Niembaum

Niembaum
Niembaum
Niembaum (Azadirachta indica)

Niembaum (Azadirachta indica)

Systematik
Rosiden
Eurosiden II
Ordnung: Seifenbaumartige (Sapindales)
Familie: Mahagonigewächse (Meliaceae)
Gattung: Azadirachta
Art: Niembaum
Wissenschaftlicher Name der Gattung
Azadirachta
A. Juss.
Wissenschaftlicher Name der Art
Azadirachta indica
A. Juss.

Der Niembaum (Azadirachta indica, Syn.: Melia azadirachta L., Antelaea azadirachta (L.) Adelb.), auch Niem, Neem, Margosa, (Nimtree, Indian-lilac (engl.), margousier (fr.) genannt, ist eine der zwei Arten der Gattung Azadirachta.[1] Die andere Art heißt Azadirachta excelsa.[1] Die wirkstoffreichen Pflanzenteile finden Verwendung in Medizin und Landwirtschaft.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Junger Niembaum
Niembaum mit Blüte
Niemfrüchte

Der Niem ist ein schnellwachsender, (meist) immergrüner Baum, der durchschnittlich Wuchshöhen von 15 bis 20 Metern – unter günstigen Bedingungen bis zu 40 Meter – erreicht. Er kann bis zu 200 Jahre alt werden. Unter ungünstigen Bedingungen verliert der Baum seine Blätter, um sich vor Austrocknung zu schützen. Die Äste sind weitverzweigt, die Baumkrone ist rund bis oval mit dichtem Blattwuchs. Bei freistehenden Bäumen kann der Durchmesser der Krone durchaus seiner Höhe entsprechen. Der Stamm ist im Allgemeinen relativ kurz und selten höher als dreieinhalb Meter. An der ersten Verzweigung ist die Rinde hart und zwischen weißlichgrau bis rötlichbraun gefärbt. Die äußeren Holzschichten sind hell, die inneren rötlich. Wenn die inneren Holzschichten mit Luft in Berührung kommen, färben sie sich rötlichbraun.

Das Wurzelsystem besteht aus einer starken Hauptwurzel, die doppelt so tief in das Erdreich reichen kann wie der Baum hoch ist, sowie einem verzweigten Wurzelsystem.

Die unpaarig gefiederten Laubblätter sind insgesamt 20 bis 40 Zentimeter lang und bestehen aus 31 mittel- bis dunkelgrünen Teilblättern, die jeweils drei bis acht Zentimeter lang sind. Der Blattstiel ist relativ kurz, junge Blätter haben oft eine rötliche bis purpurne Färbung.

Der Niembaum ist einhäusig, jeder Baum entwickelt also sowohl männliche als auch weibliche Blüten. 150 bis 250 Blüten befinden sich an einer, bis zu 25 Zentimeter langen, Rispe, die bis zu drei mal verästelt ist. Die weißen und wohlriechenden Blüten sind fünf bis sechs Millimeter lang und haben einen Durchmesser von acht bis elf Millimeter.

Früchte

Bereits nach vier Jahren trägt ein Niembaum erstmals Früchte. Nach zehn Jahren liefert er 40 bis 50 Kilogramm Früchte und erreicht damit seinen vollen Fruchtertrag.[2]

Die unbehaarte Frucht ist eine olivenähnliche Steinfrucht, die oval bis kugelförmig sein kann. Wenn sie reif ist, ist sie 1,4 bis 2,8 Zentimeter lang und 1 bis 1,5 Zentimeter im Durchmesser. Die Fruchthaut ist dünn, das Fruchtfleisch gelblichweiß und bitter-süß im Geschmack. Die Frucht enthält einen, in seltenen Fällen auch mehrere Samen. Werden die Früchte von Tieren gefressen, scheiden sie die unverdaulichen Kerne meist wieder aus. Die Samen überstehen den Verdauungstrakt der Tiere problemlos und keimen nach dem Ausscheiden.

Inhaltsstoffe

Obwohl der Baum seit Jahrzehnten untersucht wird, sind viele seiner Wirkstoffe noch nicht vollständig erforscht. Niem enthält über 100 verschiedene chemische Inhaltsstoffe, die sich zudem im Stamm, der Rinde den Blättern und Früchten unterschiedlich zusammensetzen. Von vielen dieser sehr komplexen Inhaltsstoffe sind nur ungefähre Näherungswerte der Strukturformeln bekannt.

Ein besonders wichtiger Inhaltsstoff ist das insektizid wirkende Azadirachtin. Er wird aus dem Niemöl gewonnen, welches man aus den Samen presst. Weitere wichtige Inhaltsstoffe sind Salannin, Meliantriol, Nimbin und Nimbidin.

Verbreitung und Standortbedingungen

Ursprünglich stammt der Niem aus Indien, Pakistan und Burma. Der Niem ist auf tropisches und subtropisches Klima angewiesen. Durch den Menschen wurde der Baum auch auf dem asiatischen, dem afrikanischen, dem amerikanischen und dem australischen Kontinent sowie auf den Inseln im Pazifik heimisch. Den Niem trifft man hauptsächlich in den flachen und ariden Gegenden der Tropen und Subtropen an. Im Gebirge ist er selten.

Der Niem ist bekannt für seine Unempfindlichkeit gegenüber Trockenheit. Er kann in Gegenden mit einem durchschnittlichen Jahresniederschlag von 400 bis 1200 mm gut überleben und kommt auch in Gegenden mit geringerem Niederschlag vor, dann ist er jedoch abhängig vom Grundwasser. Der Niem kann in vielen Bodentypen wachsen, bevorzugt jedoch sandige Böden mit einem pH-Wert von 6,2-7,0. Staunässe verträgt der Baum nicht. Stehen die Wurzeln zu lange im Wasser, geht der Niem sehr schnell ein. Die optimalen Jahresdurchschnittstemperaturen sind 31 °C bis 32 °C. Höhere Temperaturen toleriert der Baum, Temperaturen unter 4 °C sind nicht gut für den Niem: er verliert seine Blätter und geht ein. Dagegen hält der Baum Temperaturen über 50 °C sehr gut aus.[2]

Verwendung

Niemöl

Pflanzenteile des Niembaums und daraus hergestellte Produkte wirken antibakteriell und antiviral und können als Insektizid, Fungizid, Spermizid, Dünger und Futtermittel eingesetzt werden. Sie werden daher sowohl in der Medizin als auch in Landwirtschaft und Gartenbau genutzt.

Nutzung in der Medizin

Von indischen Ärzten werden Niem-Produkte seit 2000 Jahren gegen Anämie, Bluthochdruck, Hepatitis, Geschwüre, Lepra, Nesselsucht, Schilddrüsenerkrankungen und Verdauungsstörungen und in der Medizin des Ayurveda eingesetzt. Niem wird als Mittel gegen Kopfläuse und in der Zahn- und Mundhygiene genutzt und soll bei Diabetes mellitus und Krebs helfen sowie den Cholesterinspiegel reduzieren.[2] Ebenso werden Niemprodukte in Indien seit Jahrhunderten als Spermizid und zur Abtreibung genutzt. Indische Forscher haben diese Wirkung bestätigt.[2]

Das Öl des Niembaums wird zudem bei der Bekämpfung von Hausstaubmilben eingesetzt. Der Niembaumsamenöl-Extrakt macht die Nahrungsgrundlage der Milben (Hautschuppen) ungenießbar und stoppt gleichzeitig das Wachstum der Larven.

Nutzung in der Landwirtschaft

In der Landwirtschaft und von Gärtnern werden die Samen und das Öl als Dünger sowie zur Bekämpfung als auch zur Vorbeugung gegen Insekten, Nematoden, Milben und Pilzen verwendet. Aus Samenschrot und Wasser hergestellte Lösungen zum Gießen oder Spritzen gegen Schadinsekten sind weit verbreitet. Während man bei chemischen Spritzmitteln Resistenzen bei Insekten beobachtet, sind bei Niemlösungen wegen ihrer Komplexität keine Resistenzen zu erwarten.[2]

Für die Insektizidwirkung sind eine Reihe von Inhaltsstoffen zentral:

  • Azadirachtin ähnelt in seiner Wirkung dem Hormon Ecdyson. Es hindert Schadinsekten daran, sich zu vermehren und Kulturpflanzen zu fressen. Zudem wirkt es gegen verschiedene Nematoden.
  • Salannin hat eine abstoßende Wirkung auf Insekten und schützt Nutzpflanzen sehr effektiv vor Insektenfraß.
  • Meliantriol wirkt ähnlich abschreckend auf Insekten, wie Salannin und stoppt selbst Wanderheuschrecken.
  • Nimbin und Nimbidin sind wirksam gegen Viren.[2]

Das Holz des Niembaums ist ein sehr guter Brennstoff und wird als Feuerholz genutzt. Die Niemblätter sind als Viehfutter sehr beliebt. Das schont die übrige Vegetation. Die Rückstände aus der Niemölgewinnung (Presskuchen) eignen sich als nährstoff- und mineralstoffreiches Viehfutter.[2]

Umweltwirkungen

Der Niembaum wird zur Rekultivierung von Wüstengebieten eingesetzt und hat einen hohen CO2-Durchsatz. Da der Baum sehr rasch wächst, wirkt sein Anbau schnell der Abholzung natürlichen Wälder entgegen. Niembäume helfen gegen Bodenerosion und senken die Windgeschwindigkeit. Dabei spenden sie Schatten, kühlen die Umgebung und schützen die Bodenvegetation.[2]

Patente

Seit 1985 wurden weltweit mehr als 90 Patente auf Wirkeigenschaften und Extraktionsverfahren von Niemprodukten angemeldet. Die amerikanische Firma W. R. Grace errichtete Produktionsstätten zur Niemverarbeitung in Indien und kaufte indische Firmen auf. In der Folgezeit stiegen die Preise des Niemsamens von 11 auf über 100 US-Dollar je Tonne, was die Verfügbarkeit vor allem für Kleinbauern und einheimische Kleinunternehmen erheblich einschränkte. Wegen der zahlreichen Patente waren die Exportmöglichkeiten für Niemprodukte vielfach auf Patentinhaber beschränkt.[3][4]

Seit 1993 lässt in Indien die Initiative „Neem Campaign“ Patente auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. Zwei Patente auf Niem-Produkte wurden nach Beschwerden beim Europäischen Patentamt 2000 und 2005 widerrufen. Beim ersten Fall im Jahr 2000 handelte es sich um das Patent EP 0 436 257 B1, das 1994 dem US-Landwirtschaftsministerium und dem Unternehmen W. R. Grace vom Europäischen Patentamt erteilt wurde. Es betrifft ein „Verfahren zum Bekämpfen von Fungi an Pflanzen“ bzw. ein „Verfahren zum Schützen von Pflanzen vor Pilzbefall“. Im Mai 2000 wurde im Einspruchsbeschwerdeverfahren vor der technischen Beschwerdekammer des EPA das Patent aufgrund fehlender „erfinderischer Tätigkeit“ widerrufen, da fungizide Wirkungen von Pflanzenölen vielfach bekannt seien und es daher keiner erfinderischen Tätigkeit bedurfte, bekannte Rezepturen auch auf bislang ungenutzte Pflanzen anzuwenden.

Quellen

  1. a b Species in GRIN for genus. www.ars-grin.gov, abgerufen am 9. März 2008.
  2. a b c d e f g h Heidelore Kluge, Verlag: Gesundheit und Natur Niembaum, die Kraft der indischen Wunderpflanze, ISBN - 3-7787-3580-2
  3. Bödeker et. al, S. 32
  4. Biopiraterie und die Aneignung genetischer Ressourcen

Weiterführende Literatur

Deutsch

  • Ellen Norten und Jean Pütz (Hrsg.): Wunderbaum Niem – Medizin, Kosmetik, Pflanzenschutz aus der Natur. vgs Verlag, Köln 1997, ISBN 3-8025-1322-3
  • Sebastian Bödeker, Oliver Moldenhauer und Benedikt Rubbel: Wissensallmende. VSA, Hamburg 2004, ISBN 3-89965-118-9, S. 32–33.
  • Heinrich Schmutterer: Niempräparate (Neem, Nim). In: Heinrich Schmutterer, Jürg Huber (Hrsg.): Natürliche Schädlingsbekämpfungsmittel. Ulmer Verlag, 2005, ISBN 3-8001-4754-8

Englisch

  • Eric R. Boa: A guide to the identification of diseases and pests of neem. (Azadirachta indica). FAO Regional Office for Asia and the Pacific (RAPA), Bangkok, 1995
  • Alexander Wudtke (1995) Einsatz von NemAzal T/S gegen Materialschädlinge am Beispiel der Kleidermotte, Proc. of 5th Workshop „Practice Oriented Results on Use and Production of Neem-Ingredients and Pheromons“ in Wetzlar (http://freenet-homepage.de/humboldt), 274 S.
  • A. Wudtke (1997) Einsatz von Neem als Wachstumshemmer – Use of Neem as a growth inhibitor, in: Proc. of 5th Workshop „Practice Oriented Results on Use and Production of Neem-Ingredients and Pheromons“ in Wetzlar 1996, 175–176
  • Ruparao T. Gahukar: Neem in plant protection. Agri-Horticultural Publishing House, Nagpur, India 1995, ISBN 81-900392-0-2
  • Martin Jacobson (Hrsg.): The neem tree. CRC Press, Boca Raton, Fl. 1989, ISBN 0-8493-4101-9
  • Heinrich Schmutterer (Hrsg.): The neem tree Azadirachta indica (A. Juss.) and other meliaceous plants. Sources of unique natural products for integrated pest management, medicine, industry and other purposes. VCH Verlagsgesellschaft, Weinheim 1995, ISBN 3-527-30054-6
  • Dina Tewari: Monograph on neem (Azadirachta indica A. Juss.). International Book Distributors, Dehra Dun, India 1992, ISBN 81-7089-175-2
  • Noel D. Vietmeyer (Hrsg.): Neem. A tree for solving global problems; report of an ad hoc panel of the Board on Science and Technology for International Development, National Research Council. National Academy Press, Washington D.C. 1992, ISBN 0-309-04686-6
  • K Vijayalakshmi, K S Radha und Vandana Shiva: Neem. A User’s Manual. Centre for Indian Knowledge Systems, Chennai and Research Foundation for Science, Technology and Natural Resource Policy, New Delhi 1995.
  • Katharine Sanderson: Chemists synthesize a natural-born killer. In: Nature. Band 448, Nr. 7154, 2007, S. 630.

Weblinks

 Commons: Azadirachta indica – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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