Primas Germaniae

Primas Germaniae

Primas Germaniae (Primas von Deutschland) ist ein Titel, der ursprünglich dem hervorragendsten Bischof (Primas) Germaniens zustand. Der Titel wurde im Laufe der Geschichte von den Erzbischöfen von Trier, Mainz, Magdeburg und Salzburg geführt, oft zur selben Zeit, was dem Wortsinn widerspricht. Kompetenzen über die anderen Diözesen des Reiches waren mit dem Titel schon deshalb nicht verbunden. Diese hingen von einer päpstlichen Beauftragung, der Legation ab. Manch ein Primas bezeichnete sich daher bald als geborenen Legaten (legatus natus) um anzuzeigen, dass die Legatenwürde ständig mit seinem Bischofsstuhl verbunden sei.

Trier, Mainz und Magdeburg verloren die Primaswürde in der Napoleonischen Zeit (um 1802) bzw. schon 1648, während Salzburgs Erzbischof sie bis heute innehat, ebenso wie das Erzbistum Köln den Titel Legatus natus.

Inhaltsverzeichnis

Die einzelnen Primate

Mainz

Der angelsächsische Missionar Bonifatius war um 745 Bischof des damals im Rang eines gewöhnlichen Bistums befindlichen Mainz geworden. Bonifatius führte den persönlichen Titel Erzbischof und war zudem Päpstlicher Legat mit außergewöhnlichen Befugnissen. Wegen seiner Verdienste für die Kirche im Reich wurde er bald als „Apostel der Deutschen“ bezeichnet. Bonifatius vermittelte dem Bistum Mainz, das um 780/82 zum Erzbistum erhoben wurde, daher eine ganz hervorragende Stellung unter den deutschen Bistümern. Unter seinen Nachfolgern wurde es zur weitaus größten Kirchenprovinz des Reiches; hinzu kam noch eine Schlüsselstellung im Verfassungsgefüge des Reichs: Der Mainzer Erzbischof war Reichserzkanzler für Germanien und gehörte später zu den sieben Kurfürsten, die das Recht zur Königswahl hatten.

Daraus, und nicht etwa aus einer formellen Verleihung, begründete sich der Primat des Mainzer Erzbischofs, der ab 900 bestätigt ist[1]. Rechtlich verliehen wurde ihm der Primat dagegen nie[2]. Als Kanzlei-Titel wurde er von den Erzbischöfen auch niemals geführt[3].

Rechte über die anderen Metropoliten übte der Mainzer Erzbischof nicht aus[4]. Es handelte sich lediglich um einen Ehrenvorrang. Um tatsächliche Kompetenzen über seine Kirchenprovinz heraus zu erhalten, mussten die Erzbischöfe versuchen, beim Papst ein Vikariats- oder Legationsprivileg zu erhalten. Solche Privilegien sind im Laufe der Zeit einigen Erzbischöfen auch verliehen worden, so z.B. die Erzbischöfe Willigis, Adalbert I. von Saarbrücken und Konrad I. von Wittelsbach[5]. Ab dem 11. Jahrhundert nahmen die Erzbischöfe eine ständige Legation bzw. ein mit dem Mainzer Stuhl verbundene Vikariat an. Die damit erhobenen Ansprüche ließen sich gegenüber den anderen Metropoliten aber nicht durchsetzen. Es blieb beim Ehrenvorrang. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 wurden die Mainzer Würden auf die Kirche von Regensburg übertragen, auf deren Bischofssitz auch der letzte Mainzer Erzbischof Karl Theodor von Dalberg transferiert wurde. Mit dessen Tod 1817 erlosch der Titel des Primas mit Sitz in Regensburg.

Trier

Für den Trierer Erzbischof ist der Titel Primas schon im 9. Jahrhundert bezeugt, allerdings nur für die Provinz Belgica I. Im 10. Jahrhundert erhielt er ein Vikariatsprivileg, das ihm den Vorrang vor allen übrigen Bischöfen des Reiches sowie vor allen sich dort aufhaltenden Legaten einräumte[6]. Im 11. Jahrhundert erreichten die Erzbischöfe wiederholt die Bestätigung ihrer Privilegien und unter Papst Innozenz II. sogar die Legation über die Erzdiözesen Mainz, Köln, Salzburg, Bremen und Magdeburg. Die Trierer Erzbischöfe wurden später öfter als Primaten bezeichnet, führten den Titel selbst jedoch selten. Eine primatiale Jurisdiktion besaßen sie genauso wenig wie die Mainzer[7]. Auch die Legationsgewalten behinderten sich gegenseitig. 1802 erlosch der Titel bei der Suppression des Erzbistums zum gewöhnlichen Bistum[7].

Salzburg

Für Salzburg wird schon für die Zeit des ersten Erzbischofs Arno I. (798–821) die Existenz eines päpstlichen Vikariatsprivilegs angenommen, das jedoch nur unsicher überliefert ist [7]. Im Laufe des Mittelalters wurde ihnen der Titel eines Legaten und eines Vikars des römischen Stuhls nachweislich mehrfach verliehen. Die Erzbischöfe beanspruchten daraus das Recht, sich geborene Legaten (legati nati) und Primaten von Deutschland zu nennen. Beide Titel führt der Erzbischof noch heute; ein Jurisdiktionsvorrang ist mit ihnen nicht verbunden, wohl aber ein liturgisches Präzedenzrecht. Salzburg ist das einzige Erzbistum, das schon im Mittelalter und in der frühen Neuzeit den Titel eines Primas führte und auch nach der postnapoleonischen Neuordnung den Rang eines Erzbistums behielt.

Magdeburg

Der Magdeburger Primat geht auf eine päpstliche Urkunde von 986 zurück. In ihr wurden dem Erzbischof der gerade gegründeten Provinz dieselben Rechte verliehen wie den Erzbischöfen von Mainz, Trier und Köln[8]. Die Magdeburger Erzbischöfe bezeichneten sich daher selbst als Primas germaniae, genau wie die Salzburger, während Mainzer und Trierer den Titel wie bereits beschrieben gar nicht oder nur selten selbst führten.

Im 15. Jahrhundert kam es zwischen dem Magdeburger und dem Salzburger Erzbischof daher zum Streit über die Rangordnung auf den Reichstagen. Dieser Streit wurde 1530 durch einen Vergleich beigelegt, der bestimmte, dass sich beide jeden Tag im Vortritt abwechseln sollten[9].

Während der Reformation fiel das Erzbistum Magdeburg an die Partei der Protestanten. Die evangelischen Administratoren führten den Titel Primas Germaniae weiter, bis das ehemalige Erzbistum nach dem Westfälischen Frieden 1648 in ein weltliches Fürstentum umgewandelt wurde.

Köln

Auch dem Erzbischof von Köln wird bisweilen der Titel Primas germaniae zugestanden[9]. Dies wird mit den Ehrenrechten des Kölners begründet, die denen der anderen Primaten entsprach. 1240 wurde ihm zudem die Legation für Deutschland übertragen. Später führten auch sie den Titel Legatus natus, den sie bis heute beibehalten haben.

Befugnisse des Primas germaniae

Die Primatialsitze sind eine Fortentwicklung des schon im Frühmittelalter bekannten Apostolischen Vikariats (das nicht mit der heutigen Organisationsform verwechselt werden darf). Die Apostolischen Vikare übten für den Papst Jurisdiktion über ihnen zugewiesene Gebiete aus, die über ihren eigentlichen Bereich hinausgingen. Die feste Verbindung mit einem bestimmten Bischofsstuhl führte zum Status eines prima sedes einer bestimmten Provinz. Vorrechte der Vikare waren beispielsweise die Ordination der Metropoliten ihres Gebiets, die Einberufung von Plenarkonzilien oder die Unterhaltung eines Appellationsgerichts für Urteile der Metropolitangerichte.

Zu einer wirklichen Ausprägung des Primas als einer regulären Instanz zwischen den Metropoliten und dem Apostolischen Stuhl in Rom ist es im Abendland jedoch nicht gekommen[10]. Daher war mit dem Primat von Deutschland stets nur ein Ehrenvorrang verbunden. Hinzu kam noch, dass der Titel wie beschrieben von etlichen verschiedenen Bischofssitzen beansprucht oder geführt wurde. Eine wirkliche Bedeutung konnte der Titel daher nicht erlangen.

Rechtlichen Gehalt hatte allein die Position eines Legaten bzw Vikars. Im Laufe der Zeit wurden etliche Bischöfe mit Legatenrechten ausgestattet. Die entsprechenden Privilegien waren jedoch oft unbestimmt formuliert und zudem nur dem betreffenden Bischof persönlich verliehen. Ihre wirkliche rechtliche Qualität ist daher unsicher[9].

Nachdem sich die meisten Primaten bald auch als geborene Legaten bezeichneten (um die verliehene Legation auf Dauer mit ihrem Bischofssitz zu verbinden) trat derselbe Effekt ein wie bei Titel des Primas. So bedeutete der Titel Legatus natus ebenfalls bald nur einen Ehrenvorrang, wobei unklar ist, ob die Legatenrechte jemals gegenüber anderen mächtigen Erzbischöfen irgendeine Durchsetzungskraft entfalten konnten.

Primat und Legation heute

Der Titel Primas germaniae wird heute nur noch vom Salzburger Erzbischof geführt, der auch den Titel eines Legatus natus beibehalten hat. Im kirchlichen Recht ist festgeschrieben, dass der Titel eines Primas nur Ehrenrechte beinhaltet. Der Titel eines Legatus natus kommt im Codex Iuris Canonici von 1983 nicht mehr vor, wird aber weiter gewohnheitsmäßig geführt.

Die Ehrenrechte bestehen in der liturgischen Präzedenz. Primaten gehen den Metropoliten in der Präzedenz vor und folgen ihrerseits den Kardinälen und Patriarchen. Die geborenen Legaten dürfen sich nach hergebrachter Tradition des Legatenpurpurs (nicht zu verwechseln mit dem Kardinalspurpur) bedienen. Die Quasten in ihren Wappen sind daher stets rot und nicht wie bei Bischöfen üblich grün.

Aktuell Primas Germaniae ist seit 2002 der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. May, Der Mainzer Erzbischof als Primas, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 1995, S. 76
  2. May, Der Mainzer Erzbischof als Primas, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 1995, S. 77f.
  3. Hinschius, Paul: System des katholischen Kirchenrechts, Bd. 1, Berlin 1869, S. 608
  4. Hinschius, Paul: System des katholischen Kirchenrechts, Bd. 1, Berlin 1869, S. 607
  5. Hinschius, Paul: System des katholischen Kirchenrechts, Bd. 1, Berlin 1869, S. 608 Fn. 6
  6. Hinschius, Paul: System des katholischen Kirchenrechts, Bd. 1, Berlin 1869, S. 609
  7. a b c Hinschius, Paul: System des katholischen Kirchenrechts, Bd. 1, Berlin 1869, S. 610
  8. Hinschius, Paul: System des katholischen Kirchenrechts, Bd. 1, Berlin 1869, S. 611
  9. a b c Hinschius, Paul: System des katholischen Kirchenrechts, Bd. 1, Berlin 1869, S. 612
  10. May, Der Mainzer Erzbischof als Primas, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 1995, S. 87

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