Europäische Patentorganisation

Europäische Patentorganisation
EPO, München, Grasserstraße

Die Europäische Patentorganisation (EPO) ist eine zwischenstaatliche Organisation mit Sitz in München, die durch das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) geschaffen wurde. Sie hat die Aufgabe, europäische Patente nach dem EPÜ zu erteilen. Diese Aufgabe wird vom Europäischen Patentamt (EPA) durchgeführt und vom Verwaltungsrat überwacht.

Das Europäische Patentamt ist keine Behörde der EU.

Inhaltsverzeichnis

Mitgliedstaaten

Vertragsstaaten (rot) und Erstreckungsstaaten (orange) des Europäischen Patentübereinkommens

Der Europäischen Patentorganisation gehören 38 Mitgliedstaaten an: Alle Mitgliedstaaten der EU sowie Island, Kroatien, Liechtenstein, Monaco, Norwegen, die Schweiz, Serbien, Albanien, Mazedonien, die Republik San Marino und die Türkei (Stand: Oktober 2010). Als bisher letztes Mitglied trat am 1. Oktober 2010 Serbien der Organisation bei:[1]

Nr. Staat Kürzel Beitrittsdatum
1 Belgien (*) BE 7. Oktober 1977
2 Deutschland (*) DE 7. Oktober 1977
3 Frankreich (*) FR 7. Oktober 1977
4 Luxemburg (*) LU 7. Oktober 1977
5 Niederlande (*) NL 7. Oktober 1977
6 Schweiz (*) CH 7. Oktober 1977
7 Großbritannien (*) GB 7. Oktober 1977
8 Schweden (*) SE 1. Mai 1978
9 Italien (*) IT 1. Dezember 1978
10 Österreich (*) AT 1. Mai 1979
11 Liechtenstein (*) LI 1. April 1980
12 Griechenland (*) GR 1. Oktober 1986
13 Spanien (*) ES 1. Oktober 1986
14 Dänemark (*) DK 1. Januar 1990
15 Monaco (*) MC 1. Dezember 1991
16 Portugal (*) PT 1. Januar 1992
17 Irland (*) IE 1. August 1992
18 Finnland (*) FI 1. März 1996
19 Zypern CY 1. April 1998
20 Türkei TR 1. November 2000
21 Bulgarien BG 1. Juli 2002
22 Tschechien CZ 1. Juli 2002
23 Estland EE 1. Juli 2002
24 Slowakei SK 1. Juli 2002
25 Slowenien SI 1. Dezember 2002
26 Ungarn HU 1. Januar 2003
27 Rumänien RO 1. März 2003
28 Polen PL 1. März 2004
29 Island (*) IS 1. November 2004
30 Litauen LT 1. Dezember 2004
31 Lettland LV 1. Juli 2005
32 Malta MT 1. März 2007
33 Kroatien HR 1. Januar 2008
34 Norwegen (*) NO 1. Januar 2008
35 Mazedonien MK 1. Januar 2009
36 San Marino SM 1. Juli 2009
37 Albanien AL 1. Mai 2010
38 Serbien RS 1. Oktober 2010

Vertreter der mit (*) gekennzeichneten Staaten haben an der diplomatischen Konferenz zur Gründung der Organisation teilgenommen. Diese Staaten waren daher berechtigt, der Organisation durch Ratifikation beizutreten. Island hat das Abkommen allerdings erst 2004 ratifiziert, in Norwegen ist es am 1. Januar 2008 in Kraft getreten.

Erstreckungsstaaten

Europäische Patente gelten vereinbarungsgemäß auch in Bosnien und Herzegowina (BA) und Montenegro (ME), sofern diese Staaten benannt werden.

Europäisches Patentamt

European Patent Office Munich-sign.JPG
Hauptgebäude des Europäischen Patentamts in München
EPA, Kurt-Haertel-Passage
EPA-Dienststelle Berlin

Wichtigstes Organ der EPO ist das Europäische Patentamt (EPA), dessen Aufgabe die Prüfung und Erteilung europäischer Patente ist. Die Behörde wurde am 1. November 1977 eröffnet. Die erste Patentanmeldung wurde am 1. Juni 1978 registriert.[2]

Das EPA hat seinen Sitz ebenfalls in München und Dienststellen in Den Haag, Berlin und Wien und ein Verbindungsbüro in Brüssel.

Präsidenten des Europäischen Patentamtes

Das Europäische Patentamt wird von einem Präsidenten geleitet. Bisherige Amtsinhaber waren:

  • Johannes Bob van Benthem (Niederlande) 19. Oktober 1977 – 30. April 1985
  • Paul Braendli (Schweiz) 1. Mai 1985 – 31. Dezember 1995
  • Ingo Kober (Deutschland) 1. Januar 1996 – 30. Juni 2004
  • Alain Pompidou (Frankreich) 1. Juli 2004 – 30. Juni 2007
  • Alison Brimelow (Großbritannien) 1. Juli 2007 – 30. Juni 2010
  • Benoit Battistelli (Frankreich) seit 1. Juli 2010

Finanzierung

Die EPO finanziert sich selbst aus den vom EPA eingenommenen Verfahrensgebühren und aus den Jahresgebühren für anhängige Patentanmeldungen. Nach Erteilung eines europäischen Patents werden die Jahresgebühren jedoch von den Patentinhabern an die nationalen Patentämter derjenigen Staaten entrichtet, in denen diese Patente validiert wurden (Artikel 86 und 141 EPÜ). Nur ein Anteil dieser Jahresgebühren muss von den Mitgliedstaaten zur Finanzierung an die EPO zurückgeführt werden. Dieser Anteil betrug im Jahr 2009 etwa 300 Mio Euro, das ist die Hälfte der 600 Mio Euro an Jahresgebühren, die die Vertragsstaaten jährlich mit erteilten Europäischen Patenten verdienen. Traditionell stellen die Jahresgebühren für Anmeldungen und Patente den größten Anteil am Gebührenbudget des EPA von jährlich ca. 1 Mrd Euro.[3] Das EPA erhält also keine Steuergelder seiner Mitgliedsstaaten, sondern finanziert im Gegenteil seine Mitgliedsstaaten erheblich.

Kritiker sehen darin, dass für zurückgewiesene (d. h. endgültig nicht erteilte) Patentanmeldungen keine weiteren Jahresgebühren anfallen, einen Grund zur Bereitschaft, Trivialpatente zu erteilen, um den Umsatz der Patentämter zu steigern.

Personal

Das Europäische Patentamt beschäftigt 6.800 Bedienstete, die Staatsangehörige der Mitgliedstaaten sind und die je nach Dienstgrad eine, zwei oder alle drei offiziellen Amtssprachen Deutsch, Englisch und Französisch beherrschen müssen. Etwa 71 % der Bediensteten haben einen Universitätsabschluss (hauptsächlich Naturwissenschaftler, Ingenieure und Juristen). Ca. 58 % der Bediensteten sind Prüfer, die alle einen Universitätsabschluss haben.

In München arbeiten mehr als 3.700 Bedienstete, in Den Haag ca. 2.700, in Berlin annähernd 300, in Wien über 100 und in Brüssel vier Bedienstete (Stand Ende 2009).[4][5]

Organe im Verfahren vor dem Europäischen Patentamt

Die folgenden Abteilungen sind für die Verfahren vor dem Europäischen Patentamt zuständig (Artikel 15 EPÜ):

  • eine Eingangsstelle für die Eingangs- und Formalprüfung eingereichter Patentanmeldungen
  • Recherchenabteilungen, die die Recherchenberichte zu den Anmeldungen erstellen
  • Prüfungsabteilungen für die Sachprüfung der Anmeldungen und die Entscheidung über Erteilung oder Zurückweisung
  • Einspruchsabteilungen, die Einsprüche gegen erteilte Patente bearbeiten
  • eine Rechtsabteilung
  • technische und juristische Beschwerdekammern, die Beschwerden gegen Entscheidungen des Patentamts bearbeiten
  • eine Große Beschwerdekammer, die über Rechtsfragen entscheidet sowie über Überprüfungsanträge bei schweren Verfahrensmängeln im Beschwerdeverfahren

Die Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts sind Gerichten gleichgestellt und genießen eine gewisse Unabhängigkeit. So sind Mitglieder der Beschwerdekammern z. B. nicht an Weisungen des Präsidenten des Europäischen Patentamts gebunden. Die Große Beschwerdekammer ist keine weitere Instanz nach einer Beschwerdekammer, obwohl mit dem EPÜ 2000 eine Möglichkeit der Überprüfung geschaffen wurde. Die Große Beschwerdekammer ist zuständig für:

  • Entscheidungen über Rechtsfragen, die ihr von den Beschwerdekammern vorgelegt werden,
  • die Abgabe von Stellungnahmen zu Rechtsfragen, die ihr vom Präsidenten des Europäischen Patentamts vorgelegt werden, sowie
  • Entscheidungen bei Überprüfungsanträgen bei schweren Verfahrensmängeln Beschwerdeverfahren (Befangenheit eines Kammermitglieds, Falschaussage)

Europäische Patente

Nach dem zentralisierten Verfahren werden europäische Patente mit Wirkung für die benannten Vertrags- und Erstreckungsstaaten erteilt. Gegen sie kann innerhalb von neun Monaten nach Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung von jedermann beim Europäischen Patentamt Einspruch erhoben werden, was zur Einschränkung oder zum Widerruf des Patentes führen kann. Die europäischen Patente entsprechen einem Bündel nationaler Patente und sind solchen gleichgestellt. Die Entscheidung über Verletzungen oder Nichtigkeit europäischer Patente fällt daher unter die nationale Gerichtsbarkeit.

Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation

Das EPA wird von einem Verwaltungsrat überwacht (Artikel 4(3) EPÜ), der das zweite Organ der EPO darstellt und aus den von den Vertragsstaaten entsandten Vertretern und deren Stellvertretern besteht (Artikel 26(1) EPÜ). Diese Vertreter der Länder im EPA-Verwaltungsrat sind in den meisten Fällen gleichzeitig Direktoren der nationalen Patentämter ihres Heimatlandes: Wie zum Beispiel Jesper Kongstad aus Dänemark. Diese Verquickung von Ämtern wird von Vertretern der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Gewerkschaft des Europäischen Patentamtes (Staff Union of the EPO) kritisch betrachtet. http://www.suepo.org/public/interviews Der belgische Wirtschaftswissenschaftler Professor Bruno van Pottelsberghe, Mitglied des Europäischen Think Tanks Bruegel kritisiert die Vormachtstellung der nationalen Patentämter im Verwaltungsrat der EPO. Er schlägt vor, auch Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in den Verwaltungsrat aufzunehmen und ihnen eine Stimme zu geben. In einem von Pottelberghe entworfenen Modell setzt sich der Verwaltungsrat der EPO sowohl aus Vertretern der nationalen Patentämter, als auch aus anderen relevanten Interessengruppen zusammen. Dazu gehören große Industriebetriebe, kleinen und mittelständische Betriebe, Patentanwälte, Wissenschaftler, forschende Universitäten, Politiker und Verbraucherorganisationen. (Quelle: „Lost property - The European patent system and why it doesn’t work“, Seite 46)

Ursprung der Patentanmeldungen

Fast die Hälfte der Anmeldungen stammen aus den Mitgliedstaaten. Die USA und Japan tragen zusammen fast 40 % der Anmeldungen bei.

USA 24,5 %
Deutschland 18,7 %
Japan 14,8 %
Frankreich 6,6 %
Niederlande 5,0 %
Schweiz 4,4 %
Großbritannien 3,6 %
Korea 3,1 %
Italien 2,9 %
Schweden 2,3 %
Rest EPO Mitgliedstaaten 7,5 %
Andere 6,6 %

2009 wurden 134.542 Anmeldungen eingereicht (8,3 % weniger als im Vorjahr), 102.000 Prüfungsverfahren abgeschlossen und 51.969 Patente erteilt. Dabei waren folgende Firmen besonders aktiv (mehr als 1.000 eingereichte Patentanmeldungen):

Philips 2.556
Siemens 1.943
BASF 1.699
Samsung 1.337
Robert Bosch 1.284
LG Electronics 1.221
Panasonic 1.020

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Serbien, 38. Mitgliedstaat. Englisch, abgerufen am 5. August 2010
  2. 2004 www.bpb.de
  3. Singer, Stauder: Kommentar zum Europäischen Patentübereinkommen. 5. Auflage, Anhang 5 – Gebührenordnung, Art. 2 GebO, Randnummer 62.
  4. Fakten und Zahlen
  5. Jahresberichte 2004 bis 2009

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