Oro-fazio-digitales Syndrom Typ 1

Oro-fazio-digitales Syndrom Typ 1
Klassifikation nach ICD-10
Q87.0 Angeborenes Fehlbildungssyndrom mit vorwiegender Beteiligung des Gesichtes
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Das Oro-fazio-digitales Syndrom Typ 1 (OFD1), auch Papillon-Leage-Psaume-Syndrom oder Oral-fazial-digital-Syndrom 1 genannt, ist eine sehr seltene X-chromosomal-dominant vererbte Krankheit. Die Erkrankung ist für das männliche Geschlecht pränatal tödlich.

Inhaltsverzeichnis

Krankheitsbild

Das Krankheitsbild bei OFD1 zeigt sich bei den betroffenen Patientinnen durch Fehlbildungen in der Mundhöhle (Pseudospalte der Oberlippe, Gaumenspalte, gespaltene Zunge, hoher Gaumenbogen, Fixierung der Zunge, Zahnanomalien) (orale Fehlbildungen); eine Gesichtsdysmorphie (Balkonstirn, Gesichtsasymmetrie, Hypertelorismus, verbreiterte Nasenwurzel, Milien der Gesichtshaut) (faziale Fehlbildungen) und der Finger (Syndaktylie, Brachydaktylie, Klinodaktylie, Polydaktylie) (Fehlbildungen der Finger, engl. digit = „Finger“). Bei vielen Patienten ist eine Neigung zu polyzystischen Nieren (Zystennieren) zu beobachten.[1] Diese werden meist oft sehr spät diagnostiziert, wenn die Niereninsuffizienz schon weit fortgeschritten ist.[2]

Das Oro-fazio-digitales Syndrom 1 ist für das männliche Geschlecht bereits vor der Geburt (pränatal) tödlich. Die Ursache für den in utero-Tod ist noch unbekannt. Die betroffenen Feten werden im ersten oder zweiten Trimenon als Fehlgeburt ausgestoßen.[3]

Die Ausprägung der einzelnen Krankheitsmerkmale kann auch innerhalb einer Familie sehr unterschiedlich ausfallen. Die Bandbreite kann dabei von schwersten Schädigungen bis zu leichten Symptomen, wie beispielsweise Zahnfehlstellungen, reichen. Die Ursache für diese Bandbreite an Ausprägungen lassen sich durch die X-Inaktivierung (Lyon-Hypothese) erklären.[4]

Genetik

Die Ursache für OFD1 sind Mutationen im CXORF5-Gen, das auf dem X-Chromosom Genlocus p22.2-22.3 liegt.[5]

Die Funktion des aus CXORF5 kodierten Proteins ist noch unklar. Von der CXORF5-Sequenz wurden bisher in anderen Säugetieren keine Sequenzhomologe gefunden. Etwa 75% der OFD1-Erkrankungen sind Spontanmutationen, die fast ausschließlich beim weiblichen Geschlecht auftreten. Der Mechanismus, wie und weshalb Mutationen in CXORF5 zu polyzystischen Nieren führt, ist noch weitgehend ungeklärt.[3]

Prävalenz und Inzidenz

Die Prävalenz bei Neugeborenen liegt bei etwa 1:250.000.[3] Die Inzidenz liegt bei etwa 1:50.000.[4] Die Erkrankung ist somit sehr selten.

Therapie

Einzelne Symptome können chirurgisch korrigiert werden.[4]

Erstbeschreibung

OFD1 wurde erstmals von Papillon-Leage und Psaume 1954 bei acht Mädchen mit oralen, fazialen und digitalen Anomalien beschrieben. Gorlin und Psaume[6] postulierten den X-chromosomal-dominanten (hemizygoten) Erbgang, der für männliche Nachkommen tödlich ist. Doege und Kollegen beschrieben 1964 erstmals bei Mutter und Tochter mit OFD1 die Assoziation zu polyzystischen Nieren.[7][8]

Einzelnachweise

  1. A. A. Connacher u. a.: Orofaciodigital syndrome type I associated with polycystic kidneys and agenesis of the corpus callosum. In: J. Med. Genet. 24, 1987, S. 116–122. PMID 3560170
  2. S. A. Feather u. a.: Oral-facial-digital syndrome type 1 is another dominant polycystic kidney disease: clinical, radiological and histopathological features of a new kindred. In: Nephrol. Dial. Transplant 12, 1997, S. 1354–1361. PMID 9249769
  3. a b c E. Prati: Oro-facio-digital sydrome type 1. In: Orphanet Encyclopedia Oktober 2004
  4. a b c R. Witkowski u. a.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, 2003, ISBN 3-540-44305-3, S. 957–958.
  5. S. A. Feather u. a.: The oral-facial-digital syndrome type 1 (OFD1), a cause of polycystic kidney disease and associated malformations, maps to Xp22.2-Xp22.3. In: Hum. Molec. Genet. 6, 1997, S. 1163–1167. PMID 9215688
  6. R. J. Gorlin und J. Psaume: Orodigitofacial dysostosis - a new syndrome. In: J. Pediat. 61, 1962, S. 520–530. PMID13900550
  7. T. C. Doege u. a.: Studies of a family with the oral-facial-digital syndrome. In: New Eng. J. Med. 271, 1964, S. 1073–1080. PMID14210999
  8. M. J. E. Harrod u. a.: Polycystic kidney disease in a patient with the oral-facial-digital syndrome type I. In: Clin. Genet. 9, 1976, S. 183–186. PMID 1248177

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Zystische Nierendegeneration Potter Typ III — Klassifikation nach ICD 10 Q61.1 Polyzystische Niere, autosomal rezessiv infantiler Typ Q61.2 Polyzystische Niere, autosomal dominant Erwachsenentyp …   Deutsch Wikipedia

  • Oral-fazial-digital-Syndrom 1 — Klassifikation nach ICD 10 Q87.0 Angeborenes Fehlbildungssyndrom mit vorwiegender Beteiligung des Gesichtes …   Deutsch Wikipedia

  • Papillon-Leage-Psaume-Syndrom — Klassifikation nach ICD 10 Q87.0 Angeborenes Fehlbildungssyndrom mit vorwiegender Beteiligung des Gesichtes …   Deutsch Wikipedia

  • RSH-Syndrom — Klassifikation nach ICD 10 Q87.1 Angeborene Fehlbildungssyndrome, die vorwiegend mit Kleinwuchs einhergehen Smith Lemli Opitz Syndrom …   Deutsch Wikipedia

  • ACKD — Klassifikation nach ICD 10 Q61.1 Polyzystische Niere, autosomal rezessiv infantiler Typ Q61.2 Polyzystische Niere, autosomal dominant Erwachsenentyp …   Deutsch Wikipedia

  • ADPKD — Klassifikation nach ICD 10 Q61.1 Polyzystische Niere, autosomal rezessiv infantiler Typ Q61.2 Polyzystische Niere, autosomal dominant Erwachsenentyp …   Deutsch Wikipedia

  • ARPKD — Klassifikation nach ICD 10 Q61.1 Polyzystische Niere, autosomal rezessiv infantiler Typ Q61.2 Polyzystische Niere, autosomal dominant Erwachsenentyp …   Deutsch Wikipedia

  • Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung — Klassifikation nach ICD 10 Q61.1 Polyzystische Niere, autosomal rezessiv infantiler Typ Q61.2 Polyzystische Niere, autosomal dominant Erwachsenentyp …   Deutsch Wikipedia

  • Autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung — Klassifikation nach ICD 10 Q61.1 Polyzystische Niere, autosomal rezessiv infantiler Typ Q61.2 Polyzystische Niere, autosomal dominant Erwachsenentyp …   Deutsch Wikipedia

  • Autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung — Klassifikation nach ICD 10 Q61.1 Polyzystische Niere, autosomal rezessiv infantiler Typ Q61.2 Polyzystische Niere, autosomal dominant Erwachsenentyp …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”