Operative Ebene

Operative Ebene
Operationsplan der Ardennenoffensive

Als Operation in militärischem Sinn werden zeitlich und räumlich zusammenhängende Handlungen von Kräften einer Seite bezeichnet, die auf ein gemeinsames Ziel gerichtet sind. Sie sind an keine Führungsebene gebunden und finden vor, während und nach Schlachten und Gefechten statt.[1] Im Laufe einer Operation kann es zu mehreren Schlachten und Gefechten kommen. Neben der Gefechtstätigkeit gehören aber auch alle anderen militärischen Maßnahmen, zum Beispiel Märsche oder Versorgung von Truppen und sonstige Maßnahmen jeder Art und jeden Umfangs, zur Operation. Der Umstand, dass Operationen an keine Führungsebene gebunden sind und keinen bestimmten Kräfteumfang voraussetzen, darf nicht darüber täuschen, dass sie grundsätzlich erst ab Brigadeebene aufwärts geführt werden. Das hängt auch damit zusammen, dass Operationen grundsätzlich von verschiedenen Truppengattungen und heutzutage gewöhnlich außerdem von verschiedenen Teilstreitkräften gemeinsam ausgeführt werden.

Vom Begriff Operation wurden bereits frühzeitig eine Vielzahl anderer Begriffe (beispielsweise Operationslinie, Operationsbasis) abgeleitet. Die zentrale Bedeutung, die er heute besitzt, erhielt er jedoch erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als man von ihm in Deutschland das Adjektiv operativ ableitete, mit dem eine völlig neue Führungsebene zwischen Strategie und Taktik geschaffen wurde, die Operative Ebene.

Damit unterscheidet sich der Gebrauch des Begriffs im deutschen Sprachraum erheblich von dem im angelsächsischen, speziell US-amerikanischen Sprachraum, wo er „nur ganz allgemein Kampfhandlungen“[2] egal welcher Art bezeichnet. Demnach entspricht Operation zwar nicht operation, operativ jedoch dem englischen Begriff operational.

Inhaltsverzeichnis

Abgrenzung des Begriffs

Die vom Begriff Operation abgeleitete Operative Ebene liegt unterhalb der Strategie, aber oberhalb der Taktik. Strategie ist dabei als der Teil der Kriegskunst zu verstehen, der sich mit der Gesamtkriegführung befasst. Im Gegensatz dazu befasst sich Taktik mit der Verwendung und dem Einsatz von Streitkräften für die Schlacht oder in der Schlacht. Während Taktik damit den Fokus der Betrachtung auf das einzelne Gefecht richtet und Strategie weit oberhalb dieser engen Betrachtungsweise alle Zusammenhänge und Interessen des kriegführenden Staates betrachtet, ist die Operative Ebene dazwischen angesiedelt.
Taktische Maßnahmen befinden sich daher in enger Abhängigkeit voneinander. Eine Kompanie, die eine Ortschaft verteidigt, kann diese Absicht und ihren Auftrag nicht losgelöst von ihren Nachbarn verfolgen. Gehen die benachbarten Kompanien auf beiden Seiten zurück, wird auch die Einheit aus dem Dorf ausweichen müssen, da ihr sonst die Gefahr droht, abgeschnitten zu werden. Andererseits wird sie nicht im Dorfe halten dürfen, wenn ihre Nachbarn vorgehen, da sonst zwischen diesen Nachbarn eine Lücke klafft, die diesen und schließlich auch der Kompanie im Dorf zum Verhängnis werden könnte. Der Führer dieser Kompanie ist insofern nicht frei in seinen Entschlüssen, sondern muss sie am Verhalten anderer Truppenteile, auf die er keinen Einfluss hat, orientieren. Das stellt sich auf operativer Ebene anders dar. Verschiedene Operationen auf dem gleichen Kriegsschauplatz müssen zwar auf strategischer Ebene aufeinander abgestimmt werden, laufen für sich jedoch weitgehend unabhängig vom Erfolg oder Misserfolg benachbarter Operationen ab. Als weitere Unterschiede werden häufig genannt, dass Bewegungen in der Taktik nur insofern betrachtet werden, als sie im Gefecht oder in Erwartung eines möglichen Gefechtes geplant und ausgeführt werden, während sie integraler Bestandteil von Operationen sind. Auch Versorgungsmaßnahmen werden in der Taktik lediglich hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf laufende oder mögliche Gefechte betrachtet, während sie dauernde Begleiter von Operationen sind. Seltener findet man den Hinweis, dass Taktik sich sehr stark an der Truppengattung orientiert, während Operationen grundsätzlich der Idee vom Einsatz verbundener Waffen folgen.[3] Dem liegt die Idee zugrunde, dass Panzertruppe, Infanterie, Artillerie jeweils ihre eigenen Einsatzgrundsätze und damit ihre eigene Taktik haben. „Wo einzelne Truppentypen und ihre spezifischen Taktiken (…) nicht mehr für sich allein den Ausgang bestimmen, weil andere Truppentypen und andere Arten von Taktik ebenso beteiligt sind, befinden wir uns auf der nächsthöheren Ebene: der operativen Ebene.“[4] Dem könnte entgegengehalten werden, dass in heutigen Gefechtssituationen das Gefecht der verbundenen Waffen bereits auf sehr niedriger Führungsebene praktiziert wird. Bataillone haben im Einsatz fast immer abgegebene Teile fremder Truppengattungen für den eigenen Gefechtsauftrag zur Verfügung, Kompanien und teilweise sogar Züge werden immer häufiger durch andere Truppen verstärkt. Der Unterschied, dass taktische Verbände zunächst reinrassig sind und erst durch Engriffe der operativen Ebene, die über alle Truppengattungen verfügen kann, Beimischungen erhalten, bliebe allerdings auch bei diesem Einwand bestehen.

Mit dem Begriff der Operation hängen in heutigen deutschen Führungsvorschriften eine Vielzahl abgeleiteter Begriffe zusammen:

  • Gesamtoperation
  • Folgeoperation
  • freie Operationen
  • Operationen in der Tiefe
  • Operationen im rückwärtigen Gebiet
  • Operationen zur Täuschung
  • Operationsgebiet
  • Operationsplan
  • operative Führung
  • operatives Konzept
  • unmittelbare Operation

Herkunft und Entwicklung des Begriffs

Antoine-Henri Jomini

Das Wort Operation leitet sich vom lateinischen operari her, welches beschäftigt sein, arbeiten, wirken, verrichten bedeutet. Daraus bildet sich lateinisch operatio (Genitiv: operationis) mit der Bedeutung Arbeit, Verrichtung, Gewerbe. Während der Begriff im medizinischen Zusammenhang schon seit dem frühen 16. Jahrhundert benutzt wurde, findet er sich in der Bedeutung einer zielgerichteten Bewegung eines militärischen Verbandes ab dem Ende des 17. Jahrhunderts.[5] Im umfassenderen Sinne etabliert sich der Begriff erst um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. In den Schriften Friedrichs des Großen ist er nicht zu finden. Sein Zeitgenosse Henry Lloyd gilt jedoch als Schöpfer der Bezeichnung Operationslinie für die Verbindungsstränge von der Armee im Felde zu ihren Versorgungsbasen im Hinterland.[6] Das legt nahe, dass bereits um 1780, dem Entstehungsjahr von Lloyds Abhandlung über die allgemeinen Grundsätze der Kriegskunst, der Operationsbegriff so verbreitet war, dass sich die Ableitung der Operationslinie daraus anbot. Um die Jahrhundertwende zum 19. Jahrhundert findet sich der Begriff bei allen bedeutenden Denkern der Kriegskunst. Erzherzog Karl überschreibt § 4 seiner Grundsätze der höheren Kriegskunst für die Generäle der österreichischen Armee bereits 1806 mit dem Titel Von dem Operationsplan [7]. Carl von Clausewitz verwendet den Begriff in seinem in den 1820er Jahren entstandenen Buch Vom Kriege häufiger. Das fünfzehnte Kapitel des fünften Buches im zweiten Teil trägt den Titel Operationsbasis.[8] Dass ausgerechnet Scharnhorst, der von Tempelhoff, dem Übersetzer Lloyds, erheblich gefördert wurde, die Urheberschaft des Ausdrucks Operationslinie Jomini zuschreibt [9], ist vor diesem Hintergrund erstaunlich. Wobei Jomini, dessen Werk Précis de l'Art de la Guerre etwa zehn Jahre nach Clausewitz' Vom Kriege entstand, den Begriff und das Verständnis davon beträchtlich weiter entwickelte. Er baute um den Operationsbegriff ein ganzes Gebäude neuer Termini, die sich auf diesen bezogen oder von ihm abgeleitet waren.[10] „Jomini suchte das Wesen der Strategie in den Operationslinien und prüfte die Vorzüge der inneren Operationslinie und der äußeren.“[11] Scharnhorsts Irrtum mag sich also auf diesen Umstand gründen.

Helmuth von Moltke

Die bedeutendste Weiterentwicklung fällt in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ob bereits Moltke in Anlehnung an den Begriff der Operation die operative Kriegskunst oder operative Führungsebene zwischen Taktik und Strategie einschob, oder erst sein Nachfolger Schlieffen, ist unbekannt. Es steht jedoch fest, dass dieser neue Führungsbegriff noch vor 1900 in Deutschland entstand und von dort zunächst in Russland als operativnoje iskusstvo aufgenommen wurde [12]. Seitdem gibt es nicht mehr nur das Begriffspaar Strategie - Taktik, das von einer breiten Grauzone zwischen den Extremen gekennzeichnet war. Die operative Ebene hat sich zwischen den beiden vermittelnd eingeschoben. Freilich gibt es nun statt einer Grauzone zwei. Denn so unklar früher in Grenzbereichen die Zuordnung einer militärischen Maßnahme zum Bereich der Taktik oder Strategie war, so groß können heute die Unklarheiten sein, wenn es um die Zuordnung zu Taktik oder Operativer Ebene einerseits, oder Operativer Ebene und Strategie andererseits geht. Außer in Russland, wo das Konzept der Operativen Führung zwischen 1923 und 1937 von Tuchatschewski und Triandafillow weiter ausgearbeitet wurde, tat man sich außerhalb Deutschlands schwer die neue Idee zu übernehmen. Liddell Hart schlug noch Mitte der 1950er Jahre für Großbritannien und die übrigen westlichen Staaten ein beinahe identisches Konzept allerdings unter dem ihm geeigneter erscheinenden Begriff grand tactics (etwa Große Taktik) vor [13]. Kurz danach öffnete sich mit dem französischen General André Beaufre erstmals ein prominenter Strategiedenker des Westens für dieses Konzept unter der Bezeichnung Operative Strategie[14]. Im Ostblock rechnete man sich die Errungenschaft selbst hoch an und belächelte, wie schwer sich der Klassenfeind tat. Voller Stolz wird in einem offiziellen Werk ausgeführt: „Die bürgerliche Militärwissenschaft erkennt die operative Kunst als selbständigen Bestandteil der K.(riegskunst) nicht an. In der militärischen Literatur werden allerdings Begriffe wie “große Taktik”, “Taktik des Kriegsschauplatzes” und andere Termini als Bezeichnung für operative Kampfhandlungen benutzt.“[15] Dabei wurde geflissentlich übersehen, dass sich der Westen Deutschlands nie von der Operation und dem Operativen entfernt hatte. Der Operationsbegriff zieht sich durch alle Ausgaben der grundlegenden Führungsvorschrift für das Deutsche Heer[16]. 1982[17] führte Edward Luttwak[18] den neuen Führungsbegriff auch bei den US-amerikanischen Streitkräften in der grundlegenden Vorschrift FM 100-5 ein. Darin heißt es sinngemäß, dass der Krieg ein nationales Unterfangen sei, das auf drei grundsätzlichen Ebenen koordiniert werde, strategisch, operativ und taktisch[19]. Damit hatte sich der Begriff endgültig weltweit durchgesetzt, auch wenn stellenweise noch bemängelt wird, dass in einigen Ländern der Begriff das Führungssystem noch nicht durchdrungen hat [20].

Literatur

  • Edward Luttwak: Strategie, Die Logik von Krieg und Frieden. Lüneburg 2003, ISBN 3-934920-12-8.

Einzelnachweise

  1. Heeresdienstvorschrift 100/100 Truppenführung, Bonn 2000; Ziffer 406 ff. und Heeresdienstvorschrift 100/900 Führungsbegriffe, Bonn 1998; Stichwort Operation und Verweise
  2. Edward Luttwak: Strategie, Die Logik von Krieg und Frieden. Lüneburg 2003, S. 156
  3. zum Beispiel Edward Luttwak in Edward Luttwak: Strategie, Die Logik von Krieg und Frieden Lüneburg 2003
  4. Edward Luttwak: Strategie, Die Logik von Krieg und Frieden Lüneburg 2003; S. 157
  5. Wolfgang Pfeifer (u.a.): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen Berlin 1993, S. 951
  6. Rudolf Vierhaus: Lloyd und Guibert. In: Werner Hahlweg: Klassiker der Kriegskunst. Darmstadt 1960, S.188
  7. Erzherzog Karl: Grundsätze der höheren Kriegskunst für die Generäle der österreichischen Armee Wien 1806, In: Freiherr von Waldstätten (Hrsg.): Erzherzog Karl. Ausgewählte militärische Schriften Berlin 1882, S. 18
  8. Vom Kriege, Hinterlassenes Werk des Generals Carl von Clausewitz, Bd. 1 – 3, bei Ferdinand Dümmler, Berlin 1832–1834, (Hrsg. von Marie von Clausewitz)
  9. Scharnhorst schreibt: Die “Précis de l’art de la guerre” fassen die aus der Kriegsgeschichte und den napoleonischen Feldzügen abgeleiteten Lehren zusammen. Es ist das Verdienst des “devin de Napoléon”, der Kriegswissenschaft einen starken Auftrieb verschafft und sie durch die Begriffe der “Initiative” und der “Operationslinien”, insbesondere der “inneren” und “äusseren Linien”, bereichert zu haben. (Gerhard Johann David von Scharnhorst: Nutzen der militärischen Geschichte. Ursach ihres Mangels Ein Fragment aus dem Scharnhorst-Nachlass, Osnabrück 1973 - ISBN 3-7648-0867-5)
  10. Jomini: Précis de l'Art de la Guerre Paris 1994; in englischer Übersetzung: The Art of War London 1992
  11. Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst 4. Teil, 4. Buch 4. Kapitel, Hamburg 2006 ISBN 3-937872-42-6, S. 597
  12. Edward Luttwak: Strategie, Die Logik von Krieg und Frieden. Lüneburg 2003, S. 156
  13. Basil Liddell Hart: Strategie Wiesbaden 1954 (Strategy London 1953)
  14. André Beaufre: Totale Kriegskunst im Frieden, Einführung in die Strategie Berlin 1964 (Introduction à la stratégie Paris, 1963)
  15. Autorenkollektiv: Wörterbuch zur Deutschen Militärgeschichte. Militärverlag, Berlin 1985; ISBN 3327002398; Stichwort Kriegskunst, S. 417 f.
  16. als Beispiel sei hier die Ausgabe von 1973 der Heeresdienstvorschrift 100/100 Führung im Gefecht genannt
  17. dort im Field Manual 100-5 der US-Army eingearbeitet. Jahresangabe aus: Jay Luvaas: Napoleon on the Art of War New York 1999, ISBN 0-684-87271-4, S. 127
  18. Die Urheberschaft Luttwaks wird bestätigt in J.J.G. MacKenzie und Brian Holden: The British Army and the Operational Level of War London 1989
  19. Jay Luvaas: Napoelon on the Art of War New York 1999, ISBN 0-684-87271-4, S. 127
  20. so zum Beispiel in der Schweiz, vergleiche dazu [1] (Internetseite vom 30.04.2009)

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