Pietro Gradenigo

Pietro Gradenigo
Wappen Pietro Gradenigos

Pietro Gradenigo († 13. August 1311) war der 49. Doge von Venedig. Er regierte von 1289 bis 1311.

Gradenigo betrieb mit Nachdruck Reformen im politischen System der Stadt. Die serrata, die Schließung des großen Rates, wurde beschlossen und der Rat der Zehn als juristisches Kontrollorgan, das in seinen Anfängen mit einem Appellationsgericht verglichen werden kann, wurde eingerichtet und blieb bis zum Ende der Republik unter Napoleon in Funktion. Außerdem wurde das Arsenal erweitert.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Die Gradenigo gehörten zu den bedeutendsten und ältesten, den so genannten apostolischen Familien Venedigs. Pietro Gradenigo war der erste Doge aus der Familie. Es folgten Bartolomeo Gradenigo (1339–1342) und Giovanni Gradenigo (1355–1356). Ludovica Gradenigo war mit dem Dogen Marino Faliero verheiratet.

Leben

Gradenigo war mit Tommasina Morosini verheiratet, einer nahen Verwandten der Königin von Ungarn. Das Paar hatte zwei Söhne und fünf Töchter. Er war zwar insgesamt fünf mal Galeerenkommandant und mehrmals Botschafter, hatte aber noch kein hohes politisches Amt bekleidet. Zum Zeitpunkt seiner Wahl war er Podestà von Capodistria.

Das Dogenamt

Pietro Gradenigo wurde im Alter von erst 38 Jahren in Abwesenheit zum Dogen gewählt. Der Empfang, der ihm bei seiner Ankunft in Venedig bereitet wurde, war kühl, da die Volksmeinung für Baiamonte Tiepolo, den Enkel des Dogen Jacopo Tiepolo, sprach. Dieser hatte jedoch die Wahl abgelehnt und sich aus der Politik zurückgezogen. Er wollte einen Bürgerkrieg zwischen der Bevölkerung, die ihn unterstützte und die ihn gerne durch Akklamation zum Dogen gewählt hätte, und der Mehrheit der Aristokratie, die Tiepolo verdächtigte, die Alleinherrschaft in Venedig anzustreben, vermeiden.

Politik

Außenpolitisch war Venedig in der Folge in eine Reihe von Scharmützeln und Kriegen verwickelt. Akkon, Tyrus, Sidon und Tartus im Heiligen Land wurden vom ägyptischen Mamluken-Sultan zurückerobert, zu kriegerischen Auseinandersetzungen kam es mit Konstantinopel, Padua und Ferrara und – besonders verhängnisvoll – mit der Konkurrentin um die Vorherrschaft im Mittelmeerraum – der Seerepublik Genua.

Nach einer Reihe von Überfällen beider Parteien auf die gegnerischen Stützpunkte, kam es am 8. September 1298 zwischen den Flotten Venedigs und Genuas bei der dalmatinischen Insel Korčula zu einer Seeschlacht. Die venezianische Flotte unter dem Kommando des Admirals Andrea Dandolo unterlag den Genuesen unter Lamba Doria, der mit einem Überraschungsmanöver die Schlacht zu seinen Gunsten entscheiden konnte. Venedig verlor 84 von 95 Galeeren. Unter den Gefangenen waren auch Andrea Dandolo, der sich der Schmach der Gefangenschaft durch Selbstmord entzog sowie Marco Polo, der in der Gefangenschaft seinen Reisebericht („Il Milione“) verfasste. Genuas Verluste an Schiffen und Soldaten waren allerdings nicht weniger schwer. In Venedig wurde die Niederlage als Schande und Demütigung empfunden.

Die politischen Folgen waren allerdings weniger dramatisch. Im Frieden von Mailand vom 25. Mai 1299, der von Matteo Visconti, Karl II. von Neapel und Papst Bonifatius VIII. vermittelt worden war, gelang es der Serenissima, die Kontrolle der Adria und die Handelsrechte im Schwarzen Meer zu behalten (vgl. Wirtschaftsgeschichte der Republik Venedig).
Außerdem konnte ein Handelsvertrag mit dem Sultan von Ägypten abgeschlossen werden.

Wirtschaft

1291 wurden alle Glasbläser-Werkstätten wegen der von den Brennöfen ausgehenden Brandgefahr für die Stadt auf die Insel Murano verlegt. Die Glasproduktion wurde zu einer der wichtigsten und einträglichsten Industriezweige der Stadt. Die Glasbläser wurden als Geheimnisträger betrachtet, auf die Weitergabe von technologischem Wissen stand die Todesstrafe. Die Glasindustrie verfügte über eine Spitzentechnologie, denn bereits im frühen 13. Jahrhundert konnte man Augengläser herstellen und die ersten großen Fensterscheiben wurden in Venedig hergestellt.

Ebenso herausragend war der venezianische Bootsbau. Unter Gradenigo wurde das Arsenal erweitert, ein Hanfspeicher mit einer Seilerei für die Schiffstaue wurde errichtet, die auch die Sehnen für die Armbrüste herstellte.

Auswärtige Kunsthandwerker, die sich mit ihren Familien dauerhaft in der Stadt ansiedeln wollten, konnten bereits nach zwei Jahren das Bürgerrecht erhalten, das sonst außerordentlich schwierig und erst nach jahrelanger Wartezeit zu erreichen war. Seidenweber, die aus Lucca ausgewiesen worden war, durften sich in Venedig ansiedeln. Die Seidenweberei wurde zu einem zweiten, einträglichen Produktionszweig von Luxusgütern, für die Venedig berühmt wurde.

Die serrata des Großen Rates

1296 kam von Seiten der Quarantia, des Rates der Vierzig, der sich als Vertreter der Aristokratie sah, ein Vorschlag, das Wahlsystem und den Maggior Consiglio, den Großen Rat, zu reformieren. Die Vorgänge bei der Wahl Tiepolos, bei der das Volk die Wahl des Dogen durchgesetzt hatte, hatten zu tiefen Beunruhigungen in der Aristokratie geführt. Die Angst des Adels, einer der ihren könnte durch Demagogie und Bestechung die Alleinherrschaft an sich reißen, führte in der Folge zu einem ausgeklügelten System der Machtbalance, bei der der Doge immer mehr Macht einbüßte, bis er schließlich nur noch eine – allerdings prunk- und glanzvolle - Repräsentationsfigur war, der wie ein Gefangener im goldenen Käfig des Dogenpalastes gehalten wurde.

Mit der serrata wurden die Bedingungen einer Zugehörigkeit zum Großen Rat, und damit die Möglichkeit, den Dogen zu wählen bzw. als Doge gewählt zu werden, für die nächsten Jahrhunderte festgelegt. Damit wurde eine Machtbalance zwischen den Adelsfamilien ermöglicht, und die Gefahr einer Usurpation der Macht durch einen Einzelnen ausgeschlossen.

Das neue Gesetz sollte zunächst probeweise für ein halbes Jahr eingeführt werden, wurde aber de facto ab diesem Zeitpunkt dauerhaft angewandt. Der Ausschluss eines großen Teils der Bevölkerung von der Teilnahme an der Macht und die praktische Einführung einer Oligarchie war ein wesentlicher Grund für die ungewöhnliche innere Stabilität der Seerepublik, die von den üblichen Kämpfen um die Alleinherrschaft einer Familie, wie in den italienischer Stadtrepubliken, verschont blieb.

Die Verschwörung des Baiamonte Tiepolo

Zunächst führte die Durchsetzung der serrata aber zu innenpolitischen Unruhen, weniger von Seiten der neureichen, jetzt ausgeschlossenen Familien, sondern von Aristokraten, die sich bei der letzten Dogenwahl übergangen fühlten. Des Dogen außenpolitische Misserfolge, seine antipäpstliche Politik und sein Nepotismus verstärkten die Unzufriedenheit, so dass es schließlich zu dem von Baiamonte Tiepolo angeführten Umsturzversuch kam, dessen Drahtzieher die Querini und die Badoer waren, und bei dem Baiamonte als Doge eingesetzt werden sollte. Der Doge erfuhr jedoch frühzeitig von dem Komplott. Am 15. Juni 1310 schlug er mit seinen Anhängern gegen die Verschwörer los. Marco Querini und sein Sohn wurden erstochen und Badoero Badoer wurde gehenkt. Baiamonte gelang jedoch die Flucht. Die übrigen Verschwörer wurden durch die Signoria bestraft oder verbannt, während 15 Freunde des Dogen in den Großen Rat aufgenommen wurden.

Einen Monat nach dem Aufstand wählte der Große Rat den consiglio dei Dieci, den Rat der Zehn, der zunächst mit Polizei- und Kontrollfunktionen ausgestattet wurde, und dessen vordringliche Aufgabe es war, Verschwörungen zu unterbinden. Er entwickelte sich allmählich zum wichtigsten und mächtigsten Gremium der Stadt.

Grabmal

Pietro Gradenigo starb am 13. August 1311, nach den im Volk umlaufenden Gerüchten an Gift. Er wurde auf Murano in der Klosterkirche San Cipriano begraben, die 1837 zerstört wurde.

Literatur

  • Claudio Rendina: I dogi. Storia e segreti. Rom 1984, ISBN 88-8289-656-0
  • Helmut Dumler: Venedig und die Dogen. Düsseldorf 2001.


Vorgänger Amt Nachfolger
Giovanni Dandolo Doge von Venedig
1289–1311
Marino Zorzi

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