Otto Friedrich Bollnow

Otto Friedrich Bollnow

Otto Friedrich Bollnow (* 14. März 1903 in Stettin; † 7. Februar 1991 in Tübingen) war ein deutscher Philosoph und Pädagoge.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Der Sohn des Lehrers und Rektors Otto Bollnow begann nach dem Abitur in Anklam zunächst mit einem Mathematik- und Physikstudium unter anderem bei Niels Bohr und Max Born in Göttingen. Er begann auf Vermittlung von Martin Wagenschein[1] eine Lehrtätigkeit an der reformpädagogischen Odenwaldschule, widmete sich dann aber ganz der Philosophie und Pädagogik u.a. bei Herman Nohl. Er promovierte in Physik 1925 und habilitierte 1931 in Göttingen bei Georg Misch, der 1935 die Universität verlassen musste.

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten gehörte er am 11. November 1933 zu den Unterstützern für ein Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat.[2] 1940 wurde er Mitglied der NSDAP.

Bollnow lehrte zunächst ohne Berufung als Privatdozent, erst ab 1938 als außerordentlicher Professor der Philosophie und Pädagogik an der Universität Göttingen und als Lehrstuhlvertreter in Gießen. 1939 Ernennung zum ordentlichen Professor für Psychologie und Pädagogik in Gießen - Bollnow wurde Soldat - dann kurzzeitig nach Kiel.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war er ab 1946 Professor in Mainz. Seit 1953 hatte er den Lehrstuhl für Philosophie und Pädagogik in Tübingen inne. Dort lehrte er bis zu seiner Emeritierung 1970. Im Jahre 1975 erhielt er in Straßburg die Ehrendoktorwürde. 1980 wurde ihm der Kulturpreis der deutschen Freimaurer verliehen.

Bollnow hat sich ausgehend von der Lebensphilosophie und der Phänomenologie mit Existenzphilosophie beschäftigt und unter anderem auch eine Einführung in dieses Thema geschrieben. Er entwickelte die Hermeneutik Wilhelm Diltheys weiter und befasste sich ausführlich mit den philosophischen Grundlagen der Pädagogik, ihrer Geschichte und ihren anthropologischen Fragen.

Merkmale seiner Sichtweise der Pädagogik

Mit Bezug auf die Existenzphilosophie stellt Bollnow fest, dass die Menschwerdung kein stetiger, d.h. kontinuierlicher Prozess ist, sondern sowohl physisch als auch psychisch Brüche aufweist. Er behauptet daher: „Das menschliche Leben enthält [...] beides nebeneinander, stetige Verläufe und unstetige Einschnitte.“

Aus diesem Grund plädiert Bollnow für eine Erweiterung der in stetigen Kategorien denkenden Pädagogik um "unstetige Formen der Erziehung". Diese sind für ihn: die Krise, die Erweckung, die Ermahnung, die Beratung, das Wagnis und Scheitern in der Erziehung − und schließlich − die Begegnung.

Gerade den klassischen pädagogischen Begriff der Bildung und den von ihm eingeführten der Begegnung sieht Bollnow in einem Spannungs- und Ergänzungsverhältnis.

Begegnung und Bildung "müssen im richtigen Gleichgewicht stehen, wenn sich das geistige Wachstum (des Menschen) in der richtigen Weise vollziehen soll." Bollnow postuliert somit neben den Aspekten des Wissens auch den Aspekt des Zwischenmenschlichen als für die Menschwerdung konstitutiv. In seiner Spätschrift "Zwischen Philosophie und Pädagogik" setzt sich Bollnow daher ausführlich mit dem Begriff des Gesprächs (Dialogs) auseinander.

Schriften

  • Die Lebensphilosophie F. H. Jacobis. Stuttgart 1933, 2. Auflage 1966
  • Dilthey. Eine Einführung in seine Philosophie. Teubner, Leipzig 1936. 4. Auflage Novalis, Schaffhausen 1980. ISBN 3-7214-0073-2 (formal falsche ISBN)
  • Das Wesen der Stimmungen. Klostermann, Frankfurt a. M. 1941, 8. Aufl.1995, ISBN 978-3-465-02802-4
  • Existenzphilosophie. Kohlhammer, Stuttgart 1943, 9. Auflage 1984, ISBN 3-17-008654-5
  • Die Ehrfurcht. Klostermann, Frankfurt a. M. 1947, 2. Auflage 1958
  • Das Verstehen. Drei Aufsätze zur Theorie der Geisteswissenschaften. Kirchheim Mainz 1949
  • Rilke, Kohlhammer, Stuttgart 1951, 2. Auflage 1955
  • Die Pädagogik der deutschen Romantik. Von Arndt bis Fröbel. Kohlhammer, Stuttgart 1952, 3. Auflage 1977
  • Unruhe und Geborgenheit im Weltbild neuerer Dichter. Acht Essays. Stuttgart 1955, 3. Auflage 1972
  • Neue Geborgenheit. Das Problem einer Überwindung des Existenzialismus. Stuttgart 1955, 4. Auflage 1979
  • Die Lebensphilosophie. Berlin-Göttingen-Heidelberg 1958
  • Wesen und Wandel der Tugenden. Frankfurt a. M. 1958
  • Existenzphilosophie und Pädagogik. Versuch über unstetige Formen der Erziehung. Kohlhammer, Stuttgart 1959, 5. Auflage 1977
  • Mensch und Raum. Kohlhammer, Stuttgart 1963, 7. Auflage 1994
  • die macht des worts. Sprachphilosophische Überlegungen aus pädagogischer Perspektive. Neue Deutsche Schule, Essen 1964, 3. Auflage 1971
  • Die pädagogische Atmosphäre. Untersuchung über die gefühlsmäßigen zwischenmenschlichen Voraussetzungen der Erziehung. Quelle & Meyer, Heidelberg 1964, 4. Auflage 1970
  • Französischer Existentialismus. Stuttgart 1965
  • die anthropologische betrachtungsweise in der pädagogik. Neue Deutsche Schule, Essen 1965, 3. Auflage 1975
  • Sprache und Erziehung. Stuttgart 1966, 3. Auflage 1979
  • Philosophie der Erkenntnis. Das Vorverständnis und die Erfahrung des Neuen. Stuttgart 1970, 2. Auflage 1981
  • Das Doppelgesicht der Wahrheit. Philosophie der Erkenntnis 2. Band. Stuttgart 1975
  • Vom Geist des Übens. Freiburg i. Br. 1978
  • Studien zur Hermeneutik Band I: Zur Philosophie der Geisteswissenschaften. Alber, Freiburg / München 1982. ISBN 3-495-47482-X
  • Studien zur Hermeneutik Band II: Zur hermeneutischen Logik von Georg Misch und Hans Lipps. Alber, Freiburg / München 1983. ISBN 3-495-47513-3
  • Otto Friedrich Bollnow im Gespräch. Hrsg. von Hans-Peter Göbbeler und Hans-Ulrich Lessing. Alber, Freiburg / München 1983. ISBN 3-495-47522-2
  • Zwischen Philosophie und Pädagogik. Vorträge und Aufsätze. Weitz, Aachen 1988
  • Lebensphilosophie und Existenzphilosophie Schriften: Studienausgabe in 12 Bänden, Band 4, Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2009 ISBN 978-3-8260-4186-0

Literatur

  • Ralf Koerrenz: Otto Friedrich Bollnow. Ein pädagogisches Portrait. Beltz (UTB), Weinheim/Basel 2004, ISBN 3-8252-2484-8.
  • Wolfgang Gantke: Otto Friedrich Bollnows Philosophie interkulturell gelesen. Bautz, Traugott 2005, ISBN 978-3883091839.

Weblinks

Primärtexte
Sekundärquellen

Einzelnachweise

  1. Wagenschein empfahl ihn u.a, weil er auch malte. vgl. einen Vortrag 1985, audiodatei unter http://www.martinnaef.ch/downloads/martin_wagenschein_1985.mp3, 3.50min ff. Er bestätigt auch das Studium bei Born.
  2. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer TB, 2. aktual. Aufl., Frankfurt 2005, S. 62 sowie Namensliste; vorweg der Aufruf in 5 Sprachen

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