Netzfrequenz

Netzfrequenz

Mit Netzfrequenz wird in einem Stromnetz die Frequenz zur elektrischen Energieversorgung mittels Wechselspannung bezeichnet. Die Netzfrequenz ist in einem Stromversorgungsnetz einheitlich und, bis auf kleinere regeltechnische Abweichungen vom Nennwert, zeitlich konstant.

Die Netzfrequenz wird in Hertz, abgekürzt Hz angegeben. Die Einheit Hertz ist nach dem deutschen Physiker Heinrich Hertz benannt.

Spannungsverlauf bei 230 V/50 Hz (blau) und bei 110 V/60 Hz (rot)

Inhaltsverzeichnis

Netzfrequenzen und Netze

Netzfrequenz Weltweit

In Europa wird für das allgemeine Stromnetz, dem so genannten Verbundnetz, eine Netzfrequenz von 50 Hz verwendet. Einige Eisenbahnen verwenden davon abweichende Netzfrequenzen. So nutzen beispielsweise die ÖBB, SBB und die Deutsche Bahn für ihre Bahnstromversorgung eine nominale Frequenz von 16,7 Hz. Früher betrug die nominale Bahnnetzfrequenz 162/3 Hz, was genau einem Drittel der im Verbundnetz verwendeten 50 Hz entspricht. Mit den früher bei rotierenden Umformern üblichen Drehstrom-Synchronmaschinen konnte diese Frequenz exakt eingehalten werden. Durch den vermehrten Einsatz von leistungsfähigeren und wartungsärmeren asynchronen Umformern wurde aus regeltechnischen Gründen die nominale Bahnfrequenz auf 16,7 Hz geändert [1][2].

In Nordamerika verwendet man im Allgemeinen ein Stromnetz mit einer Netzfrequenz von 60 Hz. Für Eisenbahnen und industrielle Abnehmer findet man dort auch eine Netzfrequenz von 25 Hz vor. Der Netzfrequenz kann auch eine Tonhöhe zugeordnet werden, 50 Hz entsprechen fast einem Subkontra-G (‚‚G). Der Ton, welcher beispielsweise aus einer örtlichen Umspannstation als Brummton wahrzunehmen ist, entspricht wegen der Magnetostriktion des Eisenkerns der doppelten Netzfrequenz, nämlich 100 Hz, ein Kontra-G (‚G).

Die vor allem im Bahnbereich vergleichsweise niedrigen Netzfrequenzen resultieren aus der technologischen Entwicklung der ersten elektrischen Maschinen: Man konnte Anfang des 20. Jahrhundert elektrische Maschinen größerer Leistung nur bei diesen niedrigen Frequenzen bauen. Dies ist zwar seit Mitte des 20. Jahrhundert keine technologische Beschränkung mehr und es wäre auch möglich, im Bahnbereich höhere Frequenzen als 50 Hz einzusetzen, was eine leichtere Stromversorgung aus dem Verbundnetz ermöglichen würde. Wegen des großen Umstellungsaufwandes werden jedoch diese damals eingeführten niedrigen Netzfrequenzen im Bahnbereich auch noch heute beibehalten.

In speziellen Bereichen, so z. B. im Bordnetz von Flugzeugen, sind höhere Netzfrequenzen üblich, z. B. 400 Hz, da sich für höhere Frequenzen kleinere und leichtere Transformatoren bauen lassen.

Qualitätsindikator

Verlauf der Netzfrequenz in Westeuropa vom 4. November 2006, als es durch eine Abfolge von Fehlern zu dem bisher größten Stromausfall im europäischen Verbundnetz kam.

Die Netzfrequenz und deren Abweichung vom Nennwert ist ein direkter Qualitätsindikator über die Relation der über Erzeuger wie Kraftwerke angebotenen elektrischen Momentanleistung und der Abnahme der elektrischen Momentanleistung durch Verbraucher. Elektrische Energie kann in Verbundnetzen kaum gespeichert werden, sondern nur zwischen Erzeuger und Verbraucher verteilt werden. Der abgegebenen Leistung muss, bis auf die Blindleistung bei Wechselstrom, zu jedem Zeitpunkt eine gleich große Leistungsaufnahme gegenüberstehen.

Kommt es zu Abweichungen, führt dies in Wechselspannungsnetzen zu einer Veränderung der Netzfrequenz: Bei einem Überangebot von elektrischer Leistung kommt es zu einer Steigerung der Netzfrequenz, bei einem Unterangebot zu einer Absenkung der Netzfrequenz. Im Normalfall sind diese Abweichungen im westeuropäischen Verbundnetz minimal und bewegen sich unter 0,2 Hz. Die Aufgabe der Leistungsregelung in Verbundnetzen ist es, die zeitlichen Schwankungen auszugleichen und so die Netzfrequenz auf konstantem Nennwert zu halten. Je kleiner ein Stromversorgungsnetz ist, und je schlechter die Netzregelung funktioniert, desto stärkere Schwankungen treten bei der Netzfrequenz auf.

Kommt es durch nicht kompensierbare Fehler zu einem massiven Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage von elektrischer Leistung, sind entsprechend starke Netzfrequenzschwankungen die Folge, wie es nebenstehende Abbildung für den Stromausfall in Europa im November 2006 darstellt. Dargestellt ist der Verlauf der Netzfrequenz für einen Teil des westeuropäischen Verbundnetzes: Zum Zeitpunkt des Ausfalles kam es zu einem massiven Unterangebot an elektrischer Leistung und damit zu einer Unterfrequenz. Im gleichen Zeitrahmen kam es im osteuropäischen Teil des Verbundnetzes zu einem Überangebot und einer Steigerung der Netzfrequenz. Im Zeitbereich des Ausfalls wurde das Verbundnetz durch Schutzeinrichtungen automatisch in mehrere autonome Segmente aufgeteilt, welche asynchron zueinander arbeiteten. Durch Lastabwurf konnten diese Netzsegemente wieder stufenweise synchron zusammengeschaltet werden [3].

Maßnahmen der Stromerzeuger zum Netzmanagement

Primärregelung

Sie gleicht kleine Leistungsschwankungen im Netz aus. Wird das Netz stärker belastet, drehen sich die Generatoren unter der größeren Last langsamer. Da die Drehzahl der Generatoren die Frequenz im Netz bestimmt, bewirkt die höhere Belastung eine Verringerung der Netzfrequenz. In einer schmalen Bandbreite von Netzfrequenzänderungen reagieren die Kraftwerke automatisch mit einer Leistungserhöhung; dies stabilisiert die Netzfrequenz.

Sekundär- und Tertiärregelung

Wenn die automatische Frequenzstabilisierung nicht mehr ausreicht, verändert automatisch die Schaltzentrale des Lastverteilers des Energieversorgungsunternehmens, dem das Netz gehört, die Reaktorleistung im Rahmen von ± 2,5 %.

Wenn auch diese Bandbreite nicht mehr ausreicht, um die Frequenz im Netz ausreichend zu stabilisieren, erfolgt eine Tertiärregelung: Das benötigte Mehr oder Weniger an Leistung wird beim Kraftwerk angefordert und von diesem selbst angesteuert. Für den Ausgleich der schwankenden Einspeisung aus Windkraftwerken wird speziell diese Regelung zukünftig relevant.

Netzzeit

Die Netzfrequenz im europäischen Verbundnetz eignet sich wegen der geringen Abweichungen von der Nennfrequenz als Zeitgeber für Uhren. Trotz der geringen Abweichungen können sich dabei Fehler von einigen Sekunden pro Tag ergeben. Um den Zeitfehler gering zu halten wird die Netzzeitabweichung als Differenz zwischen Koordinierter Weltzeit und der auf Basis der Netzfrequenz ermittelten Zeit zentral[4] erfasst und korrigiert. Überschreitet die Netzzeitabweichung +/-20 Sekunden, dann wird die Nennfrequenz für die Frequenzregler bei vorauseilender Netzzeit um 10 mHz auf 49,990 Hz reduziert, bei nacheilender Netzzeit um 10 mHz auf 50,010 Hz erhöht[5]. Dadurch passt sich die Netzzeit langsam wieder an die Koordinierte Weltzeit an. Die Netzzeit stellt damit eine langfristig sehr genaue Zeitbasis mit kurzfristigen Schwankungen im Sekundenbereich dar.

Kriterien zur Wahl der Netzfrequenz

Die Wahl der Netzfrequenz ist ein Kompromiss aus verschiedenen technischen Randbedingungen. Die Festlegung erfolgte in der Anfangszeit der Elektrifizierung, also um die Jahrhundertwende zwischen dem 19. und dem 20. Jahrhundert. Die maßgeblichen Randbedingungen waren also diejenigen, die sich zu jenem Zeitpunkt ergaben. Hier sind einige davon:

  • Im Gegensatz zu Gleichstrom kann man Wechselstrom durch Transformatoren in der Spannung umsetzen. Dadurch wird ermöglicht, dass man verhältnismäßig niedrige und damit relativ ungefährliche Spannungen zum Endverbraucher führt, während man hohe Spannungen für die Minimierung von Verlusten in Überlandleitungen einsetzen kann.
  • Höhere Frequenzen erlauben es, kleinere Transformatorkerne zu verwenden. Die Transformatoren werden dadurch bei gleicher Leistung kleiner, leichter und billiger.
  • Höhere Frequenzen erzeugen größere Verluste in Leitungen durch den Skin-Effekt. Dadurch wird in der Praxis die maximale wirtschaftliche Dicke einer Leitung festgelegt.
  • Die Netzfrequenz in einem Verbundsystem muss überall gleich und synchronisiert sein.
  • Höheren Frequenzen entsprechen kürzere Wellenlängen. In räumlich weit verteilten Verbundsystemen machen sich dadurch eher Phasenverschiebungen bemerkbar, wodurch die Synchronisation erschwert wird.
  • Die Netzfrequenz steht in direktem Bezug zur Drehzahl und zur Polzahl von Generatoren und von Motoren. Eine Steigerung der Frequenz erfordert entweder eine Steigerung der Drehzahl (mögliche Probleme mit Fliehkräften und/oder Lagern) oder eine Vergrößerung der Polzahl (größerer technischer Aufwand und dadurch höhere Kosten).
  • Eine Frequenzumsetzung ist aufwendig. Man setzt dafür Stromrichter ein. Zu Beginn der Elektrifizierung stand als Umsetzer nur eine Kopplung aus Motor und Generator zur Verfügung. Transformatoren sind nicht in der Lage, die Frequenz umzusetzen. Heutzutage werden dafür Wechselrichter und geeignete Leistungselektronik eingesetzt. Im Bereich der Energieversorgung und zur Kopplung asynchroner Stromnetze finden die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) und die HGÜ-Kurzkopplung Anwendung.

Messung

Zungenfrequenzmesser

Da Abweichungen von der korrekten Netzfrequenz oft zu Problemen führen, vor allem in Verbundnetzen oder bei der Parallelschaltung mehrerer Stromerzeuger, ist es von immenser Wichtigkeit, die Netzfrequenz zu überwachen. So können bei Problemen Maßnahmen zum Schutz des Netzes eingeleitet werden, zum Beispiel Lastabwurf.

Zur Messung der Netzfrequenz gibt es mehrere verschiedene Bauarten von Instrumenten. Klassischerweise und primär für die manuelle Ablesung werden Zungenfrequenzmesser eingesetzt. In größeren Netzen wird die Netzfrequenz an mehreren Punkten automatisch mittels digitaler Messtechnik und elektronischen Frequenzmessern gemessen und der Verlauf aufgezeichnet.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Bahnstromsysteme: Umstellung der Bahnnetzfrequenz von 16 2/3 auf 16,70 Hz
  2. C. Linder: Umstellung der Sollfrequenz im zentralen Bahnstromnetz von 16 2/3 Hz auf 16,70 Hz. In: Elektrische Bahnen. Heft 12, Oldenbourg-Industrieverlag, München 2002, ISSN 0013-5437.
  3. UCTE: Final Report on the disturbances of 4. November 2006. (https://www.entsoe.eu/fileadmin/user_upload/_library/publications/ce/otherreports/Final-Report-20070130.pdf PDF).
  4. swissgrid: Messung der Netzzeit im Auftrag der UCTE
  5. swissgrid zu Netzzeitabweichung

Weblinks


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