Niemytzki-Ebene

Niemytzki-Ebene

Der Niemytzki-Raum (nach Viktor Vladimirovich Nemytskii) ist ein im mathematischen Teilgebiet der Topologie untersuchtes konkretes Beispiel eines topologischen Raumes. Auf der oberen Halbebene wird eine im Vergleich zur euklidischen Topologie feinere Topologie, die so genannte Niemytzki-Topologie, eingeführt. Dadurch entsteht ein topologischer Raum, der in vielen Situationen als Gegenbeispiel dient.

Der Niemytzki-Raum wird von manchen Autoren auch Niemytzki-Ebene oder Moore-Ebene (nach Robert Lee Moore) genannt.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Umgebungen im Niemytzki-Raum

Auf der oberen Halbebene X:=\{ (x,y)\in{\mathbb R}^2; y\ge 0\} wird die Niemytzky-Topologie wie folgt durch die Angabe einer Umgebungsbasis der Punkte aus X erklärt: Ist (x_0,y_0)\in X und r > 0, so sei für y0 > 0

U_r(x_0,y_0) := \{(x,y)\in X; (x-x_0)^2+(y-y_0)^2 < r^2\}.

Ist y0 = 0, so sei

U_r(x_0,0) := \{(x_0,0)\}\cup\{(x,y)\in X; (x-x_0)^2+(y-r)^2 < r^2\}..

Im Falle y0 > 0 handelt es sich also um offene Kreise mit Radius r um (x_0,y_0)\in X, die mit der oberen Halbebene geschnitten sind, Ur(x0,0) ist ein auf dem Punkt (x0,0) aufgesetzter offener Kreis mit Radius r zusammen mit diesem Punkt.

Man definiert nun eine Menge V\subset X als offen in der Niemytzki-Topologie, wenn es zu jedem (x_0,y_0)\in V ein r > 0 gibt mit U_r(x_0,y_0)\subset V. X mit der Niemytzki-Topologie heißt Niemytzki-Raum.

Vergleich mit der euklidischen Topologie

(an)n konvergiert gegen (0,0), (bn)n hat keinen Grenzwert.

Für einen Punkt (x_0,y_0)\in X mit y0 > 0 stimmen die Umgebungsbasen bzgl. der euklidischen Topologie und der Niemytzki-Topologie überein.

Eine euklidische Umgebung eines Punktes (x0,0) enthält einen hinreichend kleinen Halbkreis um diesen Punkt. In jedem solchen Halbkreis ist eine Niemytzki-Umgebung Ur(x0,0) enthalten, wenn man r klein genug wählt. Umgekehrt ist aber keine euklidische Umgebung in einer Niemytzki-Umgebung von (x0,0) enthalten. Das zeigt, dass die Niemytzki-Topologie echt feiner als die euklidische Topologie ist.

Die durch a_n := \left(0,\frac{1}{n}\right) definierte Folge (an)n konvergiert in beiden Topologien gegen (0,0). Die durch b_n := \left(\frac{1}{n},1-\sqrt{1-\frac{1}{n^2}}\right) definierte Folge (bn)n konvergiert bzgl. der euklidischen Topologie gegen (0,0), nicht jedoch bzgl. der Niemytzki-Topologie; in dieser hat die Folge (bn)n überhaupt keinen Grenzwert.

Teilräume

Der Teilraum X_0 := \{(x,0); x\in {\mathbb R}\} trägt wegen U_r(x,0)\cap X_0 = \{x\} als Teilraumtopologie die diskrete Topologie. X0 ist eine abgeschlossene Menge bzgl. der Niemytzki-Topologie. Die Teilraumtopologie auf X\setminus X_0 stimmt mit der euklidischen Topologie überein.

Topologische Eigenschaften

Der Niemytzki-Raum hat eine Reihe topologischer Eigenschaften, die in vielen Situationen als Gegenbeispiele dienen.

Lokalkompaktheit

Man kann zeigen, dass der Niemytzki-Raum nicht lokalkompakt ist. Dennoch ist X0 ein abgeschlossener Teilraum, derart dass X0 und X \setminus X_0 beide lokalkompakt sind.

Trennungsaxiome

Der Niemytzki-Raum X ist vollständig regulär, denn jede bzgl. der euklidischen Topologie stetige Funktion ist auch bzgl. der Niemytzki-Topologie stetig. Man kann zeigen, dass A:=\{(x,0);x\in {\mathbb Q}\} und B:=\{(x,0);x\in {\mathbb R} \setminus {\mathbb Q}\} disjunkte, abgeschlossene Mengen sind, die nicht durch offene Mengen getrennt werden können, d.h. X ist nicht normal.

Separabilität

Der Niemytzki-Raum X ist separabel, in der Tat liegt \{ (x,y)\in X; x,y \in {\mathbb Q}\} dicht in X. Während sich im Falle metrischer Räume Separabilität auf Teilräume vererbt, zeigt der nicht-separable Teilraum X_0\subset X, dass dies im Allgemeinen nicht gilt.

Abzählbarkeitsaxiom

Der Niemytzki-Raum genügt dem ersten Abzählbarkeitsaxiom, denn die Mengen U_{\frac{1}{n}}(x_0,y_0), \, n\in {\mathbb N}, bilden eine abzählbare Umgebungsbasis von (x0,y0). Man kann zeigen, dass er nicht das zweite Abzählbarkeitsaxiom erfüllt. Während aus der Separabilität und dem ersten Abzählbarkeitsaxiom im Falle metrischer Räume das zweite Abzählbarkeitsaxiom folgt, zeigt der Niemtzki-Raum also, dass dies im Allgemeinen falsch ist.

Literatur

  • Johann Cigler, Hans-Christian Reichel: Topologie, BI Hochschultaschenbücher 121 (1978)

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