- Pflanzenbiotechnologie
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Die grüne Biotechnologie ist der Zweig der Biotechnologie, der sich mit den Pflanzen befasst (Pflanzenbiotechnologie). Die grüne Biotechnologie bedient sich moderner Methoden der Biochemie, Systembiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie und Verfahrenstechnik, um Nutzpflanzen zu verbessern, pflanzliche Inhaltsstoffe (Phytochemikalien, Sekundärmetabolite) oder Fasern zu gewinnen oder um pflanzliche Enzyme bzw. Wirkprinzipien (Bionik) für neue Anwendungsbereiche zu erschließen. Die Übergänge zu den anderen Zweigen der Biotechnologie sind mittlerweile fließend. So können pflanzliche Zellen oder Enzyme zur Produktion industrieller Stoffe (weiße Biotechnologie) oder gar von Medikamenten (rote Biotechnologie oder Pharmazeutische Biotechnologie) genutzt werden. Und auch zur Entgiftung von Böden (Phytoremediation) oder als Umweltsensoren sind Pflanzen geeignet, ein Berührungspunkt zur grauen oder braunen Biotechnologie.
Inhaltsverzeichnis
Traditionelle Nutzung
Schon seit über 5000 Jahren nutzt der Mensch Technologie um seine Umwelt zu gestalten und besser zu nutzen. Dies war und ist auch bei der Nutzung der Pflanzen der Fall. Bereits als frühe Form der grünen Biotechnologie werden verschiedene Züchtungstechniken eingestuft, z.B. verschiedene Hybridisierungs- und Mutationsverfahren oder das Pfropfen (bei verschiedenen Zier- und Obstbäumen genutzte Methode der Veredelung, bei der die Edelpflanze auf eine Unterlage gesteckt wird). Weitere Beispiele sind die Nutzung von Mikroorganismen in der Lebensmittelerzeugung (Wein-, Bier- und Käseherstellung) und die Nutzung von Pflanzeninhaltsstoffen zur Produktherstellung wie das Gerben von Leder.
Moderne Nutzung
Seit den 1980er Jahren wächst die Zahl der Anwendungen mit einer so starken Dynamik, dass ein Ende der Entwicklung noch nicht abzusehen ist. So fanden und finden sich Möglichkeiten zur Substitution oder Ergänzung bestehender Produkte und Verfahren. Beispiele sind der Ersatz des Lab-Enzyms aus Kälbermägen (zur Käseherstellung) durch pflanzliche Enzyme, die sich z.B. in Labkraut, Feigen, Artischocken, verschiedene Distelarten oder Kaktusfrüchten finden. Ferner wird die Gewebekultur von Pflanzenzellen (auch in vitro-Kultur genannt) zur Produktion von (Industrie-)Chemikalien oder Medikamenten (Pflanzenbiotechnologie) sowie zur Pflanzenoptimierung und –vermehrung (z.B. durch Meristemvermehrung) genutzt. Gentechnik wird eingesetzt, um gezielt bestimmte, durch Gene vermittelte, Eigenschaften auf Nutzpflanzen zu transferieren und zu kombinieren. Von größerem Einfluss in der Pflanzenzüchtung ist mittlerweile die Marker-unterstützte Selektion (plant molecular marker assisted breeding), wobei Züchtungsziele wie Ertrag oder Resistenz mittels molekularer Marker wesentlich schneller erreicht werden können.
Technologien und Methoden
In der modernen Grünen Biotechnologie ist der Agrobakterium-vermittelte Gentransfer eine wichtige Technologie. Bei dieser gentechnischen Methode werden einzelne Erbfaktoren (Gene) von Zellen eines Organismus in Zellen eines anderen Lebewesens übertragen. Sie wurde unter anderem von Prof. Jozef Schell am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung entwickelt.
Die somatische Hybridisierung (auch Protoplastenfusion oder Zellfusion genannt), eine weitere wichtige Methode, erlaubt es, gewünschte Merkmale verschiedener Elternpflanzen zu kombinieren. Im Vergleich zum Agrobakterium-vermittelten Gentransfer müssen hierbei keine spezifischen Gene identifiziert und isoliert werden. Außerdem wird damit die Einschränkung der Transformation (Gentransfer) überwunden, nur wenige Gene in einen vorgegebenes Erbgut einzuführen zu können. Auch kann bei der Zellfusion die Chromosomenzahl der Zellen multipliziert werden, also die Anzahl der Chromosomensätze (Ploidiegrad) erhöht werden. Dies kann die Ertragsfähigkeit von Pflanzen steigern (Heterosiseffekt). Molekulare Marker oder biochemische Analysen werden genutzt, um klassischen Pflanzenzüchtern die Arbeit zu erleichtern, und so gezielter und schneller zu neuen Pflanzensorten zu kommen. Diese Präzisionszucht nennt man auch „smart breeding“. Sie wird von vielen Saatzucht-Unternehmen und gartenbaulichen Pflanzenzuchtbetrieben angewendet. Solche zumeist mittelständischen Unternehmen sind im Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter organisiert.
Neben diesen Techniken, die zur Optimierung der Pflanzenzüchtung genutzt werden, werden zunehmend weitere Methoden der Biotechnologie angewandt. So kann der Einsatz pflanzlicher Enzyme in chemischen Produktionsprozessen den Rohstoff- und Energieverbrauch verringern. Beim „Molecular farming“ werden Biopharmazeutika wie Monoklonale Antikörper, sogenannte „Plantibodies“, und andere Wertstoffe in so genannten Pharmapflanzen produziert. Diese können in der Diagnostik aber auch für die Therapie, so z. B. in der Krebsbekämpfung eingesetzt werden. Das Ziel dieser Arbeiten ist es, eine sichere Alternative zu den herkömmlichen Produktionssystemen, wie z. B. CHO-Zellen zu entwickeln. Dabei werden GMP-Bedingungen am besten eingehalten, wenn die Pflanzen in abgeschlossenen Behältnissen, wie z. B. Bioreaktoren kultiviert werden. Ein Beispiel dieser Technologie ist der von Ralf Reski entwickelte Moosbioreaktor, ein Photobioreaktor mit genetisch verändertem Physcomitrella patens [1].
Bei diesen Anwendungen hilft das zunehmende Verständnis des pflanzlichen Erbguts und der Proteinnetzwerke (Genomics- bzw. Proteomicstechnologien) genauso wie die Entwicklungen zur Isolierung, Charakterisierung und Produktion der Enzyme. Diese Techniken reichen von Datenbankenauswertungen über molekulare Verfahren wie die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und chromatographische Analyseverfahren bis zur Erzeugung fremder Eiweiße (heterologe Expression) in Mikroorganismen, Hefen, tierischen oder pflanzlichen Zellen.
Grüne Gentechnik
- Hauptartikel: Grüne Gentechnik
Ein Spezialfall der Pflanzenbiotechnologie ist die Grüne Gentechnik, die insbesondere in Europa gesellschaftlich stark umstritten ist. Besonders die erste Generation gentechnisch veränderter Pflanzen, die resistent gegen bestimmte Herbizide sind, haben immer wieder zu Diskussionen geführt, da sie als sogenannte „Input-Traits“ nicht unmittelbar dem Verbraucher nützen. Die weltweit erste Pflanze, die das Kriterium des Verbrauchernutzens, den sogenannten „Output-Trait“, erfüllt, ist der von Peter Beyer und Ingo Potrykus entwickelte Goldene Reis der dem Vitamin A-Mangel in Entwicklungsländern bekämpfen soll.
Herausforderungen
Die Menschheit entwickelt sich und sieht sich dabei neben bestehenden auch neuen Herausforderungen gegenüber. Künftige Herausforderungen, zu deren Bewältigung Methoden der Grünen Biotechnologie ergänzende oder alternative Lösungsansätze bieten, umfassen:
- Bereitstellung ausreichender Mengen an Nahrung,
- Bereitstellung gesünderer/wertvollerer Nahrung,
- Verringerung des Wasserverbrauchs der Landwirtschaft, Erhöhung der Trockentoleranz von Kulturen,
- Schutz vor Bodenerosion,
- Verringerung des CO2-Eintrags in die Umwelt, z.B. Schonung der Humusvorräte durch Reduzierung der Bodenbearbeitung (pflugloser Ackerbau),
- Bekämpfung von (Umwelt-)Verschmutzung,
- nachhaltige Produktion von (Industrie)Produkten (Biomaterialien/ Biowerkstoffe),
- Umstellung auf nachhaltige Energie-Produktion unter anderem mit Biomasse.
Literatur und Quellen
- ↑ Eva L. Decker und Ralf Reski (2008): Current achievements in the production of complex biopharmaceuticals with moss bioreactor. Bioprocess and Biosystems Engineering 31, 3-9.
- Ma, J. K-C., Barros, E., Bock, R., Christou, P., Dale, P.J., Dix J., Fischer, R., Irwin, J., Mahoney, R., Pezzotti, M., Schillberg, S., Sparrow, P., Stoger, E. & Twyman, R. M. (2005) Molecular farming for new drugs and vaccines. Current perspectives on the production of pharmaceuticals in transgenic plants - The European Union Framework 6 Pharma–Planta Consortium EMBO reports VOL 6, NO 7, S. 593-599
- Montagu, M. Van (2003) Jeff Schell (1935–2003): Steering Agrobacterium-mediated plant gene engineering. Trends in Plant Science Vol 8, Issue 8, S. 353-354
- Müller, A. & Welters, P. (2008) Das Grün in der industriellen Biotechnologie - Pflanzen als Schlüssel nachhaltiger Chemie. GIT Labor-Fachzeitschrift 03/2008, S. 246–249
Weblinks
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