe als Architekt hatte Bruno Paul 1907 mit dem „Haus Westend“ in Berlin geliefert. Von 1907 bis 1908 war Ludwig Mies van der Rohe im Architekturbüro von Bruno Paul tätig.[4] Adolf Meyer, einer der zentralen Wegbereiter der Industriearchitektur in Deutschland des 20. Jahrhunderts, arbeitete von 1909 bis 1910 in Bruno Pauls Büro.[5] Seit 1921 unterhielt er gemeinsam mit seinem Schwager Franz Weber ein Baubüro in Köln. Von hier aus wurden seine Projekte im Westen Deutschlands betreut, darunter repräsentative Villen und Landhäuser, zum Beispiel in Köln-Marienburg und Soest, denen er seinen Ruf als „Architekt der Gesellschaft“ verdankte. Zwischen 1926 und 1931 wurden in Soest nach Entwürfen von Bruno Paul drei Villen (der Familien Sternberg, Plange und Jahn), ein Wohnhausumbau (der Familie Hagen), ein Umbau eines Veranstaltungsraumes sowie ein Ruderheim am Möhnesee gebaut.[6] Die drei Villen sind äußerlich nahezu im Originalzustand und stehen unter Denkmalschutz. Die Villa Plange wird heute als Archiv des Kreises Soest genutzt; seit 2009 ist dort ein Raum mit restaurierten Möbeln von Bruno Paul eingerichtet.

Die Planung des „Disch-Hauses“ – benannt nach den Auftraggebern, einer Kölner Unternehmensgruppe – ging auf die alte Freundschaft mit Richard Riemerschmid zurück, der inzwischen Direktor der Kölner Werkschulen geworden war. Das Büro- und Geschäftshaus mit stark nach außen gekrümmter Fassade und ausgeprägten horizontalen Fensterbändern entstand 1930 und gilt als wichtigstes Zeugnis des Neuen Bauens in der Domstadt. Es ist eines der Hauptwerke des Architekten, ebenso wie die Erweiterungsbauten für die Verwaltung des Gerling-Konzerns in Köln. In diese Gruppe herausragender Arbeiten gehört auch die Villa für den Lederfabrikanten Edmund Traub von 1928/1930, eines der wichtigsten Beispiele des Funktionalismus in Prag, vor allem aber das zeitgleich errichtete Kathreiner-Hochhaus am Kleistpark in Berlin. Dieses erste reine Bürohochhaus in der Hauptstadt – einige Fabrikhochhäuser gab es schon – hat 12 Etagen und zwei sechsgeschossige Flügel. Das Gebäude wurde im Juli 1930 fertiggestellt und zunächst von der Verwaltung eines großen Malzkaffee-Herstellers genutzt, später von verschiedenen öffentlichen Dienststellen. Es steht unter Denkmalschutz.

Weitere Bauten

Auszeichnungen

Literatur

  • Art. Bruno Paul. In: Die Woche. Moderne illustrierte Zeitschrift, Band II, Nr. 25, S. 1090–1094.
  • Alfred Ziffer (Hrsg.): Bruno Paul. Deutsche Raumkunst und Architektur zwischen Jugendstil und Moderne. München 1992.
  • Dresdner Geschichtsverein e. V. (Hrsg.): Gartenstadt Hellerau. Der Alltag einer Utopie. Dresden 1997, ISBN 3-910055-42-7.
  • Andreas Strobl, Barbara Palmbach: Bruno Paul. Simplicissimus. Ausstellungskatalog, Pinakothek der Moderne, München. Staatliche Graphische Sammlung München 2003.
  • Jost Schäfer: Bruno Paul in Soest. Villen der 20er Jahre und ihre Ausstattung. Bonn 1993.

Weblinks

 Commons: Bruno Paul – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Alfred Ziffer: Rückblick auf ein Jahrhundert. In: Alfred Ziffer (Hrsg.): Bruno Paul. Deutsche Raumkunst und Architektur zwischen Jugendstil und Moderne. München 1992, S. 9 (mit ausdrücklichem Hinweis auf fehlerhafte Angaben zum Ausbildungsweg in anderer Literatur!)
  2. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Frankfurt am Main 2007, S. 450.
  3. Mertens, Eberhard (Hrsg.): Die Lloyd-Schnelldampfer. Kaiser Wilhelm der Große, Kronprinz Wilhelm, Kaiser Wilhelm II., Kronprinzessin Cecilie. Olms Presse, Hildesheim 1975. ISBN 3487081105. S. 14
  4. vgl. Franz Schulze: Mies van der Rohe - Leben und Werk. Berlin 1986, S. 34f.
  5. vgl. Hans M. Wingler: Das Bauhaus. Bramsche 1975³, S. 236ff.
  6. vgl. Thomas Drebusch: Die Soester Villen. In: Alfred Ziffer (Hrsg.): Bruno Paul. Deutsche Raumkunst und Architektur zwischen Jugendstil und Moderne. München 1992.
  7. Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städtebau, Heft 1 1914/15
  8. Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städtebau, Heft 4 1914/15
  9. Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste
  10. Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste
  11. Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste
  12. Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste
  13. Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste
  14. Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste
  15. Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste

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