Preußische Ansiedlungskommission

Preußische Ansiedlungskommission
Ehemaliger Hauptsitz der Ansiedlungskommission in Posen

Die königlich preußische Ansiedlungskommission für Westpreußen und Posen wurde 1886 als ein zentraler Bestandteil der Germanisierungspolitik der Ostprovinzen Preußens gegründet. Angestrebt wurde eine Neuansiedlung deutscher Zuwanderer in der Provinz Posen und in Westpreußen. Die Ansiedlungskommission bestand offiziell bis in die 1920er Jahre, ihre praktische Arbeit endete aber schon 1918.

Inhaltsverzeichnis

Ziele und Intentionen

Die Zuwendung zur Ansiedlungspolitik war Bestandteil eines allgemeinen Wandels der preußischen Polenpolitik. Anstelle von kultureller Assimilation setzte man seit den 1880er Jahren auf bevölkerungspolitische und demographische Maßnahmen.[1] Eine konkrete Ursache war die verstärkte Abwanderung großer Teile der deutschsprachigen Bevölkerung aus den agrarischen Ostprovinzen Preußens in die Industriezentren im Westen des Landes. Eine Mehrheit aus Konservativen und Nationalliberalen beschloss im preußischen Abgeordnetenhaus mit dem „Gesetz betreffend die Beförderung deutscher Ansiedlungen in den Provinzen Westpreußen und Posen“ die Gründung der Ansiedlungskommission. Ihr Zweck war es, verschuldete Güter in polnischem Besitz aufzukaufen. Diese Maßnahme richtete sich gegen den polnischen Adel, den der preußische Ministerpräsident (und Reichskanzler) Otto von Bismarck als den wichtigsten Träger des polnischen Widerstandswillens ansah.[2] [3]

Die Güter sollten aufgeteilt und an deutsche Siedler vergeben werden. Die Aufteilung setzten die Nationalliberalen gegen Bismarck und zahlreiche Konservative durch, die darin negative Folgen für den adeligen Grundbesitz allgemein sahen.

Ihren Sitz hatte die Kommission in der Stadt Posen. Ausgestattet war sie anfangs mit einem Kapital von 100 Millionen Mark. Dieses wurde später noch erheblich auf etwa das Zehnfache aufgestockt. Die Verantwortlichen hofften so 40.000 Neubauern ansiedeln zu können. Diese sollten wie es zeitgenössisch hieß, einen „lebendigen Wall gegen die slawische Flut“ bilden.[4] Die Kommission war direkt dem preußischen Staatsministerium untergeordnet.[5]

Folgen

Tatsächlich wurden auf Basis des Gesetzes deutlich weniger Neusiedlerstellen als erhofft geschaffen. Die Mehrheit lag in der Provinz Posen.

Die Gründung der Ansiedlungskommission führt stattdessen zur ungewollten Stärkung der polnischen Nationalbewegung. Die Polen gründeten zur Sicherung des Grundbesitzes eine Landesbank (Bank Ziemski) und eine Genossenschaftsbank (Bank Społek Zarobkowych). Diesen und anderen Einrichtungen gelang es, mehr Güter aufzukaufen und an polnische Siedler zu verteilen als der deutschen Kommission.

Das Ziel, durch die Ansiedlungskommission die polnische Nationalbewegung zu schwächen, war auch deshalb verfehlt, weil deren Schwerpunkt längst nicht mehr beim Adel, sondern beim Bürgertum und noch immer bei der Kirche lag.

Letztlich kaufte die Kommission mehr deutschen Besitz als polnischen auf. Zwischen 1886 und 1906 gingen 220 Millionen Mark an deutsche Eigentümer und nur dreißig Millionen an polnische Grundbesitzer. Insgesamt gab die Kommission bis Kriegsausbruch etwa 1 Milliarde Mark aus. Hans-Ulrich Wehler urteilt, dass die Kommission letztlich ein Sanierungsunternehmen für die zahlreichen hochverschuldeten Junker war.[6] Indem diese damit drohten, ihr Land an die polnischen Genossenschaften zu veräußern, veranlassten sie die Ansiedlungskommission zum Ankauf zu Preisen deutlich über Wert. Da die Kommission bei der Germanisierung scheiterte, wurden daneben in der Zeit Wilhelms II. Enteignungsgesetze erlassen.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Großteil der Provinzen Posen und Westpreußen entsprechend dem Versailler Vertrag an den neuen polnischen Staat abgetreten. Damit verlor die Ansiedlungskommission ihre praktische Bedeutung.

Vorsitzende

Einzelnachweise

  1. Sebastian Conrad: Deutsche Kolonialgeschichte. München 2008, S. 99.
  2. Vergl. „Polendebatte“ im preußischen Abgeordnetenhaus. In: Neueste Mittheilungen vom 30. Januar 1886. Onlineversion
  3. zur Zielsetzung auch: Neueste Mittheilungen 11. Februar 1886 Onlineversion
  4. Wehler (1995), S. 964.
  5. Protokolle des preußischen Staatsministeriums. Bd.9, S. 5.
  6. Wehler (1995), S. 964.

Literatur

  • Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Lizenzausgabe. Bundeszentrale für Politische Bildung, Bonn 2005, ISBN 3-89331-662-0, S. 249 (Bundeszentrale für Politische Bildung. Schriftenreihe 537).
  • Christopher Clarke: Preußen. Aufstieg und Niedergang 1600–1947. Lizenzausgabe. Bundeszentrale für Politische Bildung, Bonn 2007, ISBN 978-3-89331-786-8, S. 662 (Bundeszentrale für Politische Bildung. Schriftenreihe 632).
  • Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866–1918. Band 2: Machtstaat vor der Demokratie. Beck, München 1992, ISBN 3-406-34801-7, S. 272.
  • Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Band 3: Von der „Deutschen Doppelrevolution“ bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges. 1849–1914. München 1995, ISBN 3-406-32490-8, S. 964.

Siehe auch

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