Neurofeedback

Neurofeedback

Das Neurofeedback (auch EEG-Feedback) ist eine Spezialrichtung des Biofeedbacks. Beim Neurofeedback werden Gehirnstromkurven (EEG-Wellen) von einem Computer in Echtzeit analysiert, nach ihren Frequenzanteilen zerlegt und auf einem Computerbildschirm dargestellt. Die auf diese Weise ermittelte Frequenzverteilung, die vom Aufmerksamkeits- bzw. Bewusstseinszustand (zum Beispiel wach, schlafend, aufmerksam, entspannt, gestresst) abhängig ist, kann zu diagnostischen und Trainingszwecken (mittels Feedbacktraining) genutzt werden. Dem Probanden ist es dabei möglich, durch Rückmeldung des eigenen Hirnstrommusters eine bessere Selbstregulation zu erreichen. Im Prinzip handelt es sich dabei um einen Lernprozess, bei dem operantes Konditionieren eine große Rolle spielt (→ Lerntheorie).

Ein positives (akustisches und/oder optisches) Feedback (zum Beispiel Musik, Geräusch, Videoclip, Computeranimation) wird vom Computer jeweils dann gegeben, wenn die EEG-Wellen des Gehirns eine als günstig bekannte Zusammensetzung aufweisen bzw. die Werte denen einer gesunden Referenzbevölkerungsgruppe des jeweiligen Alters nahe bzw. näher kommen. Auf diese Weise wird das Gehirn/Bewusstsein belohnt wenn es vorteilhaftere EEG-Wellen generiert und damit positiv verstärkt.

Inhaltsverzeichnis

Historische Vorläufer

  • 1898 Edward Lee Thorndike entdeckt das Lern-„Gesetz der Wirkung“ und legt den Grundstein für die Entwicklung der instrumentellen Konditionierung.
  • 1905 Iwan Petrowitsch Pawlow führt die berühmt gewordenen Experimente mit einem Hund durch und entdeckt damit das Konzept der klassischen Konditionierung, siehe Pawlowscher Hund.
  • 1929 Hans Berger entdeckt elektrische Potenzialschwankungen unterschiedlicher Frequenzen an Elektroden die an der Schädeldecke angebracht sind und nennt die davon aufgezeichneten Kurven „Elektroenzephalogramm“. Insbesondere die von ihm erforschte Charakteristik der Alpha-Wellen im EEG ist auch heute noch von großer Bedeutung für Neurofeedback-Therapeuten.
  • 1950 Neal E. Miller von der Yale University bringt Mäuse dazu, ihre Herzfrequenz (in eine gewählte Vorzugsrichtung) zu trainieren, indem er diesen eine Belohnung durch eine Stimulation des Lustzentrums im Gehirn gibt. Später trainiert er in vergleichbarer Weise auch Menschen dazu, indem er diese mittels als angenehm empfundener Klänge trainiert bzw. im Erfolgsfall belohnt.
  • 1967 M. Barry Sterman veröffentlicht eine Studie in der er ausführt, dass er Katzen trainiert hat, ihre EEG-Wellen zu modifizieren. Später entdeckt er per Zufall, dass die auf diese Weise trainierten Katzen resistent sind gegen epileptische Anfälle (welche bei untrainierten Katzen durch Kontakt mit giftigen Dämpfen (Monomethylhydrazin) ausgelöst wurden) und zeigte damit, dass EEG-Wellentraining die Fähigkeiten des Gehirns verbessern kann.
  • 1974 M. Barry Sterman führt in seiner ersten von fünf Veröffentlichungen aus, dass epileptische Anfälle beim Menschen durch EEG-Wellentraining (Sensomotorischer Rhythmus SMR) unter Kontrolle gebracht werden können.
  • ab 1975 Joel Lubar forscht zu EEG Biofeedback zuerst im Hinblick auf Epilepsie und später zu Hyperaktivität und ADHS.
  • 1998 Die Yonkers District Schulen, New York, nahmen Neurofeedbacktraining in ihren Ausbildungsplan auf.
  • 2006 Die italienische Fußball-Nationalmannschaft trainiert mit Neurofeedback[1]

Anwendungsbereiche

Medizinische Anwendungen:

Gesundheitsförderung und Prävention (diagnosefreie Anwendung):

  • Training zur Stressbewältigung und - reduktion

Erziehung / Sozialisation / Schule:

  • Training zur Schulleistungssteigerung (Steigerung des sog. Performance-IQ)
  • Training „jugendlicher Delinquenten“ (Ausgleich von Instabilität)[3]

Beruflicher Leistungserhalt / Mentale Spitzenleistungen:

  • sog. Peak-Performance-Training (Mentaltraining im Spitzensport, zum Beispiel Golf)
  • Training von Berufstätigen mit hohen Stressbelastungen (zum Beispiel Militärpiloten)
  • Erhaltung der geistigen Flexibilität im Alter
  • Verbesserung der künstlerischen Performance von Musikern[4]

Theorie

Die Wirkung des Neurofeedback-Trainings wird mit einer operanten Konditionierung erklärt.[5] [6] Das von Thorndike postulierte „Gesetz der Wirkung (Law of Effect)“ scheint hier in besonderem Maße zur Anwendung zu kommen. Es besagt, dass jedwedes Verhalten, welches Belohnung erfährt, seine Auftretenswahrscheinlichkeit erhöht. B.F. Skinner entwickelte daraus später das sogenannte „Operante Konditionieren“. Weitere Wirkmechanismen sind in der Diskussion.

Die Theoretiker des Neurofeedbacktrainings sehen die Ursache vieler zentralnervöser Erkrankungen in einer Störung der Regulation kortikaler und subkortikaler Strukturen begründet. Hier werden im Wesentlichen vier Ursachenklassen für neuronale Fehlregulation definiert. Dies sind: Überstimulation (Overarousal), Unterstimulation (Underarousal), mangelnde Hemmung (Disinhibition) und Instabilität. Krankheits-Symptome können im Einzelfall einer dieser Kategorien zugeordnet werden. Das Neurofeedbacktraining soll Über- und Unterstimulation sowie Instabilität abbauen. Wenn sich eine Gehirnwellen-Verteilung normalisiert hat ergibt sich nach der Theorie auch eine Rückbildung der Symptomatik.

Vorgehensweise (Trainingsprotokolle)

QEEG-Aufnahme: frontales Alpha auffällig hoch mit 3 Standardabweichungen (hier rot eingezeichnet und u. a. typisches Zeichen für einen Subtyp von ADS)

Wichtig vor jeder Behandlung im Rahmen einer medizinischen Heilbehandlung ist zunächst eine eingehende Anamnese, Diagnostik und Befunderhebung. Das Ergebnis gibt dem Neurofeedbacktherapeuten wichtige Hinweise darüber, mit welcher Art von zentralnervöser Erregung es der Patient oder die Patientin zu tun hat. So steht zum Beispiel schlechter Schlaf oft mit (kortikaler) Übererregung, ADS (ohne Hyperaktivität) oft mit (kortikaler) Untererregung in Verbindung. Migräne, verschiedene Anfallsleiden, aber auch Tics stehen mehr mit instabilem Arousal in Zusammenhang. Anhand einer sogenannten „Symptomcheckliste“ kann dann festgestellt werden, welcher Typus vorherrscht. Damit sind aber nur vage Aussagen darüber zu treffen, in welchem Frequenzbereich zu viel oder zu wenig Aktivität vorliegt. Deswegen wird neben dem rein symptomorientierten Ansatz bei der Befundung auch die quantitative Analyse des EEGs (QEEG) angewendet. Mit Hilfe von wissenschaftlich erstellten Datenbanken lässt sich normale von gestörter Hirnfunktion heute viel genauer unterscheiden. Dies ermöglicht wiederum eine präzisere Auswahl geeigneter Neurofeedbackprotokolle.

Amplituden-Training und Frequenzbandtraining

Ein Hauptaugenmerk liegt beim Neurofeedback auf dem Training zur Erhöhung oder Verminderung der Schwingungsamplitude der Frequenzen eines EEG-Frequenzbandes.

Die im EEG gemessene Spannung ist umso größer, je mehr Nervenzellen lokal synchron „feuern“. Beim Neurofeedback-Amplitudentraining werden also letztendlich lokale Synchronitäten im Gehirn trainiert. Dabei muss nicht zwangsläufig eine erhöhte Synchronität gewünscht sein, manchmal wird auch das Erreichen einer geringeren Amplitude, also weniger Synchronität mit positiven Feedback belegt. Des Weiteren werden oft mehrere Bedingungen gleichzeitig trainiert. Es gibt also für den Probanden nur dann positives Feedback, wenn er in einem Frequenzbereich beispielsweise eine höhere Amplitude erreicht und gleichzeitig in einem anderen Frequenzbereich eine niedrigere. Damit kann gezielter auf die Zusammensetzung des gesamten EEG eines Probanden eingegangen werden.

Das heißt: EEG-Wellenanteile (Frequenzbereiche), die als vorteilhaft bekannt sind, werden bei Auftreten belohnt, wie zum Beispiel SMR (Sensomotorischer Rhythmus) und Beta. Frequenzband-Amplituden, die als weniger vorteilhaft bekannt sind (wie zum Beispiel das niedrige Theta - typisch für Konzentrationsmangel - und high Beta - Stress, hektischer Gedankenablauf) werden unterdrückt bzw. es wird in diesem Fall belohnt, wenn sich die Amplitude verringert. Neurofeedback arbeitet ausschließlich mit belohnendem Feedback.

Es gibt unterschiedliche Verfahren, die es ermöglichen, die EEG-Aktivität zu beeinflussen:

Training von Konnektivität des EEGs

Neurofeedback kann auch die Kohärenz der Signale zweier Elektrodenplätze bzw. Hirnregionen in einem gewählten Frequenzband trainieren. Kohärenz ist hier ein Maß für das Zusammenwirken unterschiedlicher Lokalitäten der Großhirnrinde. So ist zum Beispiel die Kohärenz zwischen Broca-Areal und Wernicke-Zentrum entscheidend für die Sprachfähigkeit. Zu viel oder zu wenig Zusammenarbeit kann sich dann zum Beispiel in Sprachstörungen äußern. Die Kohärenz hat einen Wertebereich von 0 bis +1 (in der Praxis auch schon mal als 0 bis 100% bezeichnet). Beim Kohärenztraining wird dieser Wert auf einen bestimmten Zielwert hin trainiert, sodass er zum Beispiel den Messwert einer gesunden Vergleichsbevölkerungsgruppe erreichen soll.

SCP-Training

Beim SCP-Training wird der Wert des Gleichspannungsanteils (sog. Slow Cortical Potentials, SCP) trainiert. Diese Art von Neurofeedback ist in ganz besonderem Maße der Forschungsarbeit der Gruppe um Niels Birbaumer zu verdanken. Langsame kortikale Potenziale spielen unter anderem eine tragende Rolle bei so genannten Gehirn-Computer-Schnittstellen (Brain-Computer Interfaces, BCI), bei deren Erforschung und Entwicklung Birbaumer maßgeblich beteiligt ist.

Varianten des Neurofeedbacks

Bipolares Training, Z-Wert-basiertes Training (Z-Score-Training), LENS.

Literatur

Bücher

  • Uwe Gerlach: Von der Primärtherapie zum Neurofeedback. Taunusstein 2007
  • Jim Robbins: A Symphony in the Brain; Grove Press, New York; ISBN 0-8021-3819-5;
  • John N. Demos: Getting Started with Neurofeedback; W.W. Norton & Company, Inc., New York; ISBN 0-393-70450-5;
  • Anna Wise: The High-Performance Mind; The Putnam Publishing Group, New York 1995; ISBN 0-87477-806-9;

Zeitschriften

  • Clinical Electroencephalography pISSN: 0009-9155, MEDLINE Abbr: Clin Electroencephalogr, NLM ID: 0236454
    Wissenschaftliche Zeitschrift, Sondernummer zu Neurofeedback.
  • Child and adolescent psychiatric clinics of North America 1056-4993, MEDLINE Abbr: Child Adolesc Psychiatr Clin N Am, NLM ID: 9313451 Wissenschaftliche Zeitschrift welche Reviews zum Stand der Forschung wiedergibt. In der Januarausgabe 2005 welche den Themenbereich ‚Emerging Interventions’ abhandelt sind sechs von zehn Beiträgen dem Thema Neurofeedback gewidmet.
  • Journal of Neurotherapy. Die Zeitschrift der International Society for Neurofeedback & Reasearch.

Weblinks

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. adnf.org
  2. eegspectrum.com
  3. Jim Robbins: A Symphonie in the Brains. Grove Press, New York, ISBN 0-8021-3819-5
  4. focus.de
  5. Jim Robbins: A Symphonie in the Brains. Grove Press, New York, ISBN 0-8021-3819-5, Kapitel 2, S. 37
  6. John N. Demos: Getting Started with Neurofeedback. W.W. Norton, New York, ISBN 0-393-70450-5, Kapitel 1, S. 17
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