Doge von Venedig

Doge von Venedig
Giovanni Bellini: Porträt des Dogen Leonardo Loredan (1501)

Der Doge [ˈdoːʒə], von lateinisch DuxFührer, Anführer, Fürst“, war das Staatsoberhaupt der Republik Venedig. Abgeleitet ist die Bezeichnung aus einem Begriff der römischen Verwaltung: Ab dem 4. Jahrhundert war bei den Römern dux die Bezeichnung für den obersten militärischen Befehlshaber einer Grenzprovinz.

Ursprünglich war der Doge ein lokaler Stellvertreter des Exarchen von Ravenna, der wiederum der Statthalter des Byzantinischen Reiches in Oberitalien war. Mit der Emanzipation Venedigs von Byzanz wurde der Doge zum Herrscher einer Stadtrepublik.

Der Doge vereinigte sowohl militärische als auch richterliche Funktionen, so dass das Amt im frühen Mittelalter eine fast uneingeschränkte Macht besaß. Dies wurde 1132/1148 geändert, als dem Dogen der Große Rat und später der Rat der Zehn zur Seite gestellt wurden. Letzterer war so etwas wie die oberste Kontrollinstanz. Von da an war das Amt des Dogen eher repräsentativ, der militärische Oberbefehl blieb ihm aber. Der letzte Doge, Ludovico Manin, dankte am 12. Mai 1797 ab, nachdem sich der Große Rat zuvor selbst aufgelöst hatte.

Inhaltsverzeichnis

Wahlverfahren

Das Verfahren der Dogenwahl wurde im Laufe der Zeit immer komplizierter. Genügten 1172 bei der Wahl des 39. Dogen, Sebastiano Ziani, noch zwölf Wahlmänner, so brauchte man bei der Wahl seines Nachfolgers schon ein vierzigköpfiges Wahlkollegium. Die Sorge der Familien, es könnte einer unter ihnen die Herrschaft an sich reißen und nach dem Muster anderer italienischer Städte eine Familiendynastie durchsetzen, führte zu einem komplizierten Verfahren, mit dem man Wahlmanipulationen ausschließen wollte. Das Wahlsystem selbst war eine Mischung aus Zufallsentscheidung durch das Los und einer öffentlichen, freien und sorgfältig durchgeführten Beratung und Beschlussfassung.

Wählbar waren Mitglieder des Großen Rates, von denen jeder eine Loskugel in einer Urne deponierte. Auf dem Markusplatz wurde ein etwa zehnjähriger Knabe (Ballottino) ausgesucht, der aus der Urne 30 Loskugeln zog.

  • 30 Kugeln wurden durch Los auf 9 reduziert. Diese 9 wählten 40.
  • 40 wurden durch Los auf 12 reduziert. Diese 12 wählten 25.
  • 25 wurden durch Los auf 9 reduziert. Diese 9 wählten 45.
  • 45 wurden durch Los auf 11 reduziert. Diese 11 wählten 41.
  • Die 41 nominierten den Dogen zur Billigung durch die Versammlung (nach Frederic C. Lane).

Das Quorum für die Wahl des Dogen war 25 Stimmen. Der Ballottino gehörte nach der Wahl zum Gefolge des Dogen.

Der Doge konnte von der Signoria abgesetzt werden, es war ihm aber verboten zurückzutreten. Die Amtszeit galt unbegrenzt bis zum Tod des Dogen.

Kleidung

Tintoretto: Bildnis einer Dogaressa

Seit dem 14. Jahrhundert wurde der Doge mit dem Corno Ducale, einer besonderen Art von Krone, bekrönt. Der Corno ist eine steife Kappe mit einer hornartigen Spitze und einem kronenartigen Metallring. Er wird einerseits auf die Kopfbedeckung der Fischer, andererseits auf denHerzogshut“' zurückgeführt. Unter dem Corno trug er eine Mütze aus feinem Leinen, den Camauro. Die Krönungskappe Zogia war aus Brokat und mit Edelsteinen geschmückt, während der übliche Corno aus weniger kostbarem Material hergestellt wurde. Bei der Krönung trug der Doge über einem langen Untergewand, der dogalina, die mit einem schmalen Gürtel mit goldener Schnalle gegürtet wurde, einen weiten Umhang mit einem pelerinenartigen Kragen aus Hermelinfell, dem bavaro. Zum Gewand des Dogen gehörten die auffallenden Knöpfe, die campanoni d'oro.

Die private Kleidung entsprach der Alltagskleidung eines venezianischen Nobile. Die dogaressa trug eine kleinere Kappe.

Dogen von Venedig

Nr. Name Regierungszeit prägende Ereignisse
1. Paolo Lucio Anafesto 697717 von Byzanz ernannt, um die Verteidigung gegen Langobarden und Slawen zu organisieren
2. Marcello Tegalliano 717726
3. Orso Ipato 726737 erster frei gewählter Doge
4. Diodato Ipato 742755
5. Galla 755756
6. Domenico Monegario 756764
7. Maurizio Galbaio 764787 Das Langobardenreich wird fränkische Provinz.
8. Giovanni Galbaio 787804 Das Fränkische Reich unter Kaiser Karl dem Großen steht auf seinem Höhepunkt.
9. Obelerio Antenoreo 804809
10. Angelo Partecipazio 809827
11. Giustiniano Partecipazio 827829 828Der Heilige Markus wird Schutzpatron der Stadt.
12. Giovanni I. Partecipazio 829837
13. Pietro Tradonico 837864 Die Araber gewinnen Sizilien und Apulien in Süditalien.
14. Orso I. Partecipazio 864881
15. Giovanni II. Partecipazio 881887
16. Pietro I. Candiano 887
17. Pietro Tribuno 887912
18. Orso II. Partecipazio 912932
19. Pietro II. Candiano 932939 Die venezianische Expansionspolitik auf dem Festland beginnt.
20. Pietro Partecipazio/Badoer 939942
21. Pietro III. Candiano 942959
22. Pietro IV. Candiano 959976 Kaiser Otto I.: Heiliges Römisches Reich deutscher Nation umfasst auch Oberitalien (ohne Venedig).
23. Pietro Orseolo 976978
24. Vitale Candiano 978979
25. Tribuno Memmo 979991
26. Pietro II. Orseolo 9911009 Die Ostexpansion Venedigs beginnt in Istrien und Dalmatien als Kampf gegen Piraten.
27. Ottone Orseolo 10091026 Das erneuerte Byzantinische Reich beherrscht Anatolien, Balkan und in Süditalien Apulien und Calabrien.
28. Pietro Centranigo/Barbolano 10261032
29. Domenico Flabanico 10321043
30. Domenico I. Contarini 10431071 Morgenländisches Schisma (1054)
31. Domenico Selvo 10711084
32. Vitale Falier 10841096 Die Normannen einigen Süditalien (viel später Königreich beider Sizilien genannt).
33. Vitale Michiel I. 10961102 Erster Kreuzzug: Venedig wird wichtiger Nachschubhafen der Kreuzfahrerstaaten im Nahen Osten.
34. Ordelafo Faliero 11021118
35. Domenico Michiel 11181130
36. Pietro Polani 11301148
37. Domenico Morosini 11481156 Das Byzantinische Reich geht gegen die venezianischen Kaufleute vor; Genua dominiert das Schwarze Meer.
38. Vitale Michiel II. 11561172
39. Sebastiano Ziani 11721178
40. Orio Mastropiero 11781192
41. Enrico Dandolo 11921205 12021204 Vierter Kreuzzug: Lateinisches Kaiserreich der Kreuzfahrer mit der Hauptstadt Byzanz (bis 1261)
42. Pietro Ziani 12051229 Das Lateinische Kaiserreich erkennt die Lehnsabhängigkeit von Venedig an, Kreta wird venezianisch.
43. Jacopo Tiepolo 12291249 Die Dominanz der Mongolen in Zentralasien erlaubt für 50 Jahre Handel zu Land bis nach China.
44. Marino Morosini 12491252 Sechster Kreuzzug
45. Renier Zen 12521268 Das Byzantinische Reich wird wiederhergestellt; Genua gewinnt gegen Venedig die Dominanz im Schwarzen Meer zurück.
46. Lorenzo Tiepolo 12681275
47. Jacopo Contarini 12751280
48. Giovanni Dandolo 12801289 Die Goldmünze Dukat wird mit niemals geänderter Qualität bis 1797 geprägt.
49. Pietro Gradenigo 12891311 1297 Schließung des Großen Rates (serrata)
50. Marino Zorzi 13111312
51. Giovanni Soranzo 13121328
52. Francesco Dandolo 13281339
53. Bartolomeo Gradenigo 13391342
54. Andrea Dandolo 13431354 Große mittelalterliche Pest; während der nächsten 120 Jahre regelmäßige kleinere Pestepidemien
55. Marino Faliero 13541355 wird nach einer angeblichen oder tatsächlichen Verschwörung enthauptet.
56. Giovanni Gradenigo 13551356
57. Giovanni Dolfin 13561361 Venedig verliert Dalmatien an Ungarn.
58. Lorenzo Celsi 13611365
59. Marco Cornaro 13651368 Venedig verliert Besitzungen an Genua und das Osmanische Reich.
60. Andrea Contarini 13681382 Seesieg bei Chioggia in der Lagune von Venedig: Westorientierung des exponierteren Rivalen Genua
61. Michele Morosini 1382
62. Antonio Venier 13821400 Höhepunkt des Herzogtum Mailand unter der Dynastie der Visconti
63. Michele Steno 14001413 Beginn der Expansion Venedigs auf die Terraferma
64. Tommaso Mocenigo 14141423
65. Francesco Foscari 14231457 Der venezianische Festlandsbesitz wird gegen die Visconti zum zweiten Standbein ausgebaut.
66. Pasqual Malipiero 14571462
67. Cristoforo Moro 14621471 Das Haupthandelsdepot Euböa in Griechenland geht an das erstarkte Osmanische Reich verloren.
68. Niccolò Tron 14711473
69. Nicolo Marcello 14731474
70. Pietro Mocenigo 14741476
71. Andrea Vendramin 14761478
72. Giovanni Mocenigo 14781485 Beginn des 100-jährigen Bergbaubooms in Mitteleuropa, von dem Venedig stark profitiert
73. Marco Barbarigo 14851486
74. Agostino Barbarigo 14861501 1489 Gewinn von Zypern; 1498 entdeckt Vasco da Gama den Seeweg nach Indien. Das Mittelmeer verliert seine zentrale Rolle für den Welthandel.
75. Leonardo Loredan 15011521 1509 Niederlage bei Agnadello: Venedig entgeht dem Untergang nur durch Zwietracht der Sieger.
76. Antonio Grimani 15211523 Das Osmanische Reich baut eine starke Flotte zur Sicherung der Außenposten Ägypten, Libyen, Algerien.
77. Andrea Gritti 15231538 Spanische Habsburger errichten eine Hegemonie über Italien.
78. Pietro Lando 15381545 Osmanische Piraten dominieren bis 1571 das Mittelmeer mit Ausnahme der nördlichen Adria.
79. Francesco Donà 15451553
80. Marcantonio Trevisan 15531554
81. Francesco Venier 15541556
82. Lorenzo Priuli 15561559
83. Gerolamo Priuli 15591567
84. Pietro Loredan 15671570 Verlust von Zypern an das Osmanische Reich (im Frieden von 1573 endgültig)
85. Alvise Mocenigo I. 15701577 bei Lepanto im Bündnis mit Spanien und Papst Vernichtung der osmanischen Flotte
86. Sebastiano Venier 15771578
87. Nicolò da Ponte 15781585 Das Osmanische Reich ist für 60 Jahre in Kriege an seiner Ostgrenze verwickelt.
88. Pasquale Cicogna 15851595
89. Marino Grimani 15951605
90. Leonardo Donà 16061612
91. Marcantonio Memmo 16121615
92. Giovanni Bembo 16151618 Auseinandersetzungen mit Österreich um die Vorherrschaft in der Adria; Finanzkrise in Venedig
93. Nicolò Donà 1618
94. Antonio Priuli 16181623
95. Francesco Contarini 16231624
96. Giovanni I. Cornaro 16251629
97. Nicolò Contarini 16301631 Ende der großen Pest, Venedig hat ein Drittel seiner Bevölkerung verloren; Bau von Santa Maria della Salute
98. Francesco Erizzo 16311646 Krieg mit den Türken um Kreta;
99. Francesco Molin 16461655
100. Carlo Contarini 16551656
101. Francesco Cornaro 1656
102. Bertuccio Valier 16561658
103. Giovanni Pesaro 16581659
104. Domenico II. Contarini 16591674 nach 20-jährigen Kämpfen Verlust von Kreta an das Osmanische Reich
105. Niccolò Sagredo 16741676
106. Alvise Contarini 16761684 Die Türken vor Wien; 1683 Schlacht am Kahlenberg
107. Marcantonio Giustinian 16841688
108. Francesco Morosini 16881694 Gewinn des Peloponnes in den Türkenkriegen
109. Silvestro Valier 16941700 Habsburg wird in den Türkenkriegen benachbarte Großmacht.
110. Alvise Mocenigo II. 17001709 Ende der spanischen Hegemonie in Italien nach dem Aussterben der spanischen Habsburger
111. Giovanni II. Cornaro 17091722 Verlust des Peloponnes in den Türkenkriegen
112. Alvise Mocenigo III. 17221732
113. Carlo Ruzzini 17321735
114. Alvise Pisani 17351741
115. Pietro Grimani 17411752
116. Francesco Loredan 17521762
117. Marco Foscarini 17621763
118. Alvise Mocenigo IV. 17631779
119. Paolo Renier 17791789 Beginn der Französischen Revolution
120. Ludovico Manin 17891797 übergibt die Stadt an Napoléon Bonaparte, der sie an Habsburg weiterreicht: Ende der Republik Venedig

Siehe auch

Literatur

  • Frederic C. Lane: Seerepublik Venedig. Prestel, München 1980, ISBN 3-7913-0406-2.
  • Gino Benzoni (Hrsg.): I Dogi. Electa, Mailand 1982.
  • Claudio Rendina: I Dogi. Storia e segreti. Dalle 120 biografie dei serenissimi di Venezia rivivono retroscena e intrighi della Repubblica del Leone tra patrizi, mercanti, patriarchi e dogaresse in una millenaria epopea italiana. Newton Compton, Rom 1984 (Quest'Italia 66, ZDB-ID 433075-4).
  • Helmut Dumler: Venedig und die Dogen. Artemis und Winkler, Düsseldorf u. a. 2001, ISBN 3-538-07116-0.
  • Andrea da Mosto: I Dogi di Venezia. Giunti, Florenz u. a. 2003, ISBN 88-090-2881-3.

Weblinks

 Commons: Dogenwappen – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
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