Orosh

Orosh
Malet e Shenjtit – Berglandschaft bei Orosh

Orosh (albanisch auch Oroshi) ist ein Dorf und eine Gemeinde in Albanien im Kreis Mirdita. Die Gemeinde liegt im gebirgigen Nordalbaniens im Tal des Fan i Vogël. Zu ihr zählen heute 16 Orte[1] wie Blinisht und Reps im Tal sowie diverse andere Dörfer, darunter Mashterkor und das berüchtigte Spaç, in dessen Minen während des Kommunismus Tausende von politischen Gefangenen unter menschenunwürdigen Bedingungen gefangen gehalten wurden, schwerste Arbeit leisten mussten und dabei oft auch den Tod fanden.[2] Das kleine Städtchen Reps ist entstanden, als in der Gegend mit dem Abbau von Kupfer begonnen wurde.[3] Die Gemeinde hat eine Fläche von 135 Quadratkilometer und 3392 Einwohner, wobei nicht ganz ein Drittel der Familien in Reps wohnt.[4]

Das historische Zentrum, das der heutigen Gemeinde den Namen gab, heißt Grykë-Orosh. Der Ort liegt abgelegen und unzugänglich in den Bergen Nordalbaniens in einem Seitental des Fan i Vogël an der nordwestlichen Flanke des Gebirgszugs Malet e Shenjtit unterhalb der 1413 müA hohen Spitze Maja e Guri i Çikit auf rund 600 bis 700 m.

Orosh war einst das Zentrum des gesellschaftlichen und spirituellen Lebens der nordalbanischen Stämme und faktischer Hauptort der Mirdita. In Orosh trafen sich einerseits die Familienoberhäupter der Mirditen zum Ältestenrat, einer Art Landsgemeinde respektive Thing.[5] Von großer Bedeutung war andererseits das Alexanderkloster (albanisch: Shën Llezhdër). Die erste schriftliche Nachricht über das bedeutende, von Benediktinern gegründete Kloster – gemäß anderer Ansicht eine Basilianerabtei – stammt aus dem Jahr 1313. Wahrscheinlich ist es aber viel älter. Die an die Franziskaner übergegangene Abtei war zur Türkenzeit von geringem Einfluss. Bartl bezeichnete die Äbte als bessere Dorfpfarrer.[6] 1888 erhob Papst Leo XIII. Orosh zur Territorialabtei in direkter Abhängigkeit vom Heiligen Stuhl. Fünf Kirchgemeinden der Mirdita, die zuvor zum Bistum Lezha gehört hatten, wurden ihr zugeschlagen. Bis 1894 kamen noch sieben weitere hinzu, so dass die Abtei das ganze Gebiet der Mirdita umfasste.[6] Die unter dem ersten Bischof Prend Doçi erneuerte und ausgebaute Klosteranlage war mit ihrer Bibliothek ein Zentrum auch der Bildung und der albanischen Nationalbewegung Rilindja.[7] Die im 19. Jahrhundert hier eröffnete Schule war eine der ersten katholischen Schulen des Landes.[8] Aus der Abtei ist das heutige Bistum Rrëshen hervorgegangen. Noch heute sind die meisten Bewohner der Region katholisch.

Obwohl die Nordalbaner keine zentrale Herrschaft anerkannten, gab es auch eine Art weltliche Autorität in Orosh. Der Kapedan ("Kapitän"), der jeweils vom Oberhaupt der Familie Gjonmarku gestellt wurde, war Anführer der Mirditen und letzte Instanz in Entscheidungen und Streitfragen.[9] Die Rechte der privilegierten Familie und die Rolle des Kapedan waren im Kanun genau umschrieben. Jeder Mirdite, der jemanden tötete (siehe Blutrache), musste den Gjonmarku eine Abgabe zahlen.[10] Sogar die Osmanen, unter denen die Mirditen stark litten, anerkannten die Vorrangstellung der Gjonmarku. Diese urtümlichen Rituale und das Haus Gjonmarku sind Gegenstand von Ismail Kadares Roman Der zerrissene April („Prilli i thyer“; Fischer, Frankfurt/M. 2005, ISBN 3-596-15761-7).

Vom Haus der Gjonmarku sind nur noch Ruinen übrig. Die Kommunisten haben es nach dem Zweiten Weltkrieg zerstört. Die Kirche des Ortes stammt aus dem 16. Jahrhundert und wurde wiederholt von den Osmanen und 1967 von den Kommunisten zerstört.[11] Sie wurde nach der Wende von 1990 wieder aufgebaut.

Bislang war das Gemeindegebiet großteils nur schwer zugänglich. Im Juni 2009 wurde aber die neue Autobahn von Durrës und Milot nach Kukës und Kosovo eröffnet, die durch das Tal des Fan i Vogël führt. Zahlreiche Kunstbauten wurden hierfür erstellt. Reps wurde zu einem Stützpunkt der Baufirmen. Die Menschen im Tal des Fan i Vogël erhoffen sich davon einen wirtschaftlichen Aufschwung.[3] Die Kreisverwaltung arbeitet auch an Projekten, den Tourismus bei Sehenswürdigkeiten wie Orosh zu fördern. Diese Ansätze werden aber noch als sehr zaghaft beurteilt.[12]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Central Election Commussion: Commune of Orosh
  2. z.B. Sonbia Combe und Ivaylo Ditchev (Hrsg.): Albanie utopie: Huis clos dans les Balkans, Éditions Autrement, Paris 1996, ISBN 2-86260-574-3;
    Marianne Graf: Albanien - nördlich des Shkumbin, Weishaupt Verlag 2003, ISBN 978-3-7059-0166-7
  3. a b Fernsehsendung Shipëria tjetër. Abgerufen am 19. Mai 2009.
  4. Komuna Orosh. In: Këshilli i Qarkut Lezhë. 2. August 2009, abgerufen am 9. Januar 2011 (albanisch).
  5. Kanun, 11. Buch (Der Altenrat), 9. Kapitel (Ort der Beratung)
  6. a b Peter Bartl: Die Abtei des hl. Alexander in der Mirdita nach den Berichten ihres Abtes Prenk Doçi aus den Jahren 1888-1896. In: Münchner Zeitschrift für Balkankunde, Band 10 u. 11, München 1996, S. 7-83.
  7. Peter Bartl: Albanien, Regensburg 1995, ISBN 3-7917-1451-1
  8. Markus W. E. Peters: Katholische Kirchenbauten in Albanien vom Mittelalter bis zur Gegenwart, in Walter Raunig (Hrsg.): Albanien – Reichtum und Vielfalt alter Kultur, Staatliches Museum für Völkerkunde, München 2001, ISBN 3-9807561-2-2
  9. Kanun, 11. Buch (Der Altenrat), 10. Kapitel (Das Haus Gjonmarkaj)
  10. Kanun, 10. Buch (Der Kanun gegen das Verbrechen), 3. Kapitel (Der Mord), Ziffer 14 (Die Büchse verfolgt den Bluttäter) sowie Ziffer 17 (Die Versöhnung des Bluts)
  11. James Pettifer: Blue Guide Albania & Kosovo, A & C Black, London 2001, ISBN 0-7136-5016-8
  12. Andreas Hemming: Feldforschungstagebuch, in: Albanische Hefte 4/2008


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