- Nautae parisiaci
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Die Stele der Nautae Parisiaci ("parisische Schiffsleute"), auch bekannt als Pariser Nautenpfeiler, ist ein Basrelief mit Darstellungen verschiedener Gottheiten aus der römischen und der gallischen Mythologie. Durch die Weiheinschrift ins erste Viertel des 1. Jahrhundert n. Chr. datierbar, stand sie wohl ursprünglich in einem Heiligtum in der gallorömischen civitas Lutetia (dem heutigen Paris). Sie gehört zu den frühesten Beispielen von Inschriften auf figürlicher gallischer Kunst (Hatt, 1952).
Inhaltsverzeichnis
Inschrift
Die Hauptdedikation nennt den römischen Gott Jupiter, es folgen Mars, Fortuna, die Dioskuren Castor und Pollux sowie Vulcanus. Von den gallischen Gottheiten werden Esus, der Tarvos Trigaranus ("der Stier mit den drei Kranichen"), Smertios und Cernunnos genannt. Zu verschiedenen Figuren, insbesondere auf dem Sockelstück, fehlen die Inschriften; sie sind im Laufe der Zeit unleserlich geworden oder vollständig verschwunden.
Datieren lässt sich die Stele durch die Widmung an Kaiser Tiberius (14–37 n.Chr.). Sie ist als Stiftung der parisischen Schiffsleute deklariert, also einer Art Gilde der lokalen Seine-Schiffer. Die eigentliche Weihinschrift[1] lautet:
- TIB(erio) CAESARE /
- AUG(usto) IOVI OPTUM[o] /
- MAXSUMO /
- NAUTAE PARISIACI /
- PUBLICE POSIERUNT //
Übersetzung: Dem Tiberius Caesar Augustus (und) dem Iupiter Optimus Maximus haben die parisischen Schiffsleute (diese Stele) öffentlich errichtet.
Auf den anderen Flächen folgt nun eine Reihe von Namen oder Titeln, von denen nicht alle geklärt sind. Interessant hier ist vor allem eine der seltenen Nennungen des Götternamens Cernunnos. Ebenfalls zu bemerken ist das Ausbleiben einer interpretatio Romana, der Neuinterpretation lokaler Gottheiten als "Manifestationen" römischer Götter, bei welchen die keltischen Namen zu bloßen Beinamen der römischen Götter werden.
- EURISES // SENANI U[S]EILONI //
- IOVIS // TARVOS TRIGARANUS //
- VOLCANUS // ESUS //
- [C]ERNUNNOS // CASTOR // [3] //
- SMER[tios?] //
- FOR[tuna?] // ]TVS[
eurises könnte möglicherweise ein gallischer Ausdruck zur Nennung der Stifter sein. senani oder senant ist ebenso wenig geklärt (womöglich ist die gallische Wurzel *sen- "alt" darin enthalten), während die weitere Lesung u[s]eiloni sehr ungewiss bleibt.
Beschreibung
Die Säule besteht aus einer "pierre de Saint-Leu-d'Esserent" genannten Art von Kalkstein, aus Saint-Leu, Oise. Im Original maß sie wahrscheinlich 5,24m in der Höhe und hatte eine Breite von 0,91m an der Basis und von 0,74m an der Spitze (Saragoza 2003). Sie setzte sich ursprünglich aus vier Quadern zusammen, deren vertikale Anordnung aufgrund ihrer nach oben abnehmenden Dicke ziemlich klar ist, wohingegen die konkrete Anordnung jedes einzelnen Blocks unklar ist (es bestehen 64 Möglichkeiten).
Der oberste Block, von dem nur die obere Hälfte auf uns gekommen ist, stellt gemäß den Inschriften Cernunnos, Smertios, Castor und (aufgrund der Ähnlichkeit zur Castor-Darstellung) wohl Pollux dar, dessen Name fehlt. Cernunnos ist mit einem kurzem Geweih, an dem zwei torques hängen, dargestellt; aufgrund der Anordnung seines Oberkörpers -- der Raum würde nicht ausreichen, um ihn mit ausgestreckten Beinen zu zeigen -- kann man mit gewisser Sicherheit eine Buddha-artige Körperhaltung annehmen, die auch auf anderen Darstellungen desselben Gottes erscheint. Von dem im Profil abgebildeten Smertios ist ebenfalls nur der Oberkörper zu sehen; der Gott hält in der rechten Hand eine Art Keule und scheint eine schlangenähnliche Gestalt anzugreifen. Die Abbildungen von Castor und Pollux zeigen beide Dioskuren mit einer Lanze neben ihren Pferden (Busson p.451).
Der komplett erhaltene zweite Block zeigt Jupiter, Esus, den Tarvos Trigaranus und Vulkan. Jupiter steht, in der einen Hand einen Speer, in der anderen seine Donnerkeile. Eusus ist in derselben Haltung wie wohl auch Smertios abgebildet, jedoch hält er in der Rechten einen Gertel, mit dem er sich an einem weidenähnlichen Baum zu schaffen macht. Der Stier mit den drei Kranichen steht anscheinend zwischen zwei Bäumen, die jenem des Esus-Fries gleichen, wobei zwei Kraniche auf seinem Rücken und einer auf seinem Haupt zu sehen sind. Vulkan ist frontal stehend mit seinen üblichen Schmiedewerkzeugen abgebildet (Busson pp.449-450)
Vom dritten Quader ist wiederum bloß die obere Hälfte erhalten, auf welcher sich auch die Weihinschrift befindet. Was sich im unteren Teil des beschriebenen Feldes befand, ist heute nicht mehr zu ermitteln. Auf zwei der übrigen Seiten sind jeweils drei Männer mit Schild und Speer abgebildet, wovon die eine Gruppe bartlos, die andere, mit der Überschrift EVRISES bärtig erscheint. Eine weitere Gruppe zeigt mindestens drei Personen, von denen eine gemeinhin als weiblich interpretiert wird, unter der unvollständigen Inschrift SENAN, die möglicherweise nach der oben angegebenen Transkription zu erweitern ist.
Der unterste Block ist etwas breiter als die oberen, wobei wiederum die untere Hälfte fehlt. Auf den vier Seiten sind jeweils zwei Figuren dargestellt. Die Inschriften sind zum größten Teil unleserlich oder ganz verschwunden. Aufgrund seines Helmes lässt sich Mars relativ eindeutig identifizieren; er befindet sich in Begleitung einer unbekannten weiblichen Gestalt. Fortuna steht neben einem anscheinend einmal speerbewehrten Gott, während Merkur und Venus nur ahnungsweise identifizierbar sind und ihre jeweiligen Begleiter unbekannt bleiben müssen (Busson p.447).
Geschichte der Stele
Die gallische Stadt Lutetia war größtenteils noch auf die Île de la Cité beschränkt. Gaius Iulius Caesar erwähnt sie in seinem Bellum Gallicum. In gallorömischer Zeit entstanden am Südufer der Seine das Forum und verschiedene Tempel. Die Säule stand wahrscheinlich vor einem dieser Heiligtümer.
Irgendwann im 3. Jahrhundert wurden die Steinblöcke der Säule entzweigebrochen und zur Verstärkung der flussseitigen Mauern verwendet. Im Laufe der Jahrhunderte wurden die Ufer der Insel immer weiter ausgebaut, so dass die Werft des 3. Jahrhundert nun einige Dutzend Meter vom heutigen Flussufer entfernt liegt (Kruta 1883). An der ursprünglichen Stelle des gallorömischen Tempels ließ Childebert im Jahre 528 die Kathedrale des heiligen Stephan erbauen, an deren Stelle wiederum um 1163 die Kathedrale von Notre-Dame de Paris entstand.
Die Säule wurde am 6. März 1710 entdeckt (und nicht im Jahre 1711, wie oft fälschlicherweise angegeben), als man eine Krypta unter dem Mittelschiff der Kathedrale anlegte. Die Inschrift wurde zuerst zwei Jahre später von Baudelot de Dairval publiziert (Busson pp. 445-446). Nicht alle Stücke wurden geborgen, und so fehlen für drei der Blöcke noch heute die unteren Hälften. Nach ihrer Entdeckung wurden die Quader ins Hôtel de Cluny gebracht, einem geistlichen Haus aus dem Mittelalter, das seinerseits über den Resten einer römischen Therme aus dem zweiten Jahrhundert errichtet worden war. Dieses Gebäude beherbergt heute das Musée national du Moyen Age.
Im Jahre 2001 wurden die Blöcke restauriert und von ihrer Patina befreit, die sich seit ihrer Entdeckung gebildet hatte (Saragoza 2003). Die rekonstruierte Säule ist im Museum zu besichtigen.
Siehe auch
Literatur
- Didier Busson_ Carte Archéologique de la Gaule: 75, Paris. Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, Paris 1998. ISBN 2-87754-056-1. (Der Eintrag zu Notre-Dame enthält detaillierte Fotos und Zeichnungen sowie eine Rekonstruktion der Anordnung der Blöcke.)
- Philippe Carbonnières: Lutèce, Paris ville romaine. Gallimard/Paris-Musées, Paris 1997. ISBN 2-07-053389-1
- Jean-Jacques Hatt: Les monuments gallo-romains de Paris, et les origines de la sculpture votive en Gaule romaine. I. Du pilier des nautes de Paris à la colonne de Mayence. in: Revue Archéologique 1 (1952), S. 68–83
- V. Kruta: Le quai gallo-romain de l'Île de la Cité de Paris. In: Cahiers de al Rotonde 6 (1983), S. 6–34.
- Michel Lejeune: Recueil des Inscriptions Gauloises. Band 2-1. Textes Gallo-Étrusques. Textes Gallo-Latins sur pierre. Editions du CNRS, Paris 1988. S. 166–169.
- F. Saragoza, C. Pariselle; M.-E. Meyohmas u. a.: Le Pilier des nautes retrouvé. In: Archéologia 398, März 2003.
- G. d'Arbois de Jubainville: Esus, Tarvos, Trigaranus. In: Revue Celtique 19 (1898), S. 245–251.
Weblinks
Anmerkungen
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