- Normaler Raum
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Hinweis: Es gibt zwei unterschiedliche Definitionen für normale Räume und T4-Räume, bei denen die beiden Begriffe vertauscht sind. Hier gilt, dass ein T4-Raum normal und hausdorffsch ist (ein normaler Raum ist hier aber nicht hausdorffsch).
Ein normaler Raum ist ein topologischer Raum, in dem zwei beliebige disjunkte abgeschlossene Mengen disjunkte Umgebungen haben. In anderen Worten: abgeschlossene Mengen E, F werden durch Umgebungen U, V getrennt.
Diese Eigenschaft ist zum Beispiel Grundlage des Lemmas von Urysohn oder des Fortsetzungssatzes von Tietze. Der Begriff geht zurück auf Heinrich Tietze 1923[1], seine ganze Tragweite wurde von Urysohn bei seinen Arbeiten über die Fortsetzung von Funktion erkannt. [2]
Die Erblichkeit ist in einem normalen Raum auf abgeschlossene Teilmengen eingeschränkt.
Inhaltsverzeichnis
Formale Definition des normalen Raumes und des T4-Raumes (normaler Hausdorff-Raum)
Zu beachten ist, dass die Definition in der Literatur uneinheitlich ist, hier wird für einen normalen Raum nicht die Eigenschaft hausdorffsch gefordert, für einen T4-Raum jedoch schon.
Sei X ein topologischer Raum. X heißt normal, falls es zu je zwei abgeschlossenen Teilmengen E , F mit Umgebungen , sowie von E und F gibt mit .
Ein normaler Raum, der zusätzlich die Trennungseigenschaft T2 erfüllt, also ein normaler Hausdorff-Raum ist, wird als T4-Raum bezeichnet.
Viele Autoren verwenden die Begriffe anders: Sie setzen für einen normalen Raum automatisch hausdorffsch voraus (d.h. T2-Raum) und verstehen unter T4-Räumen die in diesem Artikel unter "normal" beschriebene Raumklasse, es entfällt also die Forderung, dass T4-Räume hausdorffsch sind. Die meisten in den Anwendungen auftretenden normalen Räume sind T2-Räume.
Beispiele
- Alle parakompakten Hausdorff-Räume und damit die meisten in der Mathematik untersuchten Räume sind normal, insbesondere metrische Räume und Mannigfaltigkeiten.
- Pseudometrische Räume sind dagegen normal, ohne im allgemeinen Hausdorff-Räume zu sein.
- Der topologische Vektorraum aller Funktionen von ℝ nach ℝ mit der durch punktweise Konvergenz induzierten Topologie ist nicht normal. Das Produkt aus überabzählbar vielen nicht-kompakten Hausdorff-Räumen ist niemals normal.
Eigenschaften
Erblichkeit
- Ein abgeschlossener Unterraum eines normalen Raums ist wieder ein normaler Raum.
- Produkte normaler Räume sind im Allgemeinen nicht normal, wie das Beispiel der Sorgenfrey-Ebene zeigt.
Fortsetzung stetiger Funktionen
Ein topologischer Raum ist genau dann ein normaler Raum, wenn jede auf einer abgeschlossenen Teilmenge stetige, reellwertige Funktion zu einer auf den ganzen Raum stetigen, reellwertigen Funktion fortgesetzt werden kann.
Lemma von Urysohn
Hauptartikel: Lemma von Urysohn
Ein topologischer Raum X ist genau dann ein normaler Raum, wenn es zu je zwei disjunkten, abgeschlossenen Mengen eine stetige Funktion gibt mit f(A) = {0} und f(B) = {1}.
Abgeschlossene Umgebungen
Eine einfache Umformulierung der Definitionen liefert:
Ein topologischer Raum X ist genau dann normal, wenn es zu jeder Umgebung U einer abgeschlossenen Menge A eine offene Menge O gibt, für die gilt
Das bedeutet, das für jede abgeschlossene Menge die abgeschlossenen Umgebungen eine Umgebungsbasis bilden.
Zerlegung der Eins
Ein normaler Raum ermöglicht eine Zerlegung der Eins.
Spezialisierungen
Der Begriff des normalen Raums kann auf mehrere Weisen verschärft werden:
- Ein normaler Raum X heißt vollständig normal, wenn es zu je zwei Mengen mit disjunkte offene Mengen U und V gibt mit und . Hier liegt also eine stärkere Trennungseigenschaft vor. In solchen Räumen sind alle Unterräume, nicht nur die abgeschlossenen, normal.
- Eine normaler Raum heißt perfekt normal, wenn es zu je zwei disjunkten abgeschlossenen Mengen eine stetige Funktion gibt mit A = f − 1(0) und B = f − 1(1). In solchen Räumen gilt also eine stärkere Version des Urysohnschen Lemmas.
- Ein normaler Raum heißt total normal, falls es zu jeder offenen Menge eine offene Überdeckung gibt, so dass
- Jedes Ui ist eine Fσ-Menge, d.h. eine abzählbare Vereinigung abgeschlossener Mengen.
- ist lokalendlich auf U, d.h. zu jedem gibt es eine Umgebung , die mit nur endlich vielen der Ui einen nicht-leeren Schnitt hat.
- Solche Räume spielen in der Dimensionstheorie eine Rolle. Perfekt normale Räume sind total normal.
Literatur
- Boto von Querenburg: Mengentheoretische Topologie. 3. neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Springer-Verlag, Berlin u. a. 2001, ISBN 3-540-67790-9 (Springer-Lehrbuch).
- Egbert Harzheim, Helmut Ratschek: Einführung in die allgemeine Topologie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1975, ISBN 3-534-06355-4 (Die Mathematik).
Einzelnachweise
- ↑ Heinrich Tietze: Beiträge zur allgemeinen Topologie I. Axiome für verschiedene Fassungen des Umgebungsbegriffs. In: Mathematische Annalen. 88, 1923, ISSN 0025-5831, S. 290–312, online (PDF; 1,23 MB).
- ↑ N. Bourbaki: Éléments d'histoire des mathématiques. Springer, Berlin u. a. 2007, ISBN 978-3-540-33938-0, S. 205.
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