Primordialatmosphäre

Primordialatmosphäre

Die Entwicklung der Erdatmosphäre ist ein Teil der Theorie der chemischen Evolution der Erde und zudem ein wichtiges Element der Klimageschichte. Heute werden vier wesentliche Entwicklungsstufen unterschieden.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

Für die Einteilung der Erdatmosphäre in vier Entwicklungsstufen gibt es kein verbindliches Modell und der Sprachgebrauch ist sehr unterschiedlich. Die erste Stufe wird recht einheitlich als Uratmosphäre oder auch Primordialatmosphäre bezeichnet, man kann sie jedoch auch als erste Atmosphäre ansprechen. Je nach Begriffswahl werden alle folgenden Entwicklungsstufen durchnummeriert, also entweder, in dem man mit der ersten Atmosphäre fortfährt, oder indem man diese als Synonym zur Uratmosphäre betrachtet und demzufolge die zweite Atmosphäre folgt. Im Weiteren wird die erste Alternative genutzt, es ist jedoch auch zu beachten, dass die Bezeichnung Uratmosphäre bei gröberen Einteilungen bis zum Auftreten größerer Sauerstoffkonzentrationen ausgedehnt wird.

Schwankungen in den Konzentrationen der Atmosphärengase gab es auch unabhängig von einer Einteilung in bestimmte Entwicklungsstufen während der gesamten Erdgeschichte. Auch die heutige Atmosphäre bildet keine Ausnahme und ihre Zusammensetzung ist daher auch im Rahmen menschlicher Zeitskalen maximal metastabil. Dabei steht die Atmosphäre in ständiger Wechselwirkung mit den anderen Geosphären, besonders der Hydrosphäre mit deren Ozeanen und der Lithosphäre über den Vulkanismus. Doch auch der Boden und insbesondere die Lebewelt bilden nicht zu unterschätzende Einflüsse. Letztlich kann daher nur das Zusammenwirken aller Faktoren, samt ihrer zahlreichen Interaktionsmechanismen, eine schlüssige Erklärung dafür geben, wie sich die Atmosphäre in der Vergangenheit entwickelte (Paläoklimatologie) und eventuell in Zukunft entwickeln wird (Klimatologie).

Uratmosphäre

Zeichnung einer protoplanetaren Scheibe (NASA)

Am Anfang stand die Entstehung der Erde vor etwa 4,56 Milliarden Jahren. Dabei verfügte sie schon sehr früh über eine vermutlich aus Wasserstoff (H2) und Helium (He) sowie in geringerem Maße aus Methan (CH4) und aus Ammoniak (NH3) und einigen Edelgasen bestehende Gashülle, die jedoch aufgrund der geringeren Erdanziehung und schnellen Erdrotation nur recht schwach an den Planeten gebunden war. Sie ging in der Folge innerhalb weniger hundert Millionen Jahre wieder fast vollständig verloren. Verantwortlich hierfür waren die kontraktionsbedingte Erwärmung, der Zerfall von Radionukliden unter Wärmeabgabe und die häufigen Impakte, was bedingt durch die sehr hohen Geschwindigkeiten der einschlagenden Objekte zu einem – zumindest teilweisen – Aufschmelzen der Erde führte. Zu dieser sehr hohen Temperatur, die wohl aufgrund der hohen Teilchengeschwindigkeiten (siehe Atmosphäre) schon allein genügt hätte, die frühe Gashülle der Erde aufzulösen, kam das Zünden der Kernfusion in der Sonne. Der daraufhin einsetzende extrem starke Sonnenwind beseitigte wohl auch die letzten Reste der Uratmosphäre, insbesondere der leichten Elemente, und wehte sie in die äußeren Bereiche des Sonnensystems. Aus Spektralanalysen der dortigen Planeten, vor allem von Jupiter und Saturn, stammt dann auch ein Großteil der wissenschaftlichen Theorien bezüglich der frühen Erdatmosphäre.

Erste Atmosphäre

Der Vulkanismus als wesentlicher Einflussfaktor der Atmosphärenentwicklung

Mit der Zeit nahmen die Intervalle der Einschläge zu und ihre Intensitäten immer weiter ab und die Erde konnte sich langsam über die Wärmestrahlung abkühlen. Die geringeren Temperaturen und damit Teilchengeschwindigkeiten der Gase verringerten die Diffusion ins All, was den Aufbau einer Atmosphäre begünstigte. Der in der Folgezeit auftretende Vulkanismus führte zu starken Ausgasungen und schuf damit die erste Atmosphäre. Dabei hatte die Differenzierung der Erde, insbesondere die Bildung eines Eisen-Nickel-Kerns dramatische Auswirkungen auf die Zusammensetzung dieser Ausgasungen. Erdkruste und Mantel zeigten dadurch einen wesentlich höheren Oxidationsgrad und setzten dadurch vorwiegend Kohlenstoffdioxid, Stickstoff und Schwefeldioxid frei, weniger jedoch Methan, Schwefelwasserstoff und Ammoniak.

Vor etwas über vier Milliarden Jahren dürfte die damalige Atmosphäre zu etwa 80 % aus Wasserdampf (H2O), zu 10 % Kohlenstoffdioxid (CO2) und zu 5 bis 7 % aus Schwefelwasserstoff (H2S) sowie kleineren Spuren von Stickstoff (N2), Wasserstoff (H2), Kohlenmonoxid (CO), Helium, Methan und Ammoniak bestanden haben. Dabei handelt es sich um eben jene Produkte des Vulkanismus, wie man sie auch heute noch beobachten kann. Ansonsten können diese Angaben nicht direkt bewiesen werden. Der hohe Anteil des Wasserdampfs erklärt sich dadurch, dass die Atmosphäre zu diesem Zeitpunkt noch zu warm war, um Niederschläge bilden zu können. Es gab also noch keine Gewässer auf der Erde. Der eigentliche Ursprung des Wassers ist umstritten.

Zweite Atmosphäre

Nachdem die Erde ausreichend abgekühlt war, kam es zu einem extrem langen Dauerregen von etwa 40.000 Jahren, nach dessen Ende sich die Ozeane gebildet hatten und dementsprechend die anderen Atmosphärengase relativ zum Wasserdampf angereichert wurden. Die hohe UV-Einstrahlung bedingte eine photochemische Zerlegung der Wasser-, Methan- und Ammoniakmoleküle, wodurch sich Kohlenstoffdioxid und Stickstoff ansammelten. Frühe Stoffwechselvorgänge von gärenden und chemolithotrophen Bakterien erhöhten zusätzlich den Gehalt an Stickstoff und auch Methan. Die leichten Gase wie Wasserstoff oder Helium verflüchtigten sich in den Weltraum, vor allem Kohlenstoffdioxid und Schwefelwasserstoff wurden in großen Mengen in den neu entstandenen Ozeanen gelöst. Kohlenstoffdioxid bildet bei Lösung in Wasser Kohlensäure (H2CO3), aus der sich durch Dissoziation Hydrogencarbonat-Ionen (HCO3-) und Carbonat-Ionen (CO32-) bilden. Carbonat-Ionen bilden mit bestimmten Kationen, insbesondere mit Calcium, schwerlösliche Carbonate, die ausgefällt werden. Dies führte zu großen Ablagerungen am Ozeanboden. Einzig unbeeindruckt zeigte sich daher der inerte Stickstoff. Dieser sammelte sich mit der Zeit an und vor etwa 3,4 Milliarden Jahren schloss sich dann die Entwicklung der zweiten Atmosphäre ab. Sie hatte nun vermutlich Stickstoff als Hauptbestandteil und enthielt in geringeren Mengen wahrscheinlich Wasserdampf, Kohlenstoffdioxid und Argon.

Dritte Atmosphäre

Entwicklung des O2-Gehaltes in der Atmosphäre während der letzten Jahrmilliarde

Der Sauerstoff spielt die Hauptrolle bei der Herausbildung unserer heutigen, der dritten Atmosphäre. Dabei kommt der Photosynthese eine dominante Stellung zu und andere Effekte, wie die Photodissoziation des Wasserdampfs, sind nahezu vernachlässigbar. Obwohl es mit den Cyanobakterien wahrscheinlich schon vor 3,5 Milliarden Jahren erste Lebewesen gab, die oxidative Photosynthese betrieben, zeigte sich deren Effekt auf die Zusammensetzung der Erdatmosphäre sehr spät. Ursache für die zunächst geringe Sauerstoffanreicherung war, dass der in den Ozeanen freigesetzte Sauerstoff chemisch sofort mit anderen Stoffen seiner Umgebung reagierte.

Er wurde bei der Oxidation von zweiwertigem Eisen zu dreiwertigem Eisen, also der Bildung von schwer wasserlöslichen Fe(III)-Verbindungen, und bei der Oxidation von Schwefelwasserstoff bzw. Sulfid zu Sulfat verbraucht. Da der Sauerstoff folglich dem Ozeanwasser entzogen wurde und dieses nicht mit Sauerstoff gesättigt werden konnte, gelangte zunächst kein Sauerstoff in die Atmosphäre. Auch sulfidische Erze wurden oxidiert, zum Beispiel FeS und FeS2 zu Fe2O3 und Fe2(SO4)3. Die Bändererze geben noch heute Zeugnis von dieser Etappe der Erdgeschichte.

Nachdem es schließlich aufgrund der immer geringer werdenden Eisen(II)-Konzentration vor etwa 2,3 Milliarden Jahren zur Entgasung des ersten Sauerstoffs aus den Ozeanen kam, setzte sich diese Entwicklung immer weiter fort. Die Sauerstoffkonzentration stieg somit bis vor 1 Milliarde Jahre auf ungefähr 3 %. Gleichzeitig ging die Konzentration des Kohlenstoffdioxids zurück. Vor 1,5 Mrd. Jahren traten die ersten aeroben Organismen auf, die den Sauerstoff nicht nur unschädlich machten, sondern dabei zusätzlich Energie gewannen (Atmungskette). Atmung und Photosynthese erreichten dadurch letztlich ein Gleichgewicht.

Auch kam es durch die zunehmende Sauerstoffkonzentration vor etwa 750 bis 400 Millionen Jahren zur Bildung von Ozon in höheren Schichten der Atmosphäre und damit einer Abschirmung der Erdoberfläche von UV-Strahlen, was gerade für die Entwicklung des Lebens auf den Kontinenten eine entscheidende Rolle spielte. Vor 500-600 Millionen Jahren waren schließlich die Sauerstoffsenken gesättigt und es folgte ein recht sprunghafter Anstieg des Luftsauerstoffs auf 12 % aufgrund von Photosynthese. Das heutige Niveau war vor etwa 350 Millionen Jahren erstmals erreicht, hat seitdem jedoch mehrere starke zwischenzeitliche Schwankungen durchgemacht. So lag der Sauerstoffgehalt während des Karbons über 30%, sank im Zuge des Klimawandels während des Perm-Trias-Übergangs jedoch auf rund die Hälfte ab. Bis zum Jura hatte sich der Sauerstoffgehalt wieder auf 26% erholt und behielt diesen Wert auch während der Kreide bei.

Jüngere Entwicklung

In jüngster Zeit ist vor allem ein Anstieg in der Konzentration der Treibhausgase zu verzeichnen, allen voran Kohlenstoffdioxid, das seine Konzentration in den letzten hundert Jahren um fast die Hälfte erhöht hat. Wichtig ist jedoch nicht nur die Gesamtkonzentration eines Gases über die gesamte Atmosphäre, sondern vielmehr dessen lokale Anreicherung. So ist zum Beispiel Ozon in der Ozonosphäre für das Leben auf dem Land von großer Bedeutung, jedoch in der unteren Troposphäre ein Gesundheitsrisiko (Smog).


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